Die schlechten Nachrichten häufen sich. In der Tabelle der wettbewerbsfähigsten Länder ist Deutschland in einem Jahr von Platz 15 auf Platz 22 abgestürzt – und während die Weltwirtschaft dieses Jahr vermutlich um solide drei Prozent wächst, sagt der Internationale Währungsfonds der deutschen ein Minus von 0,3 Prozent voraus. Das Land, so scheint es, versinkt immer tiefer im Konjunktursumpf. Was aber tun? Fünf Wege zurück auf sicheres Terrain:
1. Mehr arbeiten
Bis zur Rente in Vollzeit, 40 Stunden die Woche, kein Urlaub länger als zwei Wochen: So sahen Erwerbsbiografien in Deutschland jahrzehntelang aus. Das hat sich fundamental geändert. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten steigt, die ersten Gewerkschaften fordern eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich, und vielen Berufsanfängern ist eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit wichtiger als ihre Karriere – während gleichzeitig zwei Millionen Menschen vorzeitig in Rente gegangen sind, weil sie 45 Versicherungsjahre voll haben. Man muss nicht so weit gehen wie der Soziologe Heinz Bude, der schon eine Debatte über eine Erwerbspflicht heraufziehen sieht. Würden jedoch mehr Teilzeitbeschäftigte in Vollzeit wechseln und mehr Versicherte bis zum eigentlichen Rentenalter arbeiten, könnte das auch die Konjunktur stützen. Der Wirtschaftsweise Martin Werding schätzt im Handelsblatt, dass allein das Abschaffen der Rente mit 63 einen halben Prozentpunkt an Wachstum schaffen würde. Nicht zu vergessen die Warnung des früheren Sozialministers Walter Riester: „Eine Teilzeitstelle bringt auch nur eine Teilzeitrente.“ Das verdrängen viele Beschäftigte, wenn sie auf ihre Work-Life-Balance achten. Dabei hat Deutschland schon jetzt mit 1350 Stunden die kürzeste Jahresarbeitszeit der Welt.
2. Steuern senken
38 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung fließen durch Steuern und Abgaben zurück an den Staat und seine Sozialversicherungen – vier Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt der großen Industrieländer. Damit die Unternehmen wieder mehr investieren, müssten die Steuern sinken, findet die Eichstädter Wirtschaftsprofessorin Dominika Langenmayr. Sie schlägt eine Reduzierung der Körperschaftssteuer um fünf Prozentpunkte vor, was Deutschland auch für ausländische Investoren attraktiver machen würde. Geschätzte Kosten: 15 Milliarden Euro, die auf lange Sicht über höhere Unternehmensgewinne und höhere Löhne zumindest teilweise zurückkämen. Andere Länder haben ihre Steuern längst gesenkt oder ziehen wie die USA mit milliardenschweren Subventionen Kapital und Arbeitsplätze an. In Deutschland dagegen heben Kommunen, wenn es finanziell eng wird, zuerst die Gewerbesteuer an. Finanzminister Christian Lindner will die Wirtschaft zwar mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten und ähnlichen Maßnahmen um 6,5 Milliarden Euro entlasten. Doch selbst dann, warnt Peter Adrian, der Präsident der Industrie- und Handelskammern, „reichen die Maßnahmen nicht aus, um die aktuellen und strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft hinreichend zu lösen“. Ökonomin Langenmayr kann sich auch vorstellen, die Stromsteuer zu senken. Die Steuervorteile für Diesel würde sie zur Gegenfinanzierung ihrer Vorschläge abschaffen.
3. Abwanderung bremsen
Hohe Arbeits- und Energiekosten und der Mangel an Fachkräften vertreiben immer mehr Unternehmen: Nach einer Umfrage des Bundesverbandes der Industrie verlagert jeder sechste Mittelständler Arbeitsplätze und Teile seiner Produktion ins Ausland. „Wärmepumpen entfachen kein Wirtschaftswunder“, warnt der frühere Wirtschaftsweise Volker Wieland. Und es helfe auch nichts, mit Milliardensummen Konzernen wie dem Chiphersteller Intel die Kosten für eine Fabrik in Deutschland zu erstatten. Um die Abwanderung zu stoppen und ausländische Unternehmen anzulocken, empfehlen Ökonomen vielmehr schnellere und digitalisierte Genehmigungsverfahren, einen drastischen Bürokratieabbau sowie eine defensivere Energiepolitik. Außerdem verlassen immer mehr Deutsche das Land, weil sie sich woanders bessere Perspektiven oder ein besseres Leben versprechen. Im vergangenen Jahr waren das unterm Strich mehr als 83.000 Menschen – im Schnitt 35 Jahre jung und überdurchschnittlich gut ausgebildet. Ein Land, in dem ein Akademiker schon bei einem Jahresbrutto von 63.000 Euro den Spitzensteuersatz bezahlt, wirkt eher abschreckend als anziehend.
4. Fachkräfte anwerben
Pflegerinnen, Informatiker, Ärzte, Bauarbeiter: Um die Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen, müssten nach verschiedenen Studien jedes Jahr 400.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland kommen, doch auch hier hat Deutschland starke Konkurrenz aus anderen Ländern. Englisch lernt sich leichter als Deutsch, die Vergabe von Visa ist langwierig und kompliziert – und das neue Gesetz, das die Einwanderung von Fachkräften erleichtern soll, in den Augen der Wirtschaft viel zu bürokratisch. Nach ersten Schätzungen kämen damit auch nur 130.000 Fachkräfte pro Jahr ins Land – also viel zu wenige. Andere Länder, etwa Kanada und die Schweiz, organisieren die Einwanderung in ihre Arbeitsmärkte besser und stark am Bedarf ausgerichtet. Warum nicht sie zum Vorbild nehmen?
5. Bildung stärken
Ein Land, in dem jeder vierte Viertklässler nicht richtig lesen kann, hat ein Problem, das weit über seine Schulen hinausreicht, weil Defizite bei der Ausbildung Wachstum und Wohlstand kosten. In internationalen Bildungsvergleichen fällt Deutschland, das Land der Dichter und Denker, immer weiter zurück. Die Zahl der Hochqualifizierten liegt bereits unter dem EU-Durchschnitt, in den Grundschulen manifestieren sich die Probleme, und auf den Listen der besten Universitäten der Welt kommt die TU München als beste deutsche erst auf Rang 30. Eine Bildungs- und Forschungsoffensive ist überfällig: mehr frühkindliche Förderung, mehr Leistung einfordern, anstatt ständig die Standards zu senken, eine gezieltere Förderung überdurchschnittlich guter Schüler, mehr Lehrer, eine bessere Bezahlung des akademischen Personals an den Universitäten, mehr unbefristete Stellen in der Forschung und ein noch engerer Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Der Bildungsföderalismus, in dem die Länder mehr zu sagen haben als der Bund, macht das nicht unbedingt leichter.