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Welthandel: EU-Mercosur-Pakt: Weiter warten auf die weltgrößte Freihandelszone

Welthandel

EU-Mercosur-Pakt: Weiter warten auf die weltgrößte Freihandelszone

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    Ringen um Freihandel, Klimaschutz aber auch Respekt: EU-Chefin Ursula von der Leyen und Brasiliens Präsident Luiz Lula da Silva.
    Ringen um Freihandel, Klimaschutz aber auch Respekt: EU-Chefin Ursula von der Leyen und Brasiliens Präsident Luiz Lula da Silva. Foto: Geert Vanden Wijngaert, dpa

    Unbestritten setzt die Europäische Union gerne auf die Kraft der Symbolik. Umso mehr darf sie an jenen Bildern gemessen werden, die sie aussendet. Dazu gehört die Organisation der Ankunft von fast 60 Staats- und Regierungschefs am Montagmittag zum Mammut-Gipfel in Brüssel. Während die 27 EU-Spitzenpolitiker vor dem Europagebäude ausstiegen und den üblichen roten Teppich entlangschritten, fuhren die Wagen der Mitglieder der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) am nebenan liegenden Justus-Lipsius-Bau vor, angeblich aus Sicherheitsgründen. Zyniker würden von einem Hintereingang sprechen. Spiegelte das Protokoll „den Geist des gegenseitigen Respekts“ wieder, von dem EU-Ratspräsident Charles Michel sprach?

    Die Staatenlenker aus Lateinamerika und der Karibik fordern immer wieder die Gleichberechtigung in der Beziehung mit der EU und kritisieren regelmäßig eine Bevormundung. Auch deshalb sind die Verbindungen etwas eingeschlafen. Das sollte sich mit dem zweitägigen Gipfeltreffen zwischen den beiden Blöcken ändern – es ist das erste seit 2005.  Im Zentrum der Debatte steht das Mercosur-Handelsabkommen. Damit soll die größte Freihandelszone der Welt mit mehr als 720 Millionen Einwohnern entstehen. Der Vertrag ist fertig verhandelt, liegt aber seit vier Jahren auf Eis, weil es Widerstand gibt gegen die Forderungen der EU zu mehr Nachhaltigkeit, etwa zum Schutz der Regenwälder in Brasilien. Vor einer „Zeigefinger-Mentalität“ warnte denn auch Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-Parlaments. „Die europäische Attitüde ‚Wir sagen, wo es lang geht‘ ist eine Attitüde der Vergangenheit.“

    Südamerikaner kritisieren Arroganz der Europäer

    Mehrere EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, verlangen eine Zusatzerklärung zu Klima, Umwelt und Menschenrechte. Sie wurde zuletzt von Argentiniens Präsident Fernández genauso wie von Brasiliens Staatschef Lula abgelehnt. Letzterer meinte, strategische Partner würden „nicht auf der Grundlage von Misstrauen und der Androhung von Sanktionen“ verhandeln.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Montag dennoch optimistisch, „bald zu einem guten Ergebnis“ zu kommen. Er sprach sich dafür aus, das Abkommen, das Zölle abbauen und den Handel ankurbeln soll, abzuschließen – in einer Weise, „dass auf allen Seiten alle sagen: Das ist jetzt gut gelungen und das ist nicht etwas, das mit Vormacht oder Übermacht zu tun hat, sondern das auf Augenhöhe stattfindet“. 

    Misstrauen beim Klimaschutz lähmt die Verhandlungen zwischen Europa und Südamerika

    Die Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay wenden sich zunehmend China zu – enttäuschend für die EU, die versucht, den Anschluss im globalen Wettbewerb nicht zu verlieren. Neben dem Mercosur-Deal ging es auch um die Ratifizierung der Abkommen mit Mexiko und Chile, weitere Handelsfragen, Klimaschutz und die Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

    „Die EU muss das Zeitfenster für einen engen wirtschaftlichen Schulterschluss mit Lateinamerika unbedingt nutzen“, forderte Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Aus stärkeren Handels- und Investitionsbeziehungen ergäben sich „große ökonomische Potenziale gerade auch für die international eng vernetzte deutsche Wirtschaft“.

    Die Hoffnung war riesig, als Luiz Inácio Lula da Silva im Januar die Führung in Brasilien übernahm. Der Nachfolger des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro, so die Erwartung in der Union, werde den Weg für das EU-Mercosur-Abkommen endlich frei machen.

    EU-Mercosur-Pakt: EU-Außenchef hofft auf Durchbruch bis Jahresende

    Mittlerweile herrscht in Brüssel eine gewisse Ernüchterung angesichts der schleppenden Fortschritte. Lula beteuerte am Montag, dass sein Land seine Klimaschutzverpflichtungen erfüllen und ab 2030 keinen Amazonas-Regenwald mehr entwalden werde. Bis zum Abend gab es aber – noch – kein Gegenangebot aus Südamerika. Lange hoffte trotzdem, dass Lula „etwas im Koffer“ dabeihaben würde, „sodass wir weiterverhandeln können“. Eine Möglichkeit wäre, dass man etwa die Überwachung des kürzlich veröffentlichten Aktionsplans zum Stopp des Abholzens des Amazonas gemeinschaftlich angehen könnte. Die Brasilianer wünschen sich beispielsweise Zugeständnisse bei den Vorgaben für öffentliche Ausschreibungen, um die Produktion von Medikamenten im eigenen Land gezielt fördern zu können.

    Würde dieses Treffen ein Gipfel der schönen Bilder und warmen Worte bleiben? Auch wenn „kein großer Durchbruch“ beim Thema Mercosur zu erwarten sei, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, erwartete der Spanier, „dass der Wille zum Ausdruck gebracht wird, weiter hart daran zu arbeiten, um bis zum Ende des Jahres eine Einigung zu erzielen".

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