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Wirtschaftskonferenz: Habeck wirbt in Singapur für eine neue deutsche Handelsstrategie

Wirtschaftskonferenz

Habeck wirbt in Singapur für eine neue deutsche Handelsstrategie

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    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärt in Singapur die neue Handelsstrategie der Bundesregierung.
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärt in Singapur die neue Handelsstrategie der Bundesregierung. Foto: Britta Pedersen, dpa

    200 Meter über der Bucht von Singapur spricht der Chef der Deutschen Bank einen Satz, der nicht zur lockeren Atmosphäre des Wirtschaftsempfangs passt. "Ich habe da draußen noch nie mehr Risiken gesehen", sagt Christian Sewing. Energiekrise, Inflation und der drohende Abschwung verhageln die Geschäfte. Doch das größte dieser Risiken, so sehen es die versammelten Manager, wäre ein Krieg in Asien.

    Wenn China Taiwan überfällt, "dann zerreißt es die Region". Noch so ein Satz, der nicht zu Cocktails und Häppchen passt. Gesagt hat ihn nicht Christian Sewing, sondern Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er ist der Stargast an diesem Abend auf der 57. Etage im berühmten Marina Bay Sands Hotel, dem ikonischen Wahrzeichen Singapurs mit seinen drei Türmen und der sie verbindenden Plattform in den Wolken. Habeck blick auf die leuchtenden Spitzen der Wolkenkratzer, tropische Luft umdampft ihn, unten im schwarzen Wasser der Bucht funkelt der Louis-Vuitton-Pavillon wie 1000 Sterne.

    Robert Habeck will eine sanfte Abkehr von China

    Der Minister von den Grünen will die deutsche Wirtschaft aus ihrer Abhängigkeit von China lösen. Zumindest ein bisschen. Die Hoffnungen liegen auf anderen Ländern in Asien – auf Vietnam, Indonesien, Malaysia. Sie sind die neuen Wachstumskönige. Während sich in Deutschland die Konjunktur der Nulllinie nähert, lauten dort die Prognosen auf sechs, sieben Prozent Zuwachs. Die Deutschen sollen dabei sein bei dieser Party.

    "Die größte Herausforderung ist, dass in den letzten 30 Jahren alle Chips auf China gesetzt wurden", sagt Habeck. Die deutschen Firmen haben prächtig daran verdient, für die Autoindustrie ist das Reich der Mitte der wichtigste Markt. Viel Geld wurde in Fabriken investiert. Das Land ist mit Abstand der bedeutendste Lieferant von Seltenen Erden, die für den Bau von Handys, Computern und Elektronik aller Art gebraucht werden. China hat binnen einer Generation seine historische Position als Weltmacht zurückgewonnen. Staatschef Xi Jinping fordert die USA offen heraus: Wer gibt künftig global den Ton an?

    Auch Japan, Südkorea und Singapur werden wieder attraktiver

    Der russische Überfall auf die Ukraine hat Deutschland schmerzlich gelehrt, wie bedrohlich die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Diktator ist. Doch anders als aus Russland, sollen die deutschen Unternehmen aus China nicht verschwinden. Sie sollen aber darüber nachdenken, neue Fabriken in anderen Ländern zu bauen, wenn sie in Asien produzieren wollen. Nicht nur bei den Wachstumskönigen, sondern auch bei langjährigen Partnern wie Japan, Südkorea und Singapur.

    "China plus X" lautet die Formel der neuen Strategie. Dafür ändert Habeck die Regeln für staatliche Investitionsgarantien und Exportbürgschaften und wirbt in Singapur auf der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft für eine sanfte Abkehr von China. Dabei spielt es für ihn keine große Rolle, ob die neuen Länder Diktaturen wie Vietnam sind oder Demokratien wie Südkorea. Die Hauptsache ist, dass sie in kein anderes Land einmarschieren wollen.

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen (Mitte) vermittelt in Singapur neue Partnerschaften für die deutsche Wirtschaft in Asien.
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen (Mitte) vermittelt in Singapur neue Partnerschaften für die deutsche Wirtschaft in Asien. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Dem 53-Jährigen müsste also gefallen, was Sabine Herold vorhat. Die Chefin des Spezialkleberherstellers Delo aus Windach bei Landsberg will in Südostasien ein Werk bauen. Sie ist Teil von Habecks Delegation, saß mit im Regierungsflieger. "Singapur ist der Favorit", erzählt Herold. Sie schaut sich aber auch Südkorea und Malaysia näher an. Mit Delo-Klebstoffen werden zum Beispiel Teile in Handys zusammengehalten. "Unsere Kunden sind ohnehin in Asien." An Singapur schätzt die Unternehmerin, dass einem der Start in Asien vergleichsweise leicht gemacht wird. Die Bewohner des Stadtstaates an der Spitze Malaysias sprechen Englisch, es gibt keine Korruption, geistiges Eigentum ist geschützt und wird nicht abgesaugt, wie in China. Asien light sozusagen. "Wir wollen in drei Jahren eine laufende Produktion haben", sagt Herold.

    Sabine Herold will mit Delo in Asien investieren

    Nicht gefallen dürfte dem Wirtschaftsminister, warum es Delo nach Asien zieht. Da ist natürlich die größere Nähe zu den Tech-Konzernen Asiens. Aber Herold hat auch von der Politik daheim die Nase voll. Sie fühlt sich als Unternehmerin nicht mehr recht gewollt. Ihr Lieblingsbeispiel ist ein Radweg, den sie seit mehreren Jahren erfolglos zu ihrem Werk in Bayern bauen will. Die Energieversorgung hält Herold zudem für unsicher. "Wenn ein Blackout kommt, fackelt uns die Produktion ab." Ein bisschen Wehmut ist dennoch dabei, dass sie nicht zu Hause investieren will. "Das ist so schade für Deutschland", sagt sie.

    So sicher Singapur für die deutsche Wirtschaft scheint, es bleibt das Risiko Taiwan. "Wir sind ein sehr kleines Land … und wenn die Elefanten dort randalieren, kann es für die Maus … sehr schmerzhaft werden", warnte einst Singapurs legendärer Staatsgründer Lee Kuan Yew. Die Elefanten sind heute die USA und China. Kommt es zum Schlimmsten und China greift Taiwan an, muss sich nicht nur Deutschland für eine Seite entscheiden, sondern auch die Länder Südostasiens. Auch für sie ist China der größte Handelspartner. Dem Krieg der Armeen würde ein Wirtschaftskrieg folgen. Seine Folgen wären gravierender, als die des derzeit mit Russland ausgetragenen.

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