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Wirtschaftsstandorte: Wie geht es dem deutschen Nachbarland Österreich wirtschaftlich?

Wirtschaftsstandorte

Wie geht es dem deutschen Nachbarland Österreich wirtschaftlich?

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    Österreich ging es wirtschaftlich auch schon einmal besser.
    Österreich ging es wirtschaftlich auch schon einmal besser. Foto: Matthias Balk, dpa

    Deutschland steht seit Monaten als Wirtschaftsstandort zunehmend infrage. Wer allerdings in den großen ökonomischen Fragen – Inflation und Teuerung, Wachstum (mau) oder Arbeitsmarkt und Migration – und in Erwartung von Lösungen nach Österreich sieht, wird kaum fündig werden: Die Alpenrepublik leidet nach wie vor unter einer im europäischen Vergleich drückend hohen Inflation, egal ob an der Zapfsäule oder an der Supermarktkassa. Die enorm hohen Preise belasten längst nicht nur einkommensschwächere Schichten, über nach wie vor hohe Energiepreise sowie die zuletzt stark gestiegenen Mieten trifft die Teuerung auch die Gutverdienenden – und der Frust auf die Regierung in Wien steigt und steigt. 

    Effektive Gegenmaßnahmen lässt die Koalition unter ÖVP-Kanzler Karl Nehammer und seinem Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bisher vermissen. Die Koalition stellt ein Sinnbild dar einer sich selbst blockierenden Regierung, die daher nur in Zwergenschritten vorankommt und – aus Sicht von Experten wie auch Kritikern – in den drängenden Fragen Problemen nur unzureichend Entscheidungen trifft. Erst nach massivem Druck und in den Augen der Oppositionsparteien viel zu spät rangen sich ÖVP und Grüne Ende August auf einen Mietendeckel durch. Zuvor hatten Ökonomen gewarnt, die enormen Steigerungen bei Mieten wären einer der Hauptinflationstreiber, ein Gegensteuern sei auch aufgrund der Gefahr für den Wirtschaftsstandort dringend geboten. 

    Weltmeisterlich ist bei Karl Nehammer und Werner Kogler nur die Inszenierung als Parteichefs

    Weltmeisterlich geben sich die beiden Parteichefs Nehammer und Kogler dann, wenn es darum geht, sich als Problemlöser zu inszenieren – kaum mehr als ein Drittel der Österreicher aber traut der ÖVP-Grünen-Regierung diese Kompetenz noch zu. Dennoch gibt es Beispiele, die zeigen, dass Österreich es besser kann. 

    Wer sowohl in Deutschland als auch in Österreich Bahn fährt, dem wird es bereits aufgefallen sein: Die öffentliche Infrastruktur in Österreich hebt sich im deutschen Vergleich positiv ab. Bahnfahren in Österreich funktioniert pünktlicher als im Nachbarland – ein Grund für das Gelingen mag eines vor allem für die Grünen wichtigen Projekts sein, dem Klima-Ticket. Mühsam mit den zahlreichen Stakeholdern ausverhandelt, gab es für das Lieblingsprojekt der grünen Infrastruktur-Ministerin Leonore Gewessler vorab keine allzu großen Erwartungen. Knapp zwei Jahre nach dem Verkaufsstart im Oktober 2021 zeigt sich: Gewesslers Ticket entwickelt sich zum Verkaufsschlager. Rund 245.000 Tickets wurden Stand August 2023 bisher verkauft und die Prognosen damit weit übertroffen. Für 1095 Euro im Jahr können Besitzer den ÖNV in Österreich beinahe flächendeckend nutzen, ohne Aufpreis.

    Was ist mit der berühmten Wiener Wohnungspolitik?

    Sieht man in die Zahlen der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB), zeigt sich: Das Konzept funktioniert. Eine Bilanz für 2022 des ÖBB Personenverkehrs weist eine Steigerung des Passagieraufkommens um 38 Prozent im Vergleich zu 2021 auf, rund 447 Millionen Passagiere nutzten demnach im vergangenen Jahr Bahn oder Postbus. Das Passagieraufkommen nähert sich damit in Österreich rasant dem Vor-Pandemie-Niveau – im laufenden Jahr erwartet ÖBB-Konzernchef Andreas Matthä einen Rekord von über 480 Millionen Passagieren. Die Pünktlichkeit der ÖBB – rund 95 Prozent 2022 – leidet durch den Passagierandrang kaum. Zum Vergleich: Die Deutsche Bahn kam 2022 auf 65 Prozent Pünktlichkeit. 

    Fast vier Milliarden Euro investierte die ÖBB 2022 in den Ausbau und in die Erneuerung der Netze, Park-and-Ride-Anlagen und den Ausbau von erneuerbarer Energie für die Streckenversorgung. Den Vorteil in der Verkehrswende durch gut intaktes Bahnsystem und Klima-Ticket droht Österreich allerdings beim Ausbau der regionalen Verkehrsverbindungen zu verspielen: Hier fordert der Rechnungshof (RH) höhere Bundesmittel. Im flächenmäßig größten Bundesland Niederösterreich pendeln nach wie vor rund zwei Drittel aller Berufstätigen mit dem Auto zur Arbeit, in der Vergangenheit gab es hier wie auch in anderen Bundesländern Einschnitte beim Regionalverkehr. In den Ausbau des Nahverkehrs investiert auch die Bundeshauptstadt: Bis 2028 werden in Wien eine neue U-Bahn-Linie gebaut und eine bestehende ausgebaut werden, über sechs Milliarden Euro gibt die Stadt dafür aus. 

    Auch das "rote Wien" hat Probleme, unter anderem mit Genossenschaftswohnungen

    Schlechter sieht es in einem Bereich aus, in dem Wien jahrzehntelang als europäischer Vorreiter galt: Kaum wo in einer europäischen Metropole war bisher so günstig und dabei qualitätsvoll wohnen wie in Wien. Ein jahrelang erprobtes Konzept der sozialen Durchmischung der Wohnbezirke zusammen mit dem breiten Modell des öffentlich geförderten und des kommunalen Wohnbaus führte dazu, dass in Wien Probleme, mit denen deutsche Großstädte kämpfen, fehlen. 

    Doch auch dieser Erfolgsgeschichte droht ein jähes Ende. Wien wächst rasend schnell, die 2-Millionen-Marke gilt als fast erreicht, 2080 werden 2,5 Millionen Menschen in Wien leben und die sozialdemokratische Stadtregierung kommt mit dem Wohnbau nicht mehr hinterher. Für das kommende Jahr ist ein deutlicher Einbruch bei den neu auf den Markt kommenden Wohnungen absehbar. Zudem sind für viele Wiener – trotz Gemeinnützigkeit – öffentlich geförderte Genossenschaftswohnungen kaum mehr leistbar. Und auch beim kommunalen Wohnbau, für den das „rote Wien“ so bekannt ist, sieht es nicht gut aus: Bis 2020 kündigte SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig 4000 neue Gemeindewohnungen an, bis heute wurde nicht einmal ein Viertel davon fertiggestellt. Wo die massiv wachsende Wiener Bevölkerung künftig wohnen soll, bleibt offen. Egal ob Wohnen oder Infrastruktur: Österreich wird in den kommenden Jahren alle Mühe haben, seine Erfolgsprojekte als solche zu erhalten. 

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