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Wirtschaftspolitik: Schafft die Bundesregierung tatsächlich Wachstumschancen?

Wirtschaftspolitik

Schafft die Bundesregierung tatsächlich Wachstumschancen?

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    Die Bundesregierung will die schwächelnde Wirtschaft mit dem Wachstumschancengesetz in Schwung bringen. Dessen Effekte sind umstritten.
    Die Bundesregierung will die schwächelnde Wirtschaft mit dem Wachstumschancengesetz in Schwung bringen. Dessen Effekte sind umstritten. Foto: Axel Heimken, dpa

    Um Deutschlands wachstumsarme Wirtschaft sorgt man sich international zunehmend. Das wirtschaftsliberale Wall Street Journal überschreibt diese Woche eine Analyse mit der Zeile: "Deutschland verliert sein Mojo. Es wiederzufinden wird nicht einfach sein." Europas größte Volkswirtschaft, schreibt das New Yorker Blatt, rutsche in die Stagnation, "und ein schwächelndes politisches System ringt um eine Antwort".

    Mit dem schwächelnden System ist die auch nach der Sommerpause recht debattierfreudig flackernde Ampel gemeint. Eine Antwort auf diese Stagnation ist das sogenannte Wachstumschancengesetz, das das Bundeskabinett auf Schloss Meseberg beschlossen hat und das die Wirtschaft bis 2028 um jährlich sieben Milliarden Euro entlasten soll. Im halb harmonischen Entstehungsstil, dem grün-liberalen Gebaren beim Gebäudeenergiegesetz nicht unähnlich, geht der Entwurf nun in den Bundestag.

    Prämien für Investitionen in den Klimaschutz

    Im Kern sieht das 50 steuerpolitische Maßnahmen umfassende Gesetz Prämien für Investitionen in den Klimaschutz vor: Unabhängig vom Unternehmensgewinn soll eine steuerliche Zulage – und zwar in Höhe von 15 Prozent der jeweils investierten Summe – gezahlt werden, wenn Betriebe etwas dafür tun, ihren Energieverbrauch zu verringern. Zudem soll insbesondere der Mittelstand seine Verluste steuerlich besser verrechnen können. Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten auf Maschinen, Fahrzeuge und Werkzeuge sollen ferner die Firmen liquider machen. Auch die Forschung und Entwicklung der Betriebe soll steuerlich gefördert werden, um so Impulse für zukunftsfähige Produkte und mehr Innovationen zu setzen. Schließlich soll die immer mehr in der Krise steckende Bauwirtschaft mit erleichterten Abschreibungsregeln für den Wohnungsbau neuen Wumms bekommen. 

    Bleibt die Frage: Was kann das Gesetz und hilft es den Unternehmen Deutschlands Glücksbringer, sein "Mojo", wiederzufinden? Reicht es, um den Wirtschaftsstandort entscheidend voranzubringen? Robin Jessen, Konjunktur-Experte am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Berlin, sagt: Nein. Denn bei dem Gesetzesentwurf handele es sich im Wesentlichen um Steuersenkungen und Bürokratieabbau. Diese seien zwar begrüßenswert, für eine starke Wirkung sei das Volumen der Steuersenkung allerdings zu klein. Und das bedeutet: "Das Gesetz verspricht keine Lösung für die großen Herausforderungen für den Standort Deutschland, dessen Wachstumsschwäche strukturell ist." 

    Jessen kritisiert, dass einige Maßnahmen nicht zielgenau seien. Und mit Blick auf den Kern des Gesetzes, die Investitionsprämien, sagt der Ökonom im Gespräch mit unserer Redaktion: "Maßnahmen wie diese, die der Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaschutz dienen sollen, machen den Klimaschutz ökonomisch teurer als notwendig. Das beste Instrument für die Senkung des CO2-Ausstoßes ist ein höherer CO2-Preis bei gleichzeitiger Senkung anderer Abgaben beziehungsweise der Rückgabe der Zusatzeinnahmen in Form von Transfers."

    Verband der Familienunternehmen: Gesetz ist ein erster Schritt

    Erst das sorge dafür, dass diejenigen Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes ergriffen werden, die auf die günstigste Weise am meisten CO2 einsparen. "Die Investitionsprämie bevorzugt hingegen einseitig die Erhöhung der Energieeffizienz durch Investitionen als Klimaschutzmaßnahme gegenüber anderen, in manchen Fällen womöglich günstigeren Maßnahmen. Um in den Genuss der Investitionsprämie zu kommen, müssen Unternehmen zudem verschiedenste Bedingungen erfüllen und Anträge stellen, also wertvolle Ressourcen für Bürokratie aufbringen." Das sei nicht nötig, wenn Investitionsanreize schlicht über den CO2-Preis gesetzt würden.

    Die Unternehmen selbst sehen zumindest einen Anfang gemacht. Marie-Christine Ostermann etwa, Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer, sieht mit dem Wachstumschancengesetz einen wichtigen ersten Schritt getan, "um den viel zu teuren Wirtschaftsstandort Deutschland wieder in Schwung zu bringen". Es biete notwendige Entlastungen und trage zur Entbürokratisierung bei. Sie sagt: "Insbesondere die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung und die Flexibilisierung der Verlustverrechnung haben die Familienunternehmer mit Nachdruck gefordert, um das Land aus dem Investitions-Dornröschenschlaf zu wecken." Ostermann fordert aber weitere Senkungen von Steuern und Abgaben, insbesondere im Energiebereich. 

    Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), beklagt dagegen, dass der große Wurf ausgeblieben ist und von der Meseberger Klausur nicht das erwartete Aufbruchssignal für die deutsche Wirtschaft ausgeht. Immerhin bringe das Wachstumschancengesetz in einer Reihe von Punkten Bewegung "in die richtige Richtung". Aus Sicht der

    Länder, Kommunen und Städte üben Kritik am Kabinettsbeschluss zum Chancengesetz

    Heftige Kritik kommt dagegen aus den Kommunen und Städten, die die Gewerbesteuer erheben. Der Deutsche Städtetag etwa hat mit scharfen Worten den Kabinettsbeschluss zum Chancengesetz kritisiert. Dieses sei "eine echte Hiobsbotschaft für die Städte", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Wenn es so komme, wie es jetzt geplant sei, bedeute das für die Kommunen voraussichtlich bundesweit Steuerausfälle von mehr als sieben Milliarden Euro. Das sei für die Städte kaum zu verkraften. 

    Der Weg für das Gesetz durch Bundestag und Bundesrat ist noch nicht geschafft. Auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hat den Umgang mit den Ländern bei dessen Finanzierung kritisiert. "Da der Bund nur ein gutes Drittel der Kosten für das Paket tragen will und der Rest von Ländern und Kommunen kommen soll, ist das erst mal ein Geschäft zulasten Dritter. So sollten Bund und Länder nicht miteinander umgehen." (mit dpa)

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