Am zweitgrößten Standort des Autobauers VW im nordhessischen Baunatal sorgen die Sparpläne des Konzernvorstands für große Sorge und Proteste. Das Vorgehen des Konzernvorstands sei eine «Riesensauerei», sagte Betriebsratsvorsitzende Carsten Büchling am Montag im Anschluss an eine Informationsveranstaltung für die Belegschaft des Volkswagen-Werks Kassel.
Vor rund 8.000 Beschäftigten hatten Büchling und sein Stellvertreter Christian Wetekam zuvor entschlossenen Widerstand angekündigt. Sie hielten dem Management vor, in Deutschland mindestens drei VW-Werke dichtmachen zu wollen. Ob das Komponentenwerk Kassel dazugehört, ist unklar. Zudem sollten die verbleibenden Werke schrumpfen und die Belegschaft Entgeltbußen von 18 Prozent hinnehmen. «Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher», erklärten die Arbeitnehmervertreter.
Mehr als Säbelrasseln
Die Kasseler Betriebsratsvorsitzenden warnten davor, die Pläne als «Säbelrasseln in der Tarifrunde» abzutun: «Das ist der Plan des größten deutschen Industriekonzerns, in seiner Heimat Deutschland den Ausverkauf zu starten.»
Büchling und Wetekam verlangen einen belastbaren Zukunftsplan. Es fehle an Strategien und Konzepten: «Wenn nach wie vor kein Angriffsplan auf dem Tisch liegt, kein Konzept für die künftige Produktpalette und keinerlei Idee, wie wir die Technologieführerschaft zurückgewinnen!»
«Bedauerlicherweise mussten wir das angekündigte Vorgehen des Vorstandes konkretisieren, und haben berichtet, weil dieser Vorstand nicht in der Lage ist, die Belegschaft mal ordentlich zu informieren», kritisierte Büchling. Dabei trage er die Schuld an der Schieflage des Autobauers. Es habe massive von ihm verursachte Steuerungsprobleme und Fehlentscheidungen gegeben.
Zehn Werke in Deutschland
VW beschäftigt bei seiner Kernmarke in Deutschland rund 120.000 Mitarbeiter, davon rund die Hälfte in Wolfsburg. Insgesamt betreibt die Marke VW in Deutschland zehn Werke, davon sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen und eins in Hessen. VW hatte im September die seit mehr als 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung aufgekündigt. Ab Mitte 2025 wären betriebsbedingte Kündigungen möglich.
Am Mittwoch kommen Konzern und die Gewerkschaft IG Metall zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde über den VW-Haustarif zusammen. Bereits in der ersten Runde im September hatte VW die Forderungen der IG Metall nach sieben Prozent Erhöhung zurückgewiesen und stattdessen auf Einsparungen gedrängt.
Der Gesamtbetriebsrat fordere den Konzernvorstand auf, mit ihm über einen «Masterplan Zukunftsfähigkeit» zu verhandeln, sagte Büchling. «Wir sind sehr gespannt, wie der Volkswagen-Vorstand vorgehen wird.» Der Gesamtbetriebsrat habe die Erwartung, dass gleich zu Beginn der Gespräche über die angedrohten Werkschließungen geredet werde. «Der Vorstand hat es in der Hand, die Androhung gegenüber den Beschäftigten vom Tisch zu nehmen.» Andernfalls drohe eine «riesengroße Eskalation.»
VW äußert sich nicht
Europas größter Autobauer wollte die Maßnahmen auf Anfrage nicht bestätigen. Man halte sich an den Grundsatz, darüber zunächst intern mit der Arbeitnehmerseite zu sprechen. Zugleich bekräftigte der Konzern aber die jüngst verschärften Sparpläne für die schwächende Kernmarke VW. «Die Lage ist ernst und die Verantwortung der Verhandlungspartner ist enorm», sagte Personalvorstand Gunnar Kilian laut Mitteilung. «Ohne umfassende Maßnahmen zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit werden wir uns wesentliche Zukunftsinvestitionen nicht leisten können.»
Mit rund 15 500 Mitarbeitern ist Kassel das weltgrößte Komponentenwerk des Volkswagen-Konzerns. In Baunatal werden weite Teile des elektrischen Antriebsstrangs hergestellt. 2022 hatte VW angekündigt, den Standort bis 2026 zum Schlüssellieferanten für die Elektrofahrzeuge des Wolfsburger Autobauers erweitern zu wollen.
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