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Wirecard-Prozess könnte sich bis in das Jahr 2025 hinziehen.

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Wirecard-Prozess könnte noch lange dauern

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    Der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun betritt den Gerichtssaal in München.
    Der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun betritt den Gerichtssaal in München. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Was die Länge betrifft, hat der Abgas-Prozess um den Ingolstädter Autobauer Audi Maßstäbe für Wirtschafts-Verfahren in München gesetzt. Nach 172 Verhandlungstagen wurde der frühere Firmen-Chef Rupert Stadler Ende Juni 2023 wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Auch die Mitangeklagten, der einstige Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und der Ingenieur Giovanni P., mussten Bewährungsstrafen hinnehmen. Jetzt könnte der Wirecard-Prozess, in dem wie einst bei Audi drei Männer in München vor Gericht stehen, die juristische Aufarbeitung der Schummeleien des Autobauers toppen. Nach dem 140. Verhandlungstag am Donnerstag müssen sich die drei Angeklagten bis 18. Dezember 2024 zunächst an 37 weiteren Tagen in dem unter dem Gefängnis Stadelheim gelegenen Gerichtssaal verantworten. 

    Der Wirecard-Prozess hat kein Enddatum

    Der frühere Konzern-Chef Markus Braun, sein ehemaliger Chefbuchhalter Stephan von Erffa und der einstige Dubai-Statthalter des Online-Zahlungsdienstleisters, Oliver Bellenhaus, brauchen also reichlich Sitzfleisch. Somit würde die gerichtliche Aufarbeitung des Wirecard-Skandals den Audi-Prozess mit seinen 172 Tagen um fünf Sitzungen übertreffen. Dabei hat das Verfahren nach Informationen unserer Redaktion „bislang kein Enddatum“. Gerichts-Sprecher Laurent Lafleur sagte auf Anfrage: „Zeugen sind schon bis Februar 2025 geladen.“ Da das einstige Wirecard-Trio bereits seit Dezember 2022 regelmäßig vor Gericht muss, droht der Prozess für die Manager länger als zwei Jahre zu dauern. Ein Mammut-Verfahren folgt auf das andere in München. Nicht nur das Ende des Prozesses ist ungewiss, es bleibt auch unklar, wie lange der Hauptangeklagte Braun nach bereits rund vier Jahren Untersuchungshaft-Haft noch mit diesem Schicksal leben muss. Lafleur teilte dazu lediglich mit, das zuständige Gericht, eben die 4. Große Strafkammer, prüfe durchgängig von Amts wegen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft weiterhin vorlägen. Die Untersuchungshaft dürfe insbesondere nicht unverhältnismäßig sein. 

    Viele Fragen offen im Wirecard-Prozess

    Es sind viele Fragen in dem Verfahren um gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Untreue offen. Den Kern des Wirecard-Skandals bildet die Frage, ob die einstige Konzernspitze Milliarden-Umsätze frei erfunden hat, um das Unternehmen gegenüber Aktionärinnen und Aktionären wirtschaftlich deutlich potenter darzustellen, als es eigentlich war. Hier ist vor allem zu klären, inwiefern es – wie behauptet – Umsätze in Milliardenhöhe mit Drittpartnern im Asien-Geschäft überhaupt gegeben hat. Am Ende musste selbst Wirecard einräumen, dass sich rund 1,9 Milliarden Euro auf asiatischen Konten in Luft aufgelöst hatten. Hier werden Richter Markus Födisch unterschiedliche Geschichten aufgetischt: Der Kronzeuge der Anklage, Bellenhaus, saß früher in Dubai an der Schaltzentrale für das dubiose Asien-Geschäft und sprach vor Gericht von einer „Bastelbude“, die er einst für Wirecard betrieben habe. So sei die finanzielle Lage gegenüber Anteilseignern und Kreditgebern drastisch geschönt worden. Aus kleinen Lügen seien große geworden und er habe in „blinder Loyalität“ gegenüber Braun und dessen einstiger rechter Hand, dem abgetauchten Ex-Vorstand Jan Marsalek, gehandelt.

    Richter Födisch fragt ruhig nach

    Födisch fragte am Donnerstag betont ruhig und sachlich nach, bat um Erklärungen und wollte wissen, warum von Erffa nicht nachgehakt habe, wenn es bei dem Unternehmen zu Unregelmäßigkeiten kam, also Belege nicht existierten und es einmal sogar unklar war, weshalb 35 Millionen Euro zunächst gefehlt haben, die dann später in einer neuen Bestätigung auf wundersame Weise doch vorhanden waren. Der Richter, sonst schwer zu beeindrucken, stellte erstaunt fest: „Die Frage ist, warum Sie hier nichts erkennen. Sie hätten die Konten anschauen müssen.“ Er zeigte sich verwundert, dass von Erffa keinen Verdacht bei einem so hohen und für Wirecard enorm wichtigen Betrag geschöpft habe. Es sei schließlich um 35 Millionen Euro gegangen, nicht nur um eine falsche Kreditkartenabrechnung, stellte der Jurist spitz fest.

    Am Ende fällt der bemerkenswerteste Satz des 140. Prozess-Tages. Von Erffa nahm Anleihen aus der politischen Welt: „Das ist heute wie beim Attentat auf Trump. Man kann es sich nicht erklären. Es ist so.“ Der Wirecard-Skandal wäre damit eine schicksalshafte Angelegenheit. Das sieht die Staatsanwaltschaft anders. Und auch Födisch ist weiter Fakten und nicht dem Schicksal auf der Spur.

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