Der Wirtschaftsstandort Bayern schneidet im internationalen Vergleich sehr gut ab. Hinter der Schweiz als Spitzenreiter auf Platz 1 kommt bereits der Freistaat auf Platz 2. Bayern hat damit binnen eines Jahres die USA überholt, die auf Platz 3 landen. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, in der 46 Industriestandorte weltweit verglichen wurden.
"Bayern befindet sich in einer guten Ausgangsposition im Standortwettbewerb", sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Allerdings seien in der Corona-Krise und durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Schwächen deutlich geworden.
Bayern punktet bei Wissen, Infrastruktur, Ressourcen, Markt und Staat
Um die Standortqualität zu bestimmen, hat sich das zum Institut der deutschen Wirtschaft in Köln gehörende Beratungsunternehmen IW Consult Standorte mehrere Bereiche angesehen. In der Infrastruktur punkten kann ein Land zum Beispiel, wenn das Breitbandnetz und die Straßen gut ausgebaut sind. Auch die Qualität des Bildungssystems, der Fachkräftenachwuchs, der Zugang zu Energie, Rohstoffen und Kapital und viele andere Punkte mehr spielten eine Rolle. Bayern liegt häufig weit vorne. Geht es um den Markt, auf dem Firmen agieren, belegt Bayern sogar den ersten Platz. "Ein starker Wertschöpfungsverbund, komplexe Produkte und ausgeprägte Unternehmenscluster sowie die große Offenheit sind Teil der Erklärung", heißt es in der Studie, die unserer Redaktion vorab vorlag.
Bayern kann damit zahlreiche Industriestaaten hinter sich lassen, darunter Dänemark auf Platz 4, die Niederlande (Platz 5), Australien (6), Schweden (7) und Deutschland insgesamt (8). In einer anderen Untersuchung hat Bayern bereits im Vergleich unter den deutschen Bundesländern den Spitzenplatz belegt.
Schwäche des Freistaats sind die hohen Kosten
Doch aus wirtschaftlicher Sicht gibt es auch Schwachstellen. Vor allem die Kosten sind hierzulande hoch. Bayern landet hier mit Platz 42 ziemlich am Ende. "Hohe Energiekosten sowie eine hohe Steuerlast sind eine enorme Belastung für die Unternehmen", sagt Brossardt. "Hinzu kommen hohe Arbeitskosten, die ein deutlicher Standortnachteil im internationalen Vergleich sind", kritisiert er. "Gerade vor diesem Hintergrund muss beim Thema Lohnforderungen aktuell Maß und Mitte die Devise sein", appelliert der Wirtschaftsvertreter. Gewerkschafter werden dies angesichts der hohen Inflation derzeit sicher anders sehen.
Hohe Kosten beispielsweise für Energie werden in Bayern zum besonderen Problem, da das Bundesland zu einem großen Teil industriell geprägt ist. Die Industrie trage rund ein Viertel zur Wertschöpfung im Freistaat bei, von den Folgen der Corona-Pandemie war sie viel stärker betroffen als andere Teile der Wirtschaft. Häfen waren geschlossen, der Industrie fehlte der Nachschub.
Bertram Brossardt, vbw: "Standortpolitik wieder in den Fokus rücken"
Gleichzeitig gewinnen Standort-Konkurrenten an Bedeutung: "Die Bedeutungszunahme der außereuropäischen Schwellenländer sehen wir vor allem am Beispiel Chinas", sagt Brossardt. Der Anteil Chinas an der industriellen Wertschöpfung sei von 10,3 Prozent im Jahr 2005 auf 31,6 Prozent im Jahr 2020 gewachsen. "Deshalb ist es wichtiger denn je, die Standortpolitik wieder in den Fokus zu rücken", fordert der Wirtschaftsvertreter. Dabei gehe es um hochwertige Infrastruktur, Entbürokratisierung und Deregulierung, um Freiheit und Flexibilität. "Und vor allem um die Kosten – den Bereich, in dem Bayern den fünftletzten Platz belegt", sagt Brossardt. "Es wäre fatal, sich auf dem guten Ergebnis des Niveau-Rankings auszuruhen", warnt er.
Vielleicht kommt bald noch ein Kriterium für gute Standorte dazu, nämlich wie gut diese mit dem Klimawandel zurechtkommen. Die deutsche Industrie jedenfalls schlug am Dienstag angesichts der niedrigen Pegelstände auf den Wasserstraßen Alarm. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Anlagen in der chemischen oder Stahlindustrie abgeschaltet werden, Mineralöle und Baustoffe ihr Ziel nicht erreichen oder Großraum- und Schwertransporte nicht mehr durchgeführt werden können", warnte Holger Lösch, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie. "Die Unternehmen stellen sich auf das Schlimmste ein", sagte er.
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