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Wirtschaftskraft: Was bringen die EU-Sanktionen gegen Russland?

Wirtschaftskraft

Was bringen die EU-Sanktionen gegen Russland?

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    Die EU will neue Russland-Sanktionen verhängen.
    Die EU will neue Russland-Sanktionen verhängen. Foto: Zhang Cheng/XinHua, dpa

    Zu sehen sind Transporter voller Luxusautos, schwere SUVs, an der EU-Außengrenze in Litauen. Der Zielort: Russland. Oder Videos auf Telegram-Kanälen: Schmuggler beschreiben dort, auf welcher Route sie Luxus-Karossen von Deutschland nach Moskau bringen. Aufwändige Recherchen des ZDF-Magazins Frontal belegen, wie es Autoschiebern gelingt, die Russland-Sanktionen der EU zu umgehen. Eine Spur führt dabei auch zurück ins Allgäu. Bringen all die Maßnahmen überhaupt etwas?

    Zwölf Pakete hat die Europäische Union geschnürt, um Russlands Wirtschaft immer weiter unter Druck zu setzen. Auch Luxusautos sollen dem Regime und den es stützenden Eliten damit vorenthalten werden. Seit Juni vergangenen Jahres darf derlei Gerät sogar unabhängig vom Wert aus EU-Ländern nicht mehr nach Russland importiert werden. Bis dahin galt noch eine Wertgrenze von 50.000 Euro. Aber: Wo Sanktionen verhängt werden, gibt es stets findige Versuche, diese zu umgehen, wie die ZDF-Recherche zeigt.

    Wolodymyr Selenskyj fordert, jedes Schlupfloch zu schließen

    Auf der Münchener Sicherheitskonferenz hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkyj vehement gefordert, diese zu unterbinden. Er sagte: "Wir müssen alle Lücken und Schlupflöcher bei den Sanktionen gegen Russland schließen. Kein Sektor der russischen Wirtschaft sollte davon ausgenommen werden." Jeder einzelne Dollar von Putin und seinen Freunden sollte eingefroren werden." Das wird zwar kaum gelingen. Aber immerhin: Die EU arbeitet schon länger an schärferen Sanktionen und will sie nun – nach dem Tod des russischen Oppositionspolitikers und Regimekritikers Alexej Nawalny – auf den Weg bringen, wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zum Auftakt eines EU-Außenministertreffens in Brüssel am Montag ankündigte. Genutzt werden solle dazu ein spezielles EU-Sanktionsinstrument zur Bestrafung von schweren Menschenrechtsverstößen, erklärte Baerbock in der belgischen Hauptstadt. 

    Dieses Instrument war bereits verwendet worden, um russische Staatsfunktionäre für die Inhaftierung Nawalnys zu bestrafen. Von Personen, die betroffen sind, müssen in der EU vorhandene Konten und andere Vermögenswerte eingefroren werden. Zudem dürfen die Personen nicht mehr in die EU einreisen und keine Geschäfte mehr mit EU-Bürgern machen.

    Handel Deutschlands mit Russland ist um 70 Prozent zurückgegangen

    Das bislang letzte EU-Sanktionspaket gegen Russland umfasste unter anderem das Verbot, Diamanten und Diamantschmuck aus Russland in die Europäische Union einzuführen. Schon länger gibt es unter anderem ein weitreichendes Einfuhrverbot für Rohöl, Kohle, Stahl, Gold und Luxusgüter sowie Strafmaßnahmen gegen Banken und Finanzinstitute.

    Aber wie es bei Sanktionen so ist: "Je länger solche Maßnahmen ergriffen wurden, desto findiger werden die Leute mit der Zeit", sagt Julian Hinz und verweist auf die Edelschlitten. Hinz leitet am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) das Forschungszentrum Handelspolitik. Gerade wenn die Schmuggelrouten über Drittstaaten, also Länder außerhalb der Europäischen Union verlaufen, werde es extrem schwierig diese nachzuverfolgen. "Die Händler, die in einen Drittstaat verkaufen, tun damit ja noch nichts Illegales." Einen Effekt allerdings hätten die Sanktionen dann aber doch fast immer, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion: "Wenn die nachgefragten Güter selten werden, steigt der Preis ganz gehörig." Grundsätzlich bewertet er die von der EU gegen Russland verhängten Pakete als vergleichsweise sehr weitreichend. "Der Handel von Deutschland mit Russland ist seit Kriegsbeginn vor nun fast zwei Jahren um 70 Prozent zurückgegangen". 

    IfW-Experte Julian Hinz: Bereits bisherige Sanktionen sind "massiv"

    Auch wenn Selenskyj weitere Sanktionen fordert und die EU nun nachschärfen will, hält Hinz das, was bisher verhängt wurde, für "massiv". Denn: "Natürlich stoßen andere Länder wie China oder Indien in die entstehenden Lücken. Aber im Fall von Gas und Öl war Russlands ganze Infrastruktur darauf ausgelegt, dass die Rohstoffe nach Westeuropa verkauft werden. Das geht nun nicht mehr. Die Alternativen sind für Russland viel kostspieliger. Einfach so, kann man Gas oder Öl nicht einfach woanders hin verkaufen." Hinz sagt zudem: "Was die EU bisher an Sanktionen erlassen hat, ist außergewöhnlich gut mit den USA und den G7 koordiniert." 

    Der Zoll selbst ermittelt jedenfalls "in einer Reihe von Sachverhalten" aufgrund des Verdachts von Sanktionsverstößen im Zusammenhang mit dem Export von Autos nach Russland, heißt es auf Nachfrage. Genaue Fallzahlen hat die Behörde aber nicht vorliegen, die Ermittlungen führen die jeweiligen Staatsanwaltschaften vor Ort. Für Auto-Händler indes gelten besondere Sorgfaltspflichten. Rechtlich sind sie dazu verpflichtet, Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die Sanktion umgehen, zu melden. Sich wissentlich an einer solchen Umgehung zu beteiligen, ist natürlich verboten. 

    Russlands Wirtschaft ist 2023 nach eigenen Angaben gewachsen

    Allen Sanktionen zum Trotz ist die russische Volkswirtschaft im vergangenen Jahr übrigens gewachsen. Laut staatlichem Statistikamt Rosstat um 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2022 sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch um 1,2 Prozent geschrumpft. Das war das Jahr, in dem Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine begann und mit vielen Sanktionen belegt wurde.

    Das BIP-Wachstum in Russland war auch von ausländischen Experten erwartet worden. Sie führen es aber vor allem auf gestiegene staatliche Ausgaben für Rüstung und Militär zurück. Die Soldzahlungen wie auch Entschädigungen für Verletzte oder Getötete verschaffen vielen russischen Familien mehr Geld. Wegen der Knappheit an Arbeitskräften steigen die Löhne. (mit dpa)

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