Ohne China beim Namen zu nennen, hat die Europäische Kommission am Mittwoch eine härtere Gangart gegen Staatsunternehmen aus Fernost eingeschlagen. Übernahmen von Betrieben in Europa oder die Beteiligung an öffentlichen Aufträgen mit Billigangeboten sollen bekämpft werden. „Durch Subventionen beschaffte, ungerechtfertigte Vorteile sind seit langem eine Plage im internationalen Wettbewerb“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, bei der Vorstellung der Maßnahmen in Brüssel.
Wenn der Vorschlag der Behörde vom Parlament und den Mitgliedstaaten gebilligt wird, kann die Kommission künftig Zusammenschlüsse untersagen, wenn ein Konzern aus einem Drittstaat mindestens 50 Millionen Euro an staatlichen Beihilfen bekommen hat und das EU-Unternehmen, das übernommen werden soll, einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro ausweist. Bei Ausschreibungen beträgt der Schwellenwert 250 Millionen Euro – liegt ein öffentlicher Auftrag darüber, will die Kommission das Geschäft prüfen, bei geringeren Summen darf Brüssel den Vorgang ebenfalls kontrollieren. Das Paket ist der Versuch der Gemeinschaft, im internationalen Wettbewerb selbstbewusster aufzutreten.
Dass sich auch ohne ausdrückliche Erwähnung der Vorstoß vor allem gegen China richtet, ist durchgängig erkennbar. Bislang durften die Wettbewerbshüter nur dann eingreifen, wenn europäische Regierungen ihren Konzernen unter die Arme griffen und damit den Wettbewerb verzerren. Spätestens die Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka 2016 durch den chinesischen Staatskonzern Midea hatte aber deutlich gemacht, dass die Mitgliedstaaten ebenso wie die Union als Ganzes solch unfairer Konkurrenz wehrlos gegenüberstehen.
Bisher war Europa etwas wehrlos
Zwar gibt es in rund 15 Mitgliedstaaten, darunter auch in Deutschland, bereits ähnliche gesetzliche Möglichkeiten, derartige Übernahmen abzuwehren. So untersagte die Bundesregierung 2018 den Aufkauf des westfälischen Maschinenbauers Leifeld durch ein chinesisches Unternehmen. Es fehlten aber bisher europäische Regeln, die die nationalen Anstrengungen ergänzen und zusammenführen.
Die soll es mit dem Vorschlag der Kommission nun geben. Parallel dazu will die EU selbst allerdings mit ihren Fördermitteln eigene Konzerne unterstützen und stärken. Hinter dem ebenfalls am Mittwoch präsentierten Update der Industriestrategie steckt der Versuch, Unternehmen in sensiblen Bereichen in der Gemeinschaft zu halten oder zur Ansiedlung einzuladen. „Bei Schlüsseltechnologien müssen wir unabhängiger werden“, sagte der CDU-Europa-Abgeordnete Jens Gieseke gegenüber unserer Redaktion.
In einer Voruntersuchung hatte die EU-Kommission 5200 Importprodukte geprüft und bei 137 eine „hochgradige Abhängigkeit“ von anderen Wirtschaftsblöcken festgestellt. Das betrifft nicht nur den Pharmabereich, was in der Pandemie zu entsprechenden Problemen bei der Versorgung mit Impfstoffen führte, sondern auch weitere Produkte wie Batterien, Wasserstoff oder Rohstoffe sowie aktuell Mikrochips. Deren mangelnde Verfügbarkeit hatte bei deutschen Autobauern in den vergangenen Monaten bereits zu Produktionsengpässen geführt, weil die begehrten Halbleiter schlicht nicht zu haben waren.
Die Industrie hätte sich mehr Biss gewünscht
Gerade in diesem Punkt gab es nun aber auch harsche Kritik, weil die Kommission außer einer Bestandsaufnahme zu wenig geliefert habe. Markus Pieper, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, kritisierte, er habe sich „mehr Herzblut mit mehr Parteinahme für die Industrie gewünscht“.
Gerade bei Mikrochips und Wasserstoff seien „Leuchttürme“ nötig gewesen. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang, sagte, notwendig sei eine „aktive“ Industriestrategie, weil die Pandemie gezeigt habe, dass die EU ihre „strategischen Abhängigkeiten von anderen Staaten durch eigene Initiativen abbauen“ müsse.
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