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Weltwassertag: Karsten Rinke: "Wir müssen unsere Wasserversorgung widerstandsfähiger machen."

Weltwassertag

Karsten Rinke: "Wir müssen unsere Wasserversorgung widerstandsfähiger machen."

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    Trockenheit wird zunehmen, sagen Experten.
    Trockenheit wird zunehmen, sagen Experten. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Herr Rinke, kann man das pauschal sagen, wie geht es unseren Gewässern?

    Karsten Rinke: Kann man. Die größeren Gewässer werden gut beobachtet. Insgesamt muss man sagen: Der Zustand ist nicht gut. Wir haben dabei das Problem, dass viele Maßnahmen der letzten Jahre, um Gewässer zu verbessern, dann im Laufe der Zeit durch den Klimawandel konterkariert worden sind.

    Was waren das für Maßnahmen?

    Rinke: Das waren vor allem Maßnahmen, die Fließgewässer betreffen. Flüsse wurden renaturiert, Überflutungsflächen geschaffen, Feuchtgebiete wieder angebunden, sodass sie als Lebensraum zur Verfügung stehen.

    Viele dieser Maßnahmen münden oft in einem Konflikt zwischen Landwirten und Umweltschützern. Vor allem die Dünge- und Spritzmittelverwendung steht immer wieder in der Kritik. Sind die ein Problem?

    Rinke: Definitiv, klar. Die Landwirtschaft ist eine erhebliche Quelle für Nährstoffe und auch Pestizide. Die beiden großen Belastungsquellen unserer Gewässer sind generell die Landwirtschaft und das Abwasser. Alles, was man in der Landwirtschaft ausbringt, wird durch den Regen und die Wasserflüsse in den Kreislauf eingespeist und landet am Ende im Meer. Deshalb kann man auch bei Pinguinen Giftstoffe nachweisen, die man dort gar nicht ausgebracht hat.

    Also wäre es, einfach ausgedrückt, gut fürs Wasser, weniger zu spritzen und zu düngen?

    Rinke: Das kann man so sagen. Wir müssen unsere Landschaft so bewirtschaften, dass sie erhalten bleibt.

    Wie kann das gelingen, wenn man doch auch Nahrungsmittel produzieren muss?

    Rinke: Man könnte etwa nur Pestizide verwenden, die so kurzlebig sind, dass sie sich in der Umwelt nicht anreichern und Dünger nicht im Überfluss ausbringen. Ein griffiger Indikator ist dabei das Grundwasser. Ein Drittel der Bundesrepublik hat Probleme mit Nitratgrenzwerten. Das Nitrat kommt komplett aus der Landwirtschaft.

    Gibt es nicht die Möglichkeit, das Wasser trotz Nitrat wieder aufzubereiten?

    Rinke: Es wäre technisch denkbar, daraus Trinkwasser aufzubereiten, das wäre aber nicht wirtschaftlich. Das führt dazu, dass wir zum Beispiel das Wasser vom Westharz bis nach Bremerhaven liefern, obwohl die Region um Bremerhaven auf dem größten Grundwasserspeicher Deutschlands sitzt. Aber der ist durch die Landwirtschaft so mit Nitrat belastet, dass man ihn nicht nutzen kann.

    Was folgt daraus?

    Rinke: Wir haben gerade in den vergangenen Dürrejahren gesehen, dass das Wasser mancherorts knapp wurde. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und unsere Wasserversorgung widerstandsfähiger machen, eben zum Beispiel dafür sorgen, dass man den Grundwasserkörper im Norden wieder nutzen kann. Dann könnte man die Leute, die dort leben, regional versorgen.

    Drei Viertel der Deutschen beziehen ihr Trinkwasser aus Grundwasser. Ist die Qualität unseres Trinkwassers also in Gefahr?

    Rinke: Grundwasser hat normalerweise von Natur aus eine sehr hohe Qualität, aber unser Wasserkreislauf sieht so aus: Das Grundwasser wird aufbereitet, verbraucht, oder besser gesagt, verschmutzt. Das Wasser wird dann in der Kläranlage wieder gereinigt und abgegeben. Eine Kläranlage reinigt das Wasser zwar erheblich. Aber das, was da rausläuft, ist im Vergleich zu dem Wasser, das man mal der Natur entnommen hat, immer noch hochgradig verschmutzt. Und deshalb brauchen wir aquatische Lebensräume, die mit diesen Restbelastungen gut klarkommen. Die Gewässer müssen das abpuffern können, damit sie auch letztlich unsere Küsten und das Meer schützen. Und dafür brauchen wir Biodiversität.

    Schenken wir zum Zustand unserer Gewässer, eben auch denen, die nicht für die Trinkwassergewinnung da sind, genug Aufmerksamkeit?

    Rinke: Die Aufmerksamkeit hat zugenommen. Vor allem im Zuge der letzten Dürrejahre. In Augsburg merkt man das vielleicht nicht so sehr, aber hier im Mitteldeutschen Raum leben wir im niederschlagsärmsten Gebiet in Deutschland. Wir haben einen massiven Wasserverlust in der Fläche. Der Grundwasserspiegel ist teilweise 40-50 cm gesunken. Das ist ein Trend, den es schon seit zehn Jahren gibt. In manchen Bereichen haben wir bis zu einem Meter verloren.

    Was war die Folge?

    Rinke: Ganze Seen sind verschwunden, manche sind kleiner geworden. Das liegt daran, dass Seen hier oft vom Grundwasser gespeist werden und nicht von Flüssen. Wenn man mich das vor fünf Jahren gefragt hätte, hätte ich gesagt, das gäbe es vielleicht in der Türkei oder Sizilien, also eher im mediterranen Raum. Aber nicht hier. Doch es ist hier angekommen. Das sind Muster infolge des Klimawandels, die wir für Ende des Jahrhunderts prognostiziert haben. Aber das tritt jetzt ein, weil sich das Klima nicht nur im Mittel ändert, sondern auch Extremereignisse wahrscheinlicher werden.

    Was müssen wir in Deutschland tun?

    Rinke: Wir müssen uns auch in Deutschland, das immer als wasserreiches Land galt, damit auseinandersetzen, dass Wasser regional begrenzt und knapp wird. Wir brauchen ganz neue Konzepte, um Wasser nachhaltig zu bewirtschaften. Das Problem: Bei steigenden Temperaturen sinkt das Wasserdargebot, weil mehr verdunstet, gleichzeitig steigt der Wasserbedarf. Einerseits in den Haushalten: In heißen Jahren wird dort mehr Wasser verbraucht, weil die Leute ihren Rasen wässern und den Pool füllen und häufiger am Tag duschen.

    Andererseits steigt in anderen Bereichen der Bedarf: Wir müssen einen erheblichen Teil unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche bewässern, um unseren die Produktivität aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig müssen wir in den Städten das Grün durch Bewässerung unterstützen, sonst heizen sich unsere Städte noch weiter auf. Wir müssten die Städte sogar noch mehr begrünen. Für all das brauchen wir noch mehr Wasser.

    Was kann man tun?

    Rinke: Wir sollten weniger Flächen versiegeln und dafür sorgen, dass wieder mehr Wasser in den Boden kommt und so den Grundwasserspeicher auffüllt. Aber auch jeder einzelne kann helfen. Häufiger mal mit den Kindern ins Freibad gehen, als sich einen 10-m³-Pool in den Garten stellen. Den Rasen gelb werden lassen, anstatt ihn zu sprengen. Weniger Nahrung wegwerfen. Weniger Fleisch essen. All das hilft.

    Zur Person: Karsten Rinke ist Limnologe. Er leitet die Abteilung Seenforschung am Magdeburger Helmholtz Zentrum für Umweltforschung.

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