Die Lufthansa darf bei der staatlichen italienischen Fluggesellschaft Ita einsteigen. Nach langer Prüfung hat die EU-Kommission grünes Licht dafür gegeben. Zuvor muss das Traditionsunternehmen aber eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Die Wettbewerbshüter aus Brüssel machen unter anderem zur Voraussetzung, dass die Partner Start- und Landerechte in Mailand-Linate abgeben sowie neuen Wettbewerbern auf der Mittel- und Langstrecke Starthilfe geben. Dazu soll es auch Verhandlungen mit Konkurrenten geben.
In einem ersten Schritt übernimmt der MDax-Konzern bis zum Jahresende für eine Kapitaleinlage von 325 Millionen Euro zunächst 41 Prozent der Ita-Anteile. Im Laufe der nächsten Jahre könnte es dann auch zur kompletten Übernahme der Alitalia-Nachfolgerin kommen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr kündigte eine schnelle Integration der Ita und den Ausbau des Drehkreuzes Rom Richtung Afrika und Lateinamerika an. Er sagte laut einer Mitteilung: «Wir werden ITA Airways zu einem starken und erfolgreichen Teil unseres Unternehmens machen und damit ihre Zukunft als internationale Fluglinie und starke Marke sichern.»
EU will Auflagen eng kontrollieren
Mit den Zugeständnissen von Lufthansa und Ita gebe es Abhilfen auf sämtlichen Strecken, auf denen die Kommission Wettbewerbsnachteile befürchtet hatte, sagte eine Sprecherin im Brüssel. Im Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» berichtete Lufthansa-Chef Carsten Spohr, dass man im Sommer in Mailand 204 Start- und Landrechte (Slots) pro Woche abgeben müsse und im Winter 192.
Auf zehn Kurzstrecken muss das Bündnis zudem sicherstellen, dass Wettbewerber zum Zuge kommen. Gespräche soll es unter anderem mit Easyjet geben. Ab Rom soll laut Kommission entweder ein Konkurrent bestehende Ita-Flüge nach Nordamerika übernehmen oder es muss verbesserte Umsteigeverbindungen über Drehkreuze außerhalb des Lufthansa-Konzerns geben. Die Kommission will die Umsetzung der Pläne eng kontrollieren.
Langes Tauziehen
Die Verhandlungen und Prüfungen um den Einstieg des umsatzstärksten Luftverkehrskonzerns Europas bei der bisherigen italienischen Konkurrenz ziehen sich schon seit mehr als einem Jahr hin. Die Italia Trasporto Aereo (ITA) ging 2020 aus der staatlichen Fluglinie Alitalia hervor, die immer wieder in schwere wirtschaftliche Turbulenzen geraten war. Nach jüngsten Angaben hat das Unternehmen knapp 4900 Beschäftigte. Zum Vergleich: Der Lufthansa-Konzern zählt aktuell fast 99 000 Beschäftigte.
Das Unternehmen hat in der Vergangenheit mit Swiss, Austrian und Brussels Airways bereits drei frühere Staatsairlines integriert. Die Marken wie auch die Drehkreuze in den Heimatländern Schweiz, Österreich und Belgien blieben erhalten. Die Ita ist nicht offizielle Rechtsnachfolgerin der Alitalia, hat sich aber die Rechte an dem legendären Namen gesichert, der laut Konzernkreisen bald wiederbelebt werden könnte. Italien soll zum fünften Heimatmarkt des Konzerns werden.
Zugang zum italienischen Markt
Die Lufthansa verschafft sich mit der Übernahme Zugang zum italienischen Markt, der vor allem wegen der engen Beziehungen in die USA sehr lukrativ ist. Dass mit der Ita eine weitere Airline der von Air France dominierten Allianz «Sky Team» gebrochen wird, ist ein erwünschtes Nebenergebnis.
Ita kann allein nicht überleben
Nach Meinung vieler Experten könnte Ita allein nicht überleben. Im Heimatmarkt wurde sie von Billigfliegern wie Ryanair und Easyjet in die zweite Reihe gedrängt. Auf den gewinnbringenden Strecken über den Atlantik tut sie sich schwer, gegen die Macht der sehr viel größeren US-Anbieter anzukommen. Das ist in einem starken Verbund wie mit der Lufthansa erheblich einfacher, wie auch die EU-Kommission anerkannt hat.
Gerade an diesem Punkt hatten die EU-Wettbewerbshüter Bedenken angemeldet, weil Lufthansa über dem Nordatlantik in einem Joint Venture auch Absprachen mit United und Air Canada trifft. Auf dem lukrativsten Luftverkehrsmarkt der Welt sind aber auch sämtliche anderen US-Carrier sowie die europäischen Lufthansa-Konkurrenten IAG um British Airways und Air France-KLM aktiv.
Zudem hatten die EU-Beamten Bedenken, dass sich bei der Lufthansa auch auf Kurzstrecken zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern zu viel Marktmacht konzentrieren könnte. Konkurrenz gebe es zwar - in erster Linie durch Gesellschaften wie Ryanair. Solche Billigfluggesellschaften starteten aber oft von abgelegenen Flughäfen. Lufthansa ist auch seit Jahren mit der eigenen Regionalgesellschaft Air Dolomiti in Norditalien aktiv.
Höhere Ticketpreise befürchtet
Die EU-Kommission befürchtete vor allem Nachteile für Verbraucher. Denn wenn es nur wenig Konkurrenz auf Strecken gibt und sich viel Marktmacht bei einem Anbieter konzentriert, kann dieser theoretisch Preise über dem marktüblichen Niveau verlangen. Kundinnen und Kunden können dann nicht oder nur eingeschränkt auf günstigere Wettbewerber umsteigen. Auch deswegen gibt es in der EU strenge Wettbewerbsregeln.
Italiens Rechts-Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mutmaßte zwischenzeitlich, dass andere Konkurrenten die Übernahme in Brüssel ausbremsen wollten. Aus Rom gab es auch offene Vorwürfe in Richtung Frankreich und Air France.
Weitere Konzentration in Europa
Mit der Genehmigung aus Brüssel schreitet die Konzentration der europäischen Luftfahrt voran. Dazu erklärte Spohr: «Die Entscheidung ist auch ein klares Signal für einen starken Luftverkehr in Europa, der sich im globalen Wettbewerb erfolgreich behauptet.»
Auch die Lufthansa-Konkurrenten wollen kleinere Gesellschaften übernehmen. So hat der IAG-Konzern um British Airways und Iberia bei der EU die Übernahme der spanischen Air Europa beantragt, während Air France-KLM bei der skandinavischen SAS einsteigen will. Auch Portugal sucht für seine TAP nach einem Anschluss bei einem größeren Konzern. «Wir brauchen europäische Airlines, die groß genug sind, um mit Anbietern aus Amerika oder China auf Augenhöhe zu konkurrieren, sagte Spohr im FAZ-Interview. Das gehe in Europa nur mit Übernahmen.
Sparrunden bei Flotte und Personal bereits überstanden
Ähnlich wie bei der 2007 übernommenen Swiss handelt es sich bei der Ita um ein saniertes Unternehmen, das schmerzhafte Sparrunden bei Flotte und Personal hinter sich hat. Mit dem gemeinsamen Einkauf und besserer Planung könnte sie schnell operativ Gewinne einfliegen, meinen die Lufthansa-Experten. Und für 2027 sah der gemeinsame Businessplan von Lufthansa und römischem Finanzministerium aus dem Vorjahr bereits einen Umsatz von 4,1 Milliarden Euro vor (2022: 1,6 Mrd).
Risikofaktor italienische Regierung
325 Millionen Euro sollen als erste Rate für 41 Prozent der Anteile in das Eigenkapital der Airline mit 96 tiefblau lackierten Flugzeugen fließen. Der italienische Staat, angesichts der schnellen Regierungswechsel durchaus ein Risikofaktor, bleibt zunächst noch an Bord. Ab 2025 kann Lufthansa unter genau definierten Bedingungen die Option für weitere 49 Prozent ziehen und unter Umständen für dann mehr als 800 Millionen Euro sogar alleiniger Eigentümer der Airline werden. Für die Übernahme der restlichen 10 Prozent vom Staat muss die geschäftliche Entwicklung bewertet werden.
Als neuer Ita-Chef ist Lufthansa-Strategiechef Jörg Eberhart im Gespräch, der bereits knappe acht Jahre lang die in Norditalien aktive Regionaltochter Air Dolomiti geleitet hat. Er könnte mit einem weiteren Lufthanseaten in den fünfköpfigen Ita-Verwaltungsrat einziehen. Spohr wollte sich nicht zu dieser Personalie äußern.
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