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Wirtschaftskrise: Wachstum flacht ab: Die fetten Jahre Chinas sind vorbei

Wirtschaftskrise

Wachstum flacht ab: Die fetten Jahre Chinas sind vorbei

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    Rohbauten in Peking. Schulden von umgerechnet mehr als 300 Milliarden US-Dollar lasten auf dem chinesischen Immobilienriesen Evergrande.
    Rohbauten in Peking. Schulden von umgerechnet mehr als 300 Milliarden US-Dollar lasten auf dem chinesischen Immobilienriesen Evergrande. Foto: Soeren Stache, dpa

    Wer dieser Tage Xi Jinpings Reden lauscht, traut seinen Ohren kaum. War die Führung in Peking zuvor geradezu besessen von der Idee, das jährliche Wirtschaftswachstum in China so hoch wie möglich zu halten, tut der amtierende Staatschef das Streben nach kurzfristigem Wohlstandsgewinnen als reine Dekadenz ab. „Wir müssen historische Geduld wahren“, sagte der 70-Jährige in einer am Mittwoch veröffentlichten Ansprache, die sich wie eine Durchhalteparole an die Bevölkerung liest. Man müsse sich vor allem darauf konzentrieren, „eine sozialistische Ideologie aufzubauen“. 

    Natürlich ist es kein Zufall, dass Chinas mächtigster Parteichef seit Mao Tsetung wieder vermehrt an die patriotische Volksseele appelliert. Denn das Reich der Mitte befindet sich vor der größten ökonomischen Herausforderung der letzten Dekaden: Die Volkswirtschaft schwächelt und kriselt. Im zweiten Quartal ist das chinesische Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum – durch Lockdowns und „Null Covid“ geprägten – Vorjahreszeitraum um nur 0,8 Prozent gestiegen. Die vage Hoffnung, dass das Land nach Öffnung der Pandemie-Maßnahmen im letzten Dezember rasch wieder zur gewohnten Wachstumsgeschwindigkeit zurückkehren würde, hat sich nicht erfüllt.

    Chinas Präsident Xi Jinping setzt auf immer mehr Ideologie und Kontrolle der Unternehmen. Ein Kurs, der die Kreativität und Innovationskraft der Wirtschaft gefährdet.
    Chinas Präsident Xi Jinping setzt auf immer mehr Ideologie und Kontrolle der Unternehmen. Ein Kurs, der die Kreativität und Innovationskraft der Wirtschaft gefährdet. Foto: Gianluigi Guercia, AP/dpa

    Sämtliche ökonomische Parameter liegen unter den Erwartungen

    Fast sämtliche ökonomischen Parameter liegen unter den Erwartungen: Die monatlichen Neukredite sind derzeit so niedrig wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr, die ausländischen Direktinvestitionen befinden sich gar auf dem tiefsten Stand seit den 90ern. Und selbst die Exporte – eine der zuverlässigsten Wirtschaftssäulen der Volksrepublik – sind im Juli aufgrund der schwachen globalen Nachfrage um nahezu 15 Prozent gefallen. 

    Trotz Corona-Pandemie und Weltwirtschaftslage sind die Ursachen dafür, dass die chinesische Wirtschaft unter ihren Möglichkeiten bleibt, in erster Linie hausgemacht. Eines der größten Probleme ist Xi Jinping selber: Nach Jahrzehnten der pragmatischen Reformpolitik setzt der Staatschef wieder verstärkt auf ideologische Kontrolle. In den meisten Privatfirmen, auch internationalen Konzernen, sind Parteizellen der KP eingezogen. Die meisten öffentlichen Aufträge und günstigen Kredite gehen an die bürokratischen Staatsunternehmen. Und darüber hinaus hat Xi ein repressives Gesellschaftsklima erschaffen, in dem unternehmerische Innovation und Kreativität auf immer stärkere Widerstände stoßen.

    Auf dem Arbeitsmarkt braut sich eine Krise zusammen, die der der KP-Führung tiefe Sorgenfalten in die Stirn treiben dürfte: Die Jugend des Landes steht zunehmend ohne Perspektive dar. Im Frühjahr hatte die Arbeitslosigkeit der unter 24-Jährigen allein in den Städten erstmals die historische 20-Prozent-Marke durchbrochen. Im Juni stieg der Wert noch einmal deutlich auf 21,3 Prozent an. Im August strömten allein über elf Millionen Universitätsabsolventen auf den überhitzten Arbeitsmarkt. Das nationale Statistikamt hatte im August kurzerhand angekündigt, die Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen bis auf Weiteres zu „suspendieren“, um die „Methodik zu optimieren“. 

    Dabei sind die Risse im System nicht mehr zu übersehen, etwa in den unzähligen Bauruinen – vor allem in den Außenbezirken der Provinzstädte. Die anhaltende Immobilienkrise führt dazu, dass derzeit Hunderttausend chinesische Familien um die Errichtung ihrer bereits gekauften Apartments bangen müssen. Denn einigen der größten privaten Bauentwickler droht die Insolvenz: Der einstige Immobilienriese „Evergrande“, mit über 335 Milliarden Dollar eines der am höchsten verschuldeten Unternehmen weltweit, hatte zuletzt in den USA einen Konkursantrag gestellt. Und „Country Garden“, das als ökonomisch gesund galt, verpasste Anfang August zwei Zahlungsfristen, ehe der Aktienkurs auf nahezu Null stürzte. 

    Von einem Kollaps ist das chinesische System allerdings weit entfernt

    Doch trotz aller Negativschlagzeilen ist das chinesische System weit von einem Kollaps entfernt. Aufgrund der schieren Größe des Marktes wird die Volksrepublik zudem auch in Zukunft eine global wichtige Rolle einnehmen. Das Tempo jedoch, mit dem sie sich entwickelt, flacht deutlich schneller ab als zuvor prognostiziert: Die Wirtschaftsberatung Capital Economics mit Sitz in London schätzt, dass sich das chinesische Wachstum bis 2030 bei rund zwei Prozent einpendeln dürfte. 

    Viele Experten ziehen eine historische Parallele zum Japan der frühen 90er Jahre: Auch damals dachte der Westen, er würde von einer aufsteigenden Macht aus Ostasien technologisch und wirtschaftlich überholt werden. Stattdessen aber glitt die japanische Volkswirtschaft das nächste Jahrzehnt in eine lähmende Stagnation ab. 

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