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Welthandel: EU-Kommission einigt sich mit Südamerikanern auf Handelsdeal

Welthandel

EU-Kommission einigt sich mit Südamerikanern auf Handelsdeal

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    Nach fast einem Vierteljahrhundert haben die EU und der Mercosur die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen abgeschlossen.
    Nach fast einem Vierteljahrhundert haben die EU und der Mercosur die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Foto: Matilde Campodonico/AP

    Die EU-Kommission hat ungeachtet anhaltender Bedenken von Ländern wie Frankreich, Italien und Polen die Verhandlungen über eine riesige Freihandelszone mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur abgeschlossen. Das teilte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einer finalen Gesprächsrunde mit Spitzenvertretern der Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay mit. Die Verhandlungen liefen über einen Zeitraum von fast einem Vierteljahrhundert.

    «Dieses Abkommen ist ein Gewinn für Europa», sagte von der Leyen in Uruguays Hauptstadt Montevideo. Es werde für Menschen und Unternehmen funktionieren und mehr Arbeitsplätze, mehr Auswahl und Wohlstand schaffen. «Unternehmen profitieren von niedrigeren Zöllen und vereinfachten Verfahren», sagte von der Leyen.

    Auch die Vertreter des Wirtschaftsbündnisses Mercosur beschworen die Möglichkeiten, die das Abkommen für eine Ausweitung der Handelsbeziehungen bietet. «Es ist keine magische Lösung, aber eine Chance», sagte Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou.

    Bundesregierung setzt auf Mehrheitsvotum über Handelsteil

    Zuletzt hatte vor allem die Bundesregierung Druck gemacht, die Verhandlungen endlich zu finalisieren und den Text für das Abkommen den EU-Staaten zur Abstimmung vorzulegen. «Nach mehr als 20 Jahren Verhandlungen ist die politische Einigung zwischen den Mercosur-Staaten und der EU da – eine wichtige Hürde für das Abkommen ist genommen», schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf X. «So kann für mehr als 700 Millionen Menschen ein freier Markt entstehen, mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.»

    Deutschland setzt dabei darauf, dass der handelspolitische Teil im Rat der Mitgliedstaaten per Mehrheitsentscheidung beschlossen werden könnte. Ein Vetorecht hätten Mitgliedstaaten dann nur noch bei den geplanten Vereinbarungen zum politischen Dialog und zur Kooperation. Ein solches Splitten des Vertrages könnte aber Rechtsrisiken bergen.

    Das Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten würde eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Einwohnern schaffen. Es sieht vor, vor allem Zölle abzubauen und damit den Handel anzukurbeln.

    Autobauer sehen enormes Potenzial

    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte die Einigung als eine sehr gute Nachricht für Unternehmen. Das Abkommen könne einen «dringend notwendigen Wachstumsimpuls für die deutsche und europäische Wirtschaft» bringen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer sprach von einem «Meilenstein für die EU-Handelspolitik».

    Vor allem die deutsche Automobilindustrie sieht ein deutliches Potenzial, die Exporte in Richtung Südamerika zu steigern. Insbesondere wegen hoher Zölle wurden aus Deutschland im gesamten Jahr 2023 nur 20.700 Pkw nach Argentinien und Brasilien exportiert.

    Handelspolitiker sehen das geplante Abkommen zudem als Botschaft an den künftigen US-Präsidenten Donald Trump und als wichtigen Schritt im Konkurrenzkampf mit China. Trump soll gezeigt werden, dass funktionierende Freihandelsabkommen langfristig besser für die heimische Wirtschaft sind als eine Abschottung von Märkten mit neuen Zöllen und anderen Handelsbarrieren.

    Mit Blick auf China gilt es als sicher, dass sich die Mercosur-Staaten im Fall eines Scheiterns des Abkommens wirtschaftlich noch stärker der Volksrepublik zuwenden würden.

    Grundsatzeinigung gab es bereits 2019

    Über den Aufbau der Freihandelszone zwischen EU und dem Mercosur war eigentlich bereits im Sommer 2019 eine politische Grundsatzeinigung erzielt worden. Der Deal wurde dann allerdings wieder von mehreren EU-Staaten wie Frankreich, Polen oder Österreich infrage gestellt, und es gab jahrelange Nachverhandlungen.

    Kritiker befürchten, dass europäische Landwirte künftig in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden. «Wir Bauern wurden nicht gehört. Dieses Abkommen geht einseitig zu Lasten der europäischen Bauern und schwächt unsere Betriebe massiv im Wettbewerb», sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied.

    Umweltschützer sind besorgt, dass das Abkommen die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird. «Dieses Abkommen schafft wenige Gewinner, aber viele Verlierer. Zu den Profiteuren zählen Chemie-, Agrar- und Ölkonzerne, die durch Zollsenkungen auf ihre klima- und umweltschädlichen Produkte enorme Gewinne erzielen», sagte Harald Gross von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. «Die Verliererseite ist jedoch ungleich größer: Das Klima – und damit wir alle – steht auf dem Spiel.»

    Die EU-Kommission und die Bundesregierung weisen die Vorwürfe hingegen als ungerechtfertigt zurück und betonen, dass die gesamtwirtschaftlichen Vorteile eindeutig überwiegen. So wird betont, dass weiter nur Produkte, die den umfangreichen europäischen Vorschriften entsprechen, in die EU eingeführt werden dürften. Gleichzeitig könnten Unternehmen in der EU schätzungsweise jährlich mehrere Milliarden Euro an Zöllen sparen.

    Bereits im vergangenen Jahr wurden aus der EU Waren im Wert von rund 56 Milliarden Euro in diese vier Mercosur-Ländern exportiert, in umgekehrter Richtung betrug das Exportvolumen rund 54 Milliarden Euro. Insgesamt könnten nach EU-Angaben 60.500 europäische Unternehmen von den geplanten Freihandelsvereinbarungen profitieren.

    Veto-Möglichkeit könnte umgangen werden

    Nach dem Abschluss der Verhandlungen müssen die Texte für das Abkommen noch juristisch geprüft und in die Sprachen der Vertragsstaaten übersetzt werden. Dann muss die EU-Kommission eine Entscheidung darüber treffen, ob es als Ganzes oder in zwei Teile gesplittet den Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorgelegt wird. Auf jeden Fall zustimmen müsste das Europäische Parlament. Eine Entscheidung wird frühestens in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres erwartet.

    Macron hält Deal für inakzeptabel - Unterstützung aus Bundestag

    Dass das Abkommen umgesetzt werden kann, wenn es auch nationalen Parlamenten zur Zustimmung vorgelegt werden muss, gilt insbesondere wegen der Bauernproteste in Frankreich als unwahrscheinlich. Das Abkommen sei in seiner jetzigen Form inakzeptabel, ließ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch am Donnerstag verlauten. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ließ mitteilen, die Voraussetzungen für das Abkommen seien derzeit nicht gegeben.

    In Deutschland gibt es hingegen breite Unterstützung. Politiker von SPD, CDU/CSU und FDP signalisierten zuletzt im Bundestag Zustimmung. Auch Regierungspolitiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) sind für den Abschluss des Abkommens.

    Kaufen Südamerikaner künftig deutlich mehr deutsche Autos? Das ist die Hoffnung der Industrie. (Archivbild)
    Kaufen Südamerikaner künftig deutlich mehr deutsche Autos? Das ist die Hoffnung der Industrie. (Archivbild) Foto: Jörg Sarbach/dpa
    Die Wirtschaft erhofft sich neue Absatzmöglichkeiten durch das Abkommen. (Archivbild)
    Die Wirtschaft erhofft sich neue Absatzmöglichkeiten durch das Abkommen. (Archivbild) Foto: Christian Charisius/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa
    Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace laufen gegen die Pläne für das Freihandelsabkommen seit Jahren Sturm. (Archivbild)
    Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace laufen gegen die Pläne für das Freihandelsabkommen seit Jahren Sturm. (Archivbild) Foto: Sylvain Plazy/AP/dpa
    Nicht einer Meinung: Ursula von der Leyen will das Abkommen abschließen, der französische Präsident Emmanuel Macron nicht. (Archivbild)
    Nicht einer Meinung: Ursula von der Leyen will das Abkommen abschließen, der französische Präsident Emmanuel Macron nicht. (Archivbild) Foto: Olivier Hoslet/Pool EPA/AP/dpa
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