Star Trek oder Star Wars?
Anna Christmann: Star Wars! Das habe ich gerade mit meiner Tochter geguckt.
Laserschwert oder Ionenkanone?
Christmann: Laserschwert natürlich, die sehen schicker aus.
Sie haben Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Mathematik studiert, sich dann mit einer politikwissenschaftlichen Arbeit promoviert. Wie sicher sind Sie inzwischen in der Raketentechnik?
Christmann: Nach einem Jahr hat man einen ganz guten Überblick. Ich weiß, welche Raketen es gibt. Eine selbst zu bauen, schaffe ich vielleicht noch nicht.
Hier in Bayern gibt es zwei Startups, die besonders Schlagzeilen machen, weil sie Microlauncher produzieren. Die Rocket Factory aus Augsburg und Isar Aerospace aus Ottobrunn. Die beiden liefern sich ein interessantes Rennen, wer es zuerst schafft, seine Rakete in den Orbit zu schießen. Wer macht das Rennen?
Christmann: Neben der Rocket Factory und Isar Aerospace gibt es in Baden-Württemberg noch Hyimpulse. Wir sind in Deutschland stolz auf unsere drei Raketenstartups, die alle eine sehr vielversprechende Entwicklung gemacht haben. Alle drei zeigen, dass Deutschland ein Ort ist, an dem Hochtechnologie entwickelt wird und daraus Unternehmen entstehen. Und es ist ein Ort, in den auch gerne investiert wird, denn all drei Firmen haben privates Kapital von Leuten eingesammelt, die daran glauben, dass das eine Erfolgsgeschichte wird. Alle drei haben wirklich sehr gute Voraussetzungen: Kompetenz und das nötige Geld. Ich lasse mich da gerne überraschen, wer das Rennen macht.
Nochmal: Wer hat die Raketenspitze vorn?
Christmann: Das werden die schon untereinander ausmachen. Wichtig wird sein, dass sie dann auch Aufträge erhalten. Dafür haben wir uns als Deutschland gerade erfolgreich bei der ESA starkgemacht.
Seit Anfang Oktober arbeitet die Bundesregierung an einer neuen Raumfahrtstrategie. Bis wann genau wollen Sie fertig sein?
Christmann: Dieses Jahr. Es ist entscheidend, dass wir intensiv daran arbeiten und alle Expertise in die Erarbeitung stecken.
New-Space, also die Verzahnung von klassischer – staatlich geprägter Raumfahrt mit privatwirtschaftlichen (kleineren) Unternehmen, soll darin ein zentrales Element sein. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Christmann: Die aktuelle Raumfahrtstrategie der Bundesregierung ist zehn Jahre alt und seitdem ist in der Raumfahrt nichts mehr so geblieben, wie es vor zehn Jahren war. Wir haben neue Akteure. Wir haben neue Raketen. Und wir haben New Space als wirklich neue, viel effizientere Form, Raumfahrt durchzuführen. Zudem ist die Raumfahrt – vor allem nach Russlands Überfall auf die Ukraine – als kritische Infrastruktur in den Blick geraten. Der Raumfahrt kommt eine enorme Bedeutung zu. Diese neue Weltlage wird sich in der Raumfahrtstrategie widerspiegeln. New Space, Raumfahrt als kritische Infrastruktur und natürlich der Klimaschutz werden im Zentrum der Strategie stehen.
Wie schätzen Sie das Marktpotenzial der Newspace-Firmen ein?
Christmann: Newspace-Unternehmen werden immer größere Bedeutung haben. Deswegen haben wir die Kleinsatelliten-Initiative zusätzlich aufgesetzt, um bei der Satellitenproduktion stärker in die Industrialisierung zu kommen. Je mehr Dienste über Satelliten stattfinden, desto eine höhere Bedeutung bekommen diese. Da ist es entscheidend, dass die Produktion dieser Satelliten möglichst auch in Deutschland Wertschöpfung generiert.
Um als Standort attraktiver zu werden, könnte ein deutscher Weltraumbahnhof helfen. Die Gosa, die German Offshore Spaceport Alliance, arbeitet daran und will schon dieses Jahr aus der Nordsee von Spezialschiffen aus Raketen losschicken. Sie sehen das Vorhaben grundsätzlich positiv, sagen aber nicht, dass wir unbedingt einen deutschen Weltraumbahnhof brauchen. Warum eigentlich nicht?
Christmann: Ich möchte unbedingt, dass wir in Europa gute Startmöglichkeiten für die Kleinraketen haben. Die Nordsee kann eine Möglichkeit sein, das Gosa-Konsortium prüft das gerade. Aber wir wissen am Ende einfach zu wenig darüber, ob das möglich sein wird, welche Rahmenbedingungen sich gegebenenfalls schwierig gestalten. Gleichzeitig sehen wir die Entwicklung anderer Weltraumbahnhöfe in Norwegen, Schweden und Schottland. Mir ist wichtig, dass Möglichkeiten in Europa entstehen. Es geht um die besten Rahmenbedingungen und da sehe ich Europa als die entscheidende Einheit. Wenn der Weltraum-Bahnhof in der Nordsee sein kann, dann ist das gut. Aber wenn es an den anderen Orten ist, dann ist das auch eine gute Möglichkeit für diese Raketen einen Startplatz zu finden.
Ist Deutschland nicht einfach zu spät dran, weil Norwegen, Schweden und Schottland weiter sind?
Christmann: In Deutschland werden verschiedene Varianten geprüft. Die in der Nordsee und dann gibt es noch Überlegungen von horizontalen Starts in der Luft, von einem Flugzeug aus. Die könnten dann von konventionellen Flughäfen aus starten. Das wird derzeit erprobt. Man muss einfach schauen, was am besten funktioniert. In Europa.
Wenn es einen festen Weltraumbahnhof in Deutschland gäbe, würden sich dort in der Nähe sicher New-Space-Firmen ansiedeln, um testen zu können. Das müsste doch in Ihrem Interesse sein?
Christmann: Wenn es darum geht, Infrastruktur auch vor Ort zu fördern, ist das natürlich von hohem Interesse für uns. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass im DLR-Raumfahrtzentrum in Lampoldhausen Testkapazitäten leichter bereitstehen, gerade für die Microlauncher-Startups.
Fliegt die erste Rakete von der Nordsee schon dieses Jahr Richtung Orbit?
Christmann: Das kann man noch nicht sagen. Es muss noch viel geklärt werden, mit Blick auf den Luftraum, die Nordsee, die Schifffahrt und Offshore-Windparks. Ich freue mich, wenn die Gosa gut vorankommt und Fortschritte zu sehen sind.
Das Wirtschaftsministerium will endlich ein nationales Weltraumgesetz hinbringen. Das wäre wichtig, um Rechtssicherheit zu gewährleisten, wenn private, nichtstaatliche Unternehmen künftig Richtung Orbit und darüber hinaus unterwegs sind. Die alte Bundesregierung hatte das Gesetz nicht fertigbekommen, weil sich die Ressorts untereinander nicht einig wurden. Schafft die Ampel das? Denn im Augenblick haftet der Bund, wenn so eine Rakete abstürzt …
Christmann: Im Koalitionsvertrag haben wir keinen Auftrag für ein Weltraumgesetz, wissen aber natürlich, dass es durchaus Bedarf an bestimmten Regelungen gibt, um verlässliche Rahmenbedingungen für alle Akteure zu schaffen. Wir prüfen und klären in der Bundesregierung gerade, welche Regelungen dringend und notwendig sind und was sinnvollerweise zeitnah in ein Gesetz kommen sollte. Wir sind da aber in einem frühen Stadium der Klärung.
Bei wie viel Millionen Euro läge denn die Obergrenze dessen, was der Staat von Startups zurückverlangen könnte, wenn es zu einem Raketenabsturz käme?
Christmann: Genau solche Fragen gilt es, zu klären. Das muss gut abgewogen sein, denn wir wollen in Deutschland ein Ökosystem von Startups stärken. Das Haftungsrisiko muss tragbar sein. Wir sind hier am Anfang.
Der Weltraumschrott wird auch nicht weniger. Wer soll den verräumen?
Christmann: Grundsätzlich sollte gelten: Wer etwas in den Weltraum bringt, sollte es auch wieder herausholen. Das ist aber – trotz verschiedenster internationaler Regelungen – bisher leider nicht der Fall. In Europa sind wir hier allerdings vorbildlich. Bei allen institutionellen Missionen erfolgt das so und natürlich ist unser Interesse, das in die Breite zu führen und in die internationale Gemeinschaft hineinzutragen. Zudem geht es darum, technologisch weiterzukommen. Wir unterstützen die Clear-Space-Mission der ESA, in der es genau darum geht, Weltraumschrott aus dem Orbit zu entfernen.
Zur Person: Anna Christmann, 39 sitzt seit 2017 für die Grünen im Bundestag, seit 2022 ist sie Luft- und Raumfahrtkoordinatorin.