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Wirtschaft in der Krise: Das Ende des ewigen Wachstums – und was es für unseren Wohlstand bedeutet

Auf der B12 zwischen Buchloe und Kempten sind bereits jetzt jeden Tag 19000 Fahrzeuge unterwegs, und es passieren immer wieder Unfälle. Deswegen soll die Straße vierspurig ausgebaut werden.
Wirtschaft in der Krise

Das Ende des ewigen Wachstums – und was es für unseren Wohlstand bedeutet

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    Braucht's des? Das kann man schon fragen. Irgendwo auf der B12 Richtung Süden. Der Transit rauscht hier durch. Gerade ein weißer Tesla mit smartem Schub, hinterher allerdings wackelt ein Bierlaster. Eher Diesel-Antrieb. Irgendwann, bald, sind da die Alpen. Zunächst aber Kaufbeuren. Man kommt voran auf dieser Bundesstraße. Mal flüssig, mal nicht so. Hängt davon ab, wer gerade vor einem fährt. Und wann man überholen kann.

    An der B12 debattiert man, ob es eine 28 Meter breite Trasse im Allgäu wirklich braucht

    Soll die zwei- und dreispurige B12 zwischen Buchloe und Kempten tatsächlich vierspurig werden? So ist es im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. Auf die Frage, ob es des braucht, antworten die Leute unterschiedlich. Kaufbeurens CSU-Oberbürgermeister Stefan Bosse sagt Ja. Josef Kreuzer, Vorsitzender der Kreisgruppe Ostallgäu des Bund Naturschutz sagt Nein. 

    Der Rathauschef argumentiert zuerst mit der Verkehrssicherheit auf der bekannten Unfallstrecke. Er nennt zudem das vergleichsweise geringe Gewerbesteueraufkommen seiner Stadt, den Standortfaktor Autobahnanschluss, den Druck, den die Wirtschaft macht. Bosse sieht die ökonomischen Chancen und will mehr Wachstum für seine Stadt.

    Kreuzer, auch Dritter Bürgermeister der vom B12-Ausbau direkt betroffenen Gemeinde Germaringen, hält dagegen: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Dazu kommt der gigantische Flächenverbrauch, wenn die Schnellstraße auf 28 Meter verbreitert würde, dazu 70 neue Brücken und vier Rastanlagen. Schließlich die Kosten. Er rechnet mit etwa einer halben Milliarde Euro, doppelt so viel als ursprünglich veranschlagt. Kreuzer sagt: Die Region kommt ökonomisch auch so zurecht. Weniger ist manchmal mehr.

    In der Region findet ein Umdenken statt

    Auch an anderen Stellen in unserer Region scheint ein Umdenken stattzufinden: Auf den touristischen Ausbau am Grünten wurde verzichtet, das Skigebiet am Riedberger Horn wird doch nicht weiter ausgebaut, München hat die 3. Startbahn erst einmal auf Eis gelegt. 

    Der Konflikt an der B12 ist prototypisch. Und er wird in den hoch entwickelten Industriestaaten zum Klassiker werden, je schlechter es dem Planeten geht. Wie viel Wachstum braucht ein Unternehmen, eine Stadt, eine Region, ein Land, damit es Mensch und Umwelt gut geht? Muss es immer mehr sein? Könnte sich eine Volkswirtschaft nicht auch mit etwas weniger bescheiden und sich dafür umso nachhaltiger entwickeln, wenn das Diktat der Profitmaximierung überdacht würde? Oder bröckelt das ganze kapitalistische System, erodiert der Wohlstand, verstärken sich die Verteilungskämpfe, wenn dieses "Mehr" grundsätzlich infrage gestellt würde? 

    "Die Klimakrise ist eine Systemkrise des Kapitalismus", sagt Autorin Ulrike Herrmann

    Um zu verstehen, wie Kapitalismus funktioniert und wo heute eines seiner Hauptprobleme liegt, ist es sinnvoll, in der Geschichte zurückzureisen. Nach England, in die Zeit der Industrialisierung, die mit der Textilindustrie begann. Der Anfang war gemacht, als im Jahr 1733 der Erfinder John Kay den Schnellschusswebstuhl erfand. Ein Gerät, breiter als die üblichen Webstühle, bedienbar von nur noch einem Arbeiter. Maschinen machten es möglich, in gleicher Zeit, mit weniger Arbeiterinnen und Arbeitern mehr Güter für die Bevölkerung herzustellen. "Der Kapitalismus erwies sich durchaus als segensreich", erklärt die Journalistin und Autorin Ulrike Herrmann anhand dieses Beispiels. "Der Kern seines Wesens sind Maschinen, so kommt das Wachstum zustande", sagt sie. Richtig Fahrt nahm der Kapitalismus mit der Erfindung der Dampfmaschine auf. Doch der Nebeneffekt des Verbrennens von Kohle für die Dampferzeugung und später von Öl und Gas ist, dass enorme Mengen an CO2 frei werden. "Die Klimakrise ist eine Systemkrise des Kapitalismus", sagt Herrmann deshalb, die sich in ihrem neuen Buch "Das Ende des Kapitalismus" ausführlich dem Problem widmet.

    Bisherige Antworten auf die Klimakrise sind aus Sicht von Ulrike Herrmann Ausflüchte. Die Illusion bestehe darin, dass das gegenwärtige System von fossilen Energieträgern nur auf Ökostrom umgestellt werden müsse, damit alles weiterlaufen kann wie bisher. "Das perfekte Symbol ist das E-Auto", sagt sie. "Der Traum des E-Autos ist, dass alles gleich bleiben kann. Die Straßen, die Garagen, die deutsche Autoindustrie, die nun eben E-Autos baut. Nichts müsse sich ändern, bis auf den Motor." Das, warnt sie, werde so nicht funktionieren.

    Grüne Energie als rares Gut?

    Denn grüne Energie werde ein begrenztes, rares und teures Gut bleiben. Der Ausbau der Windkraft, der Sonnenenergie, der Bau neuer Leitungen, Speicher und einer Import-Infrastruktur für Wasserstoff macht die Energiewende teuer. "Das E-Auto ist am Ende ein riesiger Energieverschwender, bei dem es zwei Tonnen Material braucht, um im Schnitt 1,3 Menschen zu bewegen. Das werden wir uns in Zukunft nicht leisten können." 

    Was wäre die Alternative? Herrmanns nüchterne Antwort lautet Rationierung, ähnlich wie in der britischen Kriegswirtschaft 1939. Manche Dinge rationiert der Staat bereits heute. Wasser zum Beispiel, in trockenen Sommern. Manche Dinge würden rationiert werden, um die Klimakrise zu bekämpfen. Fleisch, dessen Erzeugung Grundwasser und Natur belastet. Wohnraum, dessen Zunahme zur Versiegelung der Landschaft führt. Am Ende sogar Bahnreisen, da auch Züge mit Strom fahren. Eine dystopische Idee? Nicht unbedingt. "Wir werden am Ende vielleicht so reich sein wie 1978, wir bleiben wohlhabend, können uns aber nicht alles leisten", sagt Ulrike Herrmann.So ließe sich Zeit gewinnen für den Übergang zu einer klimaneutralen, ökologischen Kreislaufwirtschaft, in der nur so viel verbraucht wird, wie man recyceln und an Ökostrom erzeugen kann.

    Das Versprechen eines ewigen Aufstiegs lässt sich nicht mehr einlösen

    Andererseits: Das Wirtschaftssystem lebt von Akzeptanz. Diese wächst in der Regel, wenn alle etwas davon haben und perspektivisch ein finanzieller Aufstieg machbar erscheint. Aber geht das – ganz jenseits der Frage, was gut für den Planeten wäre – überhaupt noch? Zum einen ging es laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in den vergangenen 25 Jahren mit Löhnen, Renten und Haushaltseinkommen – bis zum Ausbruch der Pandemie – aufwärts.

    Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace will den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.
    Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace will den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Foto: Alfred Schubert

    Die Haushaltsnettoeinkommen stiegen zwischen 1995 und 2019 im Schnitt real um ein gutes Viertel. Die Ungleichheit nahm also nicht zu. Zugleich bleibt aber der Befund, dass diese in Deutschland "anhaltend hoch" ist. Den weiteren DIW-Angaben zufolge besitzen die reichsten zehn Prozent in

    Wenn das Aufstiegsversprechen also nicht mehr funktioniert, müsste dann nicht zeitnah umgedacht werden? Gerade in den Städten können sich noch die wenigsten eine Immobilie leisten, wenn sie nicht erben oder etwas geschenkt bekommen. Ein abbezahltes Eigenheim aber ist für viele der Beleg, es geschafft zu haben. Wenn das aber nicht mehr geht, wäre das nicht ein guter Anlass, sehr viel grundsätzlicher zu fragen? 

    Weniger ist mehr: Eine Frau zieht in ein Tiny House und ist glücklich

    Weniger ist mehr. Das hat Inge Sauer schon vor einer ganzen Zeit für sich so bestimmt. Sie lebt in der Gemeinde Wehringen, im Landkreis Augsburg. Und zwar in einem Tiny House. Seit knapp zwei Jahren. "Für mich war das die beste Entscheidung", sagt die Pensionärin. Als ihr Mann verstarb, war die 72-Jährige plötzlich allein für ein knapp 900 Quadratmeter großes Grundstück zuständig. Das bescherte Sauer nicht nur viel Arbeit, sondern auch hohe Kosten. Nach einiger Überlegung entschied sich Sauer für den Verkauf ihres Hauses – und ließ sich dafür ein

    Inge Sauer lebt in Wehringen in einem Tiny House.
    Inge Sauer lebt in Wehringen in einem Tiny House. Foto: Sauer

    Spätestens in der Energiekrise haben viele Immobilienbesitzerinnen und -besitzer schmerzlich zu spüren bekommen, wie teuer es ist, ein ganzes Haus zu beheizen. Neben den steigenden Preisen steht dem Traum vom Eigenheim auch der stetig schwindende Wohnraum immer mehr im Wege. Mit sogenannten Tiny Houses – "winzige Häuser" – soll der Wunsch der eigenen vier Wände auch in Zukunft realisierbar bleiben. Weniger Ressourcen verbrauchen die Mini-Häusle auch. 

    Der Begriff "Tiny House" wurde vor etwa 15 Jahren zum Eigennamen eines modernen Wohnkonzepts. Die Idee: das Eigenheim und den Besitz auf das Wesentliche reduzieren. In der Regel haben solche Häuschen eine Wohnfläche zwischen 15 und 45 Quadratmetern. Oftmals sind sie auf Rädern gebaut.

    Inge Sauer lebt in Wehringen in einem Tiny House
    Inge Sauer lebt in Wehringen in einem Tiny House Foto: Paula Binz

    Auch wenn die 72-Jährige mit ihrer neuen Wohnsituation überglücklich ist, sieht sie beim Tiny-House-Trend allerdings ein großes Problem: "Viele können den Wunsch gar nicht realisieren, weil sie kein passendes Grundstück bekommen. Es fehlt bislang die Infrastruktur für dieses Konzept." Immerhin braucht das kleine Häuschen ebenfalls einen Anschluss an einen Abwasserkanal und eine Heizungsanlage. Sauer kann sich für die Zukunft der Tiny Houses nur eine Möglichkeit vorstellen: eine Siedlung aus kleinen Häuschen mit einer zentralen Wärme- und Wasserversorgung.

    Nun hat Sauer eine Entscheidung aus einer Position der Stärke getroffen. Sich freiwillig von etwas trennen, ist etwas anderes, als mehr zu wollen, aber trotz aller Mühen das Ziel nicht zu erreichen. Aber was passierte eigentlich, wenn tatsächlich alle mit weniger zufrieden wären. Wenn es keine Wachstumsziele, keine Wachstumszwänge mehr gäbe? Ist die Marktwirtschaft wirklich auf Wachstum angewiesen?

    Ist die Marktwirtschaft wirklich auf Wachstum angewiesen?

    Professor Alfred Maußer lehrt Empirische Makroökonomik an der Universität Augsburg. Er kennt sich gut aus im Mainstream der volkswirtschaftlichen Lehre. Wachstum ist hier definiert als eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf, das die je Einwohner verfügbare Menge an Gütern und Dienstleistungen angibt. Bleibt diese Größe über die Zeit gleich, sprechen Ökonomen von einer stationären Wirtschaft. Diese sei durchaus vereinbar mit dem marktwirtschaftlichen System, seinem Recht auf Eigentum, dem freien Wettbewerb und der freien Preisbildung. "Viele unserer Modelle beschreiben stationäre Wirtschaften", erklärt Maußner. "Wachstum ist für den Erhalt des Systems nicht erforderlich, es könnte ad infinitum existieren, vorausgesetzt, dass für die Produktion von Gütern die notwendigen Rohstoffe vorhanden sind."

    In der Realität existiert das wirtschaftliche System aber nicht im leeren Raum, sondern sei eng mit dem politischen System verwoben, erklärt er. Dort müssen zahlreiche gesellschaftliche Probleme behandelt werden: Die Bevölkerung altert. Um den Klimawandel aufzuhalten, ist mehr regenerative Energie nötig … In der Realität seien Wirtschaften nicht stationär, sondern ständigen Anpassungsprozessen ausgesetzt. Der Übergangspfad aber sei mit Umverteilung verbunden, er erzeugt Gewinner und Verlierer, zwischen denen der Staat mit Umverteilung moderiert.

    Steigende Preise könnten zu alternativen Lösungen führen

    "Beispielsweise könnten wir das Rentenniveau senken, die Beitragssätze erhöhen oder Zuschüsse aus dem Staatshaushalt geben. Das aber lässt sich leichter bewerkstelligen, wenn die Wirtschaft auf dem Pfad von A nach B nicht auch noch schrumpft und Verteilungskonflikte verschärft", sagt Maußner. Wachstum, ein größerer Kuchen hilft also, den gesellschaftlichen Frieden zu wahren.

    Im Übergang von A nach B auf eine Rationierung zu setzen, erscheint nicht als ideale Lösung. "Statt vom Ende des Kapitalismus zu reden, sollten wir uns fragen, ob die Rahmenbedingungen passen", sagt Maußer. Die Emission von CO2, die Belastung der Umwelt mit Giftstoffen, all dies ist bisher mit geringen oder keinen Preisen versehen. Steigen die Preise, würden Unternehmen Lösungen entwickeln, ist er sich sicher. Beispielsweise zeige eine US-Studie aus dem Jahr 2002, dass mit steigenden Energiepreisen der Anteil an Patenten gestiegen ist, die für Technologien vergeben wurden, die entweder energiesparend sind oder auf regenerative Energie setzen. "Die Findigkeit des Marktes liegt in den Köpfen vieler Menschen, wir sollten sie nicht unterschätzen", sagt Maußner. 

    In Augsburg zeigt ein Repair-Café, dass es Alternativen zur Wegwerfgesellschaft gibt

    Indes gewinnt die Idee einer nachhaltigeren Ökonomie mehr Anhänger. In einem Raum im Glaspalast in Augsburg, einem Gebäude aus der Blütezeit der Textilindustrie, hinter hellen, hohen Scheiben, findet an einem Wochenende Anfang März ein besonderes Treffen statt. Es gibt Mohnkuchen, Kaffee, Gespräche füllen den Raum, schnell fällt aber auf, dass sich die Besucherinnen und Besucher an den Tischen über allerlei elektronische Geräte beugen. Ein Entsafter ist heute dabei, ein Mixer, zwei schöne Nachttischlampen aus den 60er Jahren, mehrere Kaffeevollautomaten. Einzelteile liegen auf den Tischen, Leiterplatten, Elektromotoren, dazu Schraubenzieher, Lötkolben und anderes Werkzeug mehr.

    Jeden ersten Samstag im Monat lädt der Verein "Das Habitat" seit rund fünf Jahren zu einem Repair-Café ein. Es geht darum, Dinge des Alltags zu reparieren, wenn sie defekt sind, statt sie, wie es häufig passiert, einfach wegzuwerfen. Die Idee stammt ursprünglich aus Holland, ist inzwischen aber in zahlreichen Städten umgesetzt worden. Rund zehn Ehrenamtliche helfen in Augsburg bei der Reparatur, kostenfrei, rund 30 bis 40 Objekte können pro Nachmittag repariert werden. Kleine Möbel waren schon dabei, ein Gepäckträger, Kleidung mit einem Riss, Musikinstrumente, eine Marionette mit einem fehlenden Bein. Meistens gelingt es, die Objekte wieder flottzumachen.

    Im Repair Café in Augsburg bringt der Verein "Das Habitat" Kaputtes wieder auf Vordermann, im Bild (v.l.) Werner Darmstadt, Andreas Häußler und Vorständin Jennifer Leis.
    Im Repair Café in Augsburg bringt der Verein "Das Habitat" Kaputtes wieder auf Vordermann, im Bild (v.l.) Werner Darmstadt, Andreas Häußler und Vorständin Jennifer Leis. Foto: Michael Kerler

    "Es ist ein Erfolgserlebnis, wenn man der Mülltonne, der Wegwerfgesellschaft, ein Schnippchen schlagen kann und damit auch noch der Besitzerin oder dem Besitzer eine Freude macht", sagt Andreas Häußler, 52, Elektroingenieur, der das Projekt vorantreibt. "Das Reparatur-Café verbindet Menschen, die sich nicht kennen würden, Junge und Alte", freut sich auch Jennifer Leis, 29, Vorständin des Vereins, gelernte Schreinerin und Produktdesignerin. 

    Die Vereinsmitglieder wissen, dass die Anzahl ihrer Reparaturen verschwindend gering ist im Vergleich zu der Menge, die jeden Tag im Internet bestellt wird oder in den Elektromärkten über die Kassen geht. Und trotzdem hat die Repair-Bewegung Erfolge vorzuweisen, berichtet Jennifer Leis. Ist Elektronik nicht mehr verschraubt, sondern billig geklebt oder verschweißt, ist eine Reparatur meist kaum möglich.

    Die EU möchte reparaturfähige Technik

    Die EU hat reagiert und erlässt inzwischen stärkere Auflagen, dass elektronische Geräte reparaturfähig sind. Frankreich hat sogar einen Reparaturindex eingeführt. Die Idee zieht zudem Kreise, auch bei Fahrrädern gibt es Initiativen, die ausrangierte Räder reparieren. 

    Hinter den Initiativen steckt viel Lust am Tüfteln, viel Freude, Menschen zu treffen, viel Wertschätzung. Es steckt aber auch das Bewusstsein dahinter, dass Ressourcen endlich sind. "Vielleicht gelingt es uns, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, mehr auf Dienstleistungen zu setzen, statt nur mehr Kohle, Kupfer oder Kobalt für immer neue Geräte zu verbrauchen", sagt Andreas Häußler. "Das wäre der Mindeststandard."

    Aus Sicht des Gewerkschafters müssen sich Unternehmen aus der Falle der Profitmaximierung lösen

    Reparieren ist gut und schön. Aber Unternehmen und ihre Geschäftsführer stehen unter ganz anderem Druck. An sie werden ganz andere Erwartungen gerichtet. Wenn der Laden nicht mehr läuft, wenn die Rendite nicht mehr stimmt, ist nicht nur ihr Job gefährdet. Wachstum ist gesetzt, ein Muss. 

    Johann Horn, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, sagt es so: "Gewinnmaximierung ist unverändert das Prinzip, an dem alle Unternehmen, mit denen wir als IG Metall zu tun haben, ihr Handeln ausrichten." In unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem seien die Unternehmen, insbesondere die großen strukturbestimmenden Konzerne komplett darauf ausgerichtet. Horn fügt hinzu: "Übrigens bei Strafe ihres eigenen Untergangs, wenn sie das nicht tun. Daran hat sich seit dem 18. Jahrhundert nichts geändert."

    Bayerns IG-Metallchef Johann Horn: "Gewinnmaximierung ist unverändert das Prinzip, an dem alle Unternehmen, mit denen wir als IG Metall zu tun haben, ihr Handeln ausrichten."
    Bayerns IG-Metallchef Johann Horn: "Gewinnmaximierung ist unverändert das Prinzip, an dem alle Unternehmen, mit denen wir als IG Metall zu tun haben, ihr Handeln ausrichten." Foto: Ulrich Wagner

    Meist sei auch die Höhe der Gehälter von Vorständen und Geschäftsführern direkt an die Erreichung von ambitionierten Ertragszielen gekoppelt. Die Folge: "Auch wenn wir sehen, dass sich bei den Vergütungsgrundsätzen etwa der Dax-Unternehmen überall Nachhaltigkeits- und Ökologiethemen, Mitarbeiterattraktivität, gesellschaftliches Engagement und Ähnliches wiederfinden, bleibt der absolute Fokus beim Gewinn." Horn blickt auf eine lange, erfolgreiche Karriere als Gewerkschafter zurück – mit tiefen Einblicken in die bayerischen Unternehmen. Perspektivisch bilanziert Bayerns scheidender IG-Metall-Chef: "Diese kapitalistische Logik der Gewinnmaximierung hat einen sehr großen Anteil an dem Zustand unserer Gesellschaft und unserer Erde, so wie wir sie heute haben. Wir sehen eine große Schere zwischen Armut und Wohlstand in Deutschland und noch viel stärker weltweit. Wir befinden uns in einem Klimawandel, der das Leben kommender Generationen massiv verändern und prägen wird."

    In diesem tiefgreifenden Veränderungsprozess solle und müsse sich vieles ändern. Die Produkte, Produktionsprozesse, die Mobilität, Bildung, Wohnen – es werde wohl kein Stein auf dem anderen bleiben. Horn bleibt verhalten optimistisch: "Da stecken große Risiken, aber auch große Chancen drin." Und er warnt: "Wenn einzig die Grundprinzipien des kapitalistischen Wirtschaftssystems unangetastet bleiben, dann ist das das größte Risiko."

    Und an der B12? Hat der Entscheidungsprozess gerade erst begonnen

    Der Bund Naturschutz in Bayern hat gegen den Planfeststellungsbeschluss zum B12-Ausbau geklagt. Die Umweltschützer sind überzeugt, dass dieser gegen das Klimaschutzgesetz verstoße und mit der Alpenkonvention nicht vereinbar sei – auch weil eine Alternative, etwa die parallel laufende Bahnstrecke, bei der Planung nicht hinreichend in Betracht gezogen worden sei. Die Regierung von Schwaben äußert sich zum laufenden Verfahren nicht. 

    Die Frage, was es braucht und was nicht, wird in Zukunft noch öfter diskutiert werden. 

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