Vor der Wahl war FDP-Chef Christian Lindner der Liebling der Unternehmer. Die Liberalen führten in schöner Regelmäßigkeit die Umfragen unter ihnen an. Nun ist Lindner seit acht Wochen Finanzminister und die Unternehmer nehmen ihn beim Wort. Denn eines der zentralen FDP-Wahlversprechen für die Wirtschaft scheint in der lahmenden Mühle des Berliner Politikbetriebs aufgehalten zu werden. Es handelt sich um die Super-Abschreibung.
Die geht so: Ein Unternehmer kauft zum Beispiel eine neue Maschine. Die Investition kann er in der Steuererklärung über mehrere Jahre gegen die Gewinne verrechnen und drückt so seine Steuerlast. Die Super-Abschreibung soll den Zeitraum verkürzen. Eine neue Maschine würde die Steuerlast in den Jahren nach ihrer Anschaffung stärker als bisher drücken. Garniert werden könnte das von der Ampel noch mit einer Investitionsprämie. Im Finanzministerium und bei den Wirtschaftspolitikern sind aber zuletzt Zweifel gewachsen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für das Instrument ist.
Super-Abschreibung: Familienunternehmer und DIHK mahnen Ampel
Die Familienunternehmer sind davon gar nicht begeistert und erinnern Lindner an seine Zusagen. „Eine Verzögerung der Super-Abschreibungen ist daher weder verständlich noch nachvollziehbar. Gerade Investitionen in die Bereiche Klimaschutz und Digitalisierung sind für die Ampel-Agenda essenziell“, sagte der Präsident des Verbands der Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nagelt die Ampel darauf fest. "Es ist das Wichtigste, dass es endlich losgeht", sagte DIHK-Chef Martin Wansleben.
Für Unmut bei den Unternehmern sorgt auch, dass der Staat auf die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen aus der ersten Phase der Pandemie dringt, die womöglich zu viel gezahlt wurden. Seinerzeit wurden die Zuschüsse auf Basis von Schätzungen gewährt. Den Finanzämtern könnte nun beim Nachrechnen auffallen, dass einer Firma eigentlich weniger Hilfe zustand und das überschüssige Geld zurückverlangen. Einen Wirt oder einen Betreiber eines Fitnessstudios trifft diese Rückforderung gerade zur Unzeit, weil das Geschäft noch lange nicht wieder rund läuft. Beim DIHK beklagen sich die betroffenen Unternehmer darüber. Der Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft hatte schon Ende letzten Jahres vom Fiskus verlangt, die Rückzahlungsforderungen zu stoppen.
DIHK-Geschäftsführer zeigt sich zufrieden mit Lindner und Habeck
Die beiden Kritikpunkte sorgen zwar für Unmut in der Wirtschaft, generell ist das Verhältnis zwischen neuer Regierung und den Chefs aber erwartungsfroh - sieht man vielleicht von den besonders hart von der Seuchenpolitik betroffenen Branchen wie Gastronomie und Kultur ab. Als sehr offen und interessiert für die Belange der Unternehmen beschreibt DIHK-Geschäftsführer Wansleben die beiden für sie maßgeblichen Minister Lindner und Robert Habeck.
Weniger erwartungsfroh sind die Geschäftsaussichten der Betriebe. Der DIHK senkte seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 3,6 auf 3,0 Prozent nach einer Befragung von 28.000 Firmen. Corona, die hohen Energiepreise und der Fachkräftemangel legen sich auf die Zuversicht. „Die Konjunktur hält die Luft an", charakterisierte Wansleben die Stimmung.