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Wirtschaftsskandal: "Wir fühlten uns als Team": So war die Macht bei Wirecard verteilt

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"Wir fühlten uns als Team": So war die Macht bei Wirecard verteilt

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    Der frühere Wirecard-Manager und Kronzeuge Oliver Bellenhaus (Zweiter von links) und der frühere Wirecard-Chef Markus Braun (Dritter von links) warten auf den Beginn.
    Der frühere Wirecard-Manager und Kronzeuge Oliver Bellenhaus (Zweiter von links) und der frühere Wirecard-Chef Markus Braun (Dritter von links) warten auf den Beginn. Foto: Lukas Barth, dpa (Archivbild)

    Der Richter Markus Födisch ist ein geschickter Interviewer. Er hat für sich die Langsamkeit entdeckt. Mit einer Seelenruhe nähert sich der Jurist Zentimeter um Zentimeter dem Kern des Wirecard-Skandals. Sein Motto lautet: „An Zeit mangelt es nicht.“ Im Münchner Prozess gibt er dem Kronzeugen Oliver Bellenhaus auch am Donnerstag alle Zeit der Welt, Einblicke in das Innenleben des einstigen Online-Zahlungsdienst-Abwicklers zu geben. So entstehen interessante Dialoge.

    Nachdem Bellenhaus berichtet, sein einstiger Vorgesetzter Stephan Freiherr von Erffa sei schon mal gegenüber ihm verbal ausfallend geworden, will Födisch wissen: „Ist er ein Choleriker?“ Bellenhaus schmunzelt kurz und entgegnet: „Dicht dran.“ Und der Kronzeuge ergänzt bereitwillig über seinen im Saal sitzenden Ex-Boss und Mitangeklagten: „Sein persönliches Verhalten war nicht immer angemessen. Er war schnell sauer, wenn er es mit Inkompetenz zu tun hatte.“ 

    Kronzeuge bezichtigt sich und andere Wirecard-Manager

    Von Erffa war ehedem Chefbuchhalter des Unternehmens und muss sich wie Bellenhaus und der frühere Wirecard-Chef Markus Braun vor Gericht in München verantworten. Dem Trio wird unter anderem bandenmäßiger Betrug vorgeworfen, eine Straftat, für die bis zu zehn Jahre Haft drohen. Waren die einstigen Wirecard-Mächtigen also eine Bande, die Umsätze frei erfunden und falsche Bilanzen erstellt hat? Der fleißige Bezichtiger Bellenhaus räumt ein: „Wir haben die Kontoauszüge so gefälscht, dass sie zu unseren Zahlen passten.“ Manchmal sei er dabei am Computer gesessen und habe Dateien so lange manipuliert, „bis es auch optisch gepasst hat“.

    Der Kronzeuge ist eine nicht versiegen wollende Quelle der Indiskretion. Der hinter ihm sitzende und radikal Rollkragenpullover tragende Braun legt seinen Kopf zurück und bemüht sich, keine auffälligen Reaktionen zu zeigen. Er bewahrt selbst Ruhe, als Bellenhaus ihn erneut schwer belastet, indem er über die Gruppendynamik der Führungsspitze anmerkt: „Wir fühlten uns als Team.“ Das habe auf Braun, seine einstige rechte Hand Jan Marsalek und auch auf Erffa zugetroffen. Woher rührte der damalige Team-Spirit? Bellenhaus spricht von dem gemeinschaftlichen Ziel, Wirecard am Leben zu erhalten: „Wir wollten den Karren wieder aus dem Dreck ziehen.“ Zwischen den drei Managern und ihm sei ein Band der Loyalität gespannt gewesen.

    Marsalek: „Wir sollten den Markus schützen“

    Als es dann kritischer wurde und die Zweifel an der Seriosität von Wirecard sich sprunghaft vermehrten, habe Marsalek gesagt: „Wir sollten Markus schützen.“ Födisch hakt wiederum nach: „Richtig loyal hat sich keiner mehr verhalten.“ Bellenhaus meint nur: „So ist es.“ Schließlich setzte sich Marsalek ins Ausland ab und Bellenhaus entschloss sich, als Kronzeuge auszupacken. Loyalität sieht anders aus. Dabei war die Macht unter den Wirecard-Männern einst klar verteilt, wenn man Bellenhaus folgt. Vor Gericht führt er den Begriff des Kernteams an. Zu diesem zählten demnach Braun, Marsalek, von Erffa, der einstige Finanzvorstand Burkhard Ley und er selbst als eine Art Nummer fünf. Das Quintett wusste „vollumfänglich, was passiert ist“.

    Interessant ist, wie der Kronzeuge die Wirecard-Macht-Pyramide beschreibt. Ganz oben habe Braun gestanden, nur ein „bisschen darunter“ folgte Marsalek. Dann kamen Ley und Erffa und schließlich er als Statthalter in Dubai. Und der „Markus“ habe entschieden, was passiert. Den Wiener Jan Marsalek, der mit viel Spaß Berufs- und Privatleben nicht getrennt habe, bezeichnet er als „großen Charmeur“. Das Verhältnis von Braun und Marsalek sei sehr, sehr eng gewesen. Der Jan, befindet Bellenhaus, habe die Gabe gehabt, alles sehr gut zu verpacken, „auch wenn es ein Stück Scheiße war“. 

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