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Wirtschaft: Ein Paradies für Start-ups: Wo England uns voraus ist

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Ein Paradies für Start-ups: Wo England uns voraus ist

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    Hier gibt es Kapital, gute Rahmenbedingungen und internationale Offenheit: London ist für Start-ups ein guter Ort.
    Hier gibt es Kapital, gute Rahmenbedingungen und internationale Offenheit: London ist für Start-ups ein guter Ort. Foto: Jonathan Brady, dpa

    Ein Gesundheitssystem in der Krise, Streiks im öffentlichen Dienst und eine Regierung, die seit dem Brexit tief gespalten ist. Großbritannien sorgt seit dem Austritt aus der Europäischen Union vorwiegend für negative Schlagzeilen. Doch auch Deutschland hat Probleme. Die Wirtschaft steckt in einer Rezession, die Prognosen für das Jahr sind gedämpft. Angesichts dieser trüben Aussichten lohnt es sich, einen Blick über den Ärmelkanal zu werfen und darauf, was Briten gut machen. 

    Im März dieses Jahres alarmierte eine Studie der „City of London“ den Finanzplatz. Demnach habe die Metropole ihren Titel als alleiniges weltweit größtes Finanzzentrum verloren. Die Stadt, so war dort zu lesen, liege nun punktgleich mit New York auf dem ersten Platz. „Es ist kein Geheimnis, dass die derzeitige Situation weitaus schlechter ist, wenn es um den Zugang von Unternehmen zu den EU-Märkten geht“, betont Angus Canvin von „UK Finance“, einem Dachverband für die Banken- und Finanzindustrie, gegenüber unserer Redaktion. Gleichzeitig seien jedoch auch viele Standortvorteile geblieben. 

    London ist ein Tor zur Welt

    Dem Beratungsunternehmens „EY“ zufolge wanderten seit dem Brexit zwar Finanzarbeitsplätze von London in die EU ab, das Vereinigte Königreich sei jedoch weiterhin der attraktivste Standort für Investitionen in Finanzdienstleistungen Europas und damit laut Canvin eine „Drehscheibe des Kapitals“. Auch Tech-Start-ups siedeln sich nach wie vor in London an, wenngleich andere europäische Städte aufholen. 

    Verantwortlich für den anhaltenden Erfolg sei laut Canvin neben den rechtlichen Rahmenbedingungen insbesondere der große Pool an Talenten. London sei auch nach dem Brexit ein „ein Tor zur Welt“, so Miriam Ducke, Europa-Direktorin von „London & Partners“, einer Agentur zur Wirtschaftsförderung. In der Stadt lebten Menschen mit verschiedensten Hintergründen, von denen sehr viele gut ausgebildet seien. 

    „London ist eine sehr offene Stadt und das macht sie stark. Stark an Daten, aber auch stark an Perspektiven“, erklärt Ducke. Hinzu kommt Canvin zufolge die „unternehmerische Kultur", die dazu ermutigt, Dinge auszuprobieren, ohne dabei allzu große Angst vor dem Scheitern zu haben. Dahinter stehe der Gedanke, dass Misserfolge notwendig sind, damit sich Unternehmen weiterentwickeln und erfolgreich werden können. 

    Großbritannien bietet mehr Wagniskapital

    Lubomila Jordanova, Chefin und Gründerin des Berliner Greentech-Unternehmens „Plan A“, welches Softwarelösungen zur Dekarbonisierung von Unternehmen anbietet und im vergangenen September nach London expandierte, beschreibt den britischen Markt als „sehr dynamisch“. Großbritannien biete Zugang zu Wagniskapital, renommierten Universitäten und Forschungseinrichtungen, eine fortschrittliche digitale Infrastruktur und ein florierendes Start-up-Ökosystem.

    Lubomila Jordanova, Chefin und Gründerin des Greentech-Unternehmens „Plan A“, startet in London durch.
    Lubomila Jordanova, Chefin und Gründerin des Greentech-Unternehmens „Plan A“, startet in London durch. Foto: Nadine Stenzel

    Der Markteintritt in Großbritannien erfordere jedoch auch, „sich mit komplexen und mitunter zeit- und ressourcenaufwendigen Vorschriften und Compliance-Anforderungen auseinanderzusetzen“. Mithilfe der Investoren und Partner könne das Unternehmen aber auf die nötige lokale Expertise zugreifen. 

    Trotz mancher Hürden schaffe der Staat Rahmenbedingungen für Innovationen, wie Canvin betont. Ducke verweist in diesem Zusammenhang auf das sogenannte „Sandbox-Prinzip“ der „Financial Conduct Authority“ (FCA). „Darunter versteht man, dass Unternehmen in einem sicheren Umfeld – frühzeitig – neue Produkte testen können. Das heißt, sie können ihre Ideen testen und prüfen, ob das Geschäftsmodell funktioniert.“ 

    In England gibt es die elektronische Patientenakte längst

    Laut dem „Digital Government Citizen Survey“ der Unternehmensberatung BCG sind überdies immerhin 77 Prozent der Briten mit den Onlineangeboten der Behörden zufrieden. In Deutschland sind es nur 64 Prozent. Eine weitere Trumpfkarte ist die von NHS England auf nationaler Ebene initiierte elektronische Patientenakte. „Dadurch ergibt sich eine deutlich bessere Datenbasis“, welche auch zu Forschungszwecken genutzt werden kann, wie Ulrich Hoppe von der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer erklärt. 

    Von Daten profitieren soll auch das Unternehmen Biontech mit Hauptsitz in Mainz. Unter der Nutzung einer Datenbank des NHS werde geeigneten Patienten in Großbritannien im Rahmen einer Studie ein in Deutschland hergestellter personalisierter Krebsimpfstoff angeboten. 

    
Das Vereinigte Königreich ist der attraktivste Standort für Investitionen in Finanzdienstleistungen, sagt Angus Canvin von UK Finance.
    Das Vereinigte Königreich ist der attraktivste Standort für Investitionen in Finanzdienstleistungen, sagt Angus Canvin von UK Finance. Foto: Angus Canvin

    Das Unternehmen plane in ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Cambridge zu investieren. Laut Biontech soll das Zentrum Kapazitäten für über 70 Wissenschaftler umfassen. „Wir verfolgen hier eine klassische strategische Expansion und wollen zusätzliche Forschungskapazitäten schaffen – es ist also keineswegs eine Verlegung unserer Aktivitäten von einem Land in ein anderes, sondern ein Aufbau zusätzlicher Kapazitäten“, betont eine Sprecherin des Unternehmens gegenüber unserer Redaktion. 

    Auch im Bus zahlt man inzwischen bargeldlos

    Wo Deutsche Stetigkeit und Kontinuität schätzen, seien Unternehmen und Konsumenten auf der Insel „technischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen“, so Ducke. Diese geringere Skepsis lässt sich in London etwa an dem Umgang mit Bargeld ablesen. Während die Deutschen weiterhin gerne Euros in der Tasche haben, zahlen die meisten Briten im Supermarkt oder auch im Bus längst per App oder kontaktlos mit der Karte

    London gilt auch deshalb als einer der wichtigsten Plätze für die Entwicklung neuer Fintech-Produkte. Sie könnten „frühzeitig getestet und an die Endkonsumenten herangetreten werden“. Dabei sei es jedoch nicht so, als würden beim Nutzen der Daten keine Regeln gelten. „Verbraucherschutz wird auch in Großbritannien großgeschrieben.“ 

    Überdies ist die Insel eine der beliebtesten Standorte für Klima-Tech-Innovation in Europa. „Das Engagement der britischen Regierung in Sachen Nachhaltigkeit sowie bei der Förderung grüner Innovationen und sauberer Energien sind gerade für uns als Greentech von entscheidender Bedeutung“, so Jordanova von „Plan A“, einem Unternehmen, das auf der Insel wachsen will, auch nach dem Brexit. 

    Sommerserie:

    Mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland gehe es bergab, behaupten Unionspolitiker und Wirtschaftsverbände. Unabhängig davon, ob das stimmt oder nicht, haben wir uns gefragt: Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen? Thema in Teil 1: Griechenland, in Teil 2: Die USA, in Teil 3: Japan, in Teil 4: Polen und in Teil 5: Israel.

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