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Wasserstoffnetz: Boom oder Bürde für Deutschlands Zukunft?

Energiewende

Wasserstoffautobahn ohne Anschlussstellen? Es gibt schon jetzt Kritik

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    Die Bundesnetzagentur hat grünes Licht für den Plan von Minister Habeck zum Bau wichtiger Wasserstoff-Leitungen in Deutschland gegeben.
    Die Bundesnetzagentur hat grünes Licht für den Plan von Minister Habeck zum Bau wichtiger Wasserstoff-Leitungen in Deutschland gegeben. Foto: Michael Kappeler, dpa (Archivbild)

    Die Energieautobahn der Zukunft wird 600 Kilometer kürzer als ursprünglich vorgesehen, soll dafür aber billiger werden: Die Bundesregierung hat das Genehmigungsverfahren zum Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes abgeschlossen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte das 9040 Kilometer lange und knapp 19 Milliarden Euro teure Netz in Berlin vor und freute sich über eine „rekordverdächtig“ schnelle Genehmigungsphase. Rund zweieinhalb Jahre dauerte sie, bereits im kommenden Jahr soll der erste Wasserstoff durch die Leitungen fließen.

    Komplett fertig soll das Netz für den Energieträger der Zukunft in acht Jahren sein, es gibt schon jetzt eine Verlängerungsoption bis 2037. Womöglich sieht die Verteilung dann aber schon wieder anders aus – die Union kritisiert eine mangelhafte Anbindung des Südwestens und dringt jetzt schon auf Änderungen. Sollte sie nach der Bundestagswahl 2025 in die Regierung kommen, wird sie Korrekturen am Wasserstoff-Kernnetz vornehmen, wie der CDU-Energieexperte Andreas Jung deutlich machte.

    CDU-Vize Jung kritisiert „Tiefschlag“

    „Das ist ein Tiefschlag gegen den Süden und eine herbe Enttäuschung“, sagte Jung. Am Beispiel seiner Heimat machte der stellvertretende CDU-Vorsitzende folgende Rechnung auf: „Baden-Württemberg soll nun mit circa fünf Prozent der Wasserstoffleitungen abgespeist werden - bei 20 Prozent der Industrieleistung, 15 Prozent der Wirtschaftskraft und 10 Prozent der Bundesfläche. Unserer starken Wirtschaft wird damit der Boden unter den Füßen weggezogen.“

    Habeck hatte zuvor betont, dass jedes Bundesland ans Wasserstoffkernnetz angeschlossen werde. Jung entgegnete, es sei doch wohl ein Unterschied, ob Stadtstaaten wie Bremen oder Hamburg angebunden seien oder ein großes Bundesland wie Baden-Württemberg. Die Bayern sind da etwas gelassener. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte im August mit Blick auf die Planung erklärt: „Mit der aktuellen Ausgestaltung des Netzes können wir erst mal leben“.

    Wasserstoff in Deutschland: Das Verteilnetz fehlt

    Habeck erklärte, das Kernnetz sei „die Autobahn für den Wasserstoff“. Es führe die „großen Wasserstoffadern“ an die Zentren heran, die letzten 10, 20 oder 30 Kilometer Verteilnetze müssten dann noch vor Ort gebaut werden. Der Chef der zuständigen Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ergänzte: „Ein Kernnetz ist ein Startnetz“. Doch gerade der Anschluss vor Ort an die „Wasserstoffautobahn“ sorgt vielfach für Kopfzerbrechen, denn dafür gibt es derzeit weder Planung noch Geld.

    Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), sprach von einer Verunsicherung bei den Verteilnetzbetreibern. „Ihnen fehlen die rechtlichen Grundlagen, um die Umrüstung der bisherigen Gasnetze auf grüne Gase wie Wasserstoff rechtssicher planen und entsprechend investieren zu können“, erklärte er.

    Das Kernnetz wird von den Fernleitungsnetzbetreibern Gas (FNB Gas) gebaut. Das sind die überregionalen Gastransportunternehmen und sie können sich bei ihren Investitionen auf ein sogenanntes Amortisationskonto verlassen, das in der Startphase Finanzierungslücken ausgleicht. „Bei den Verteilnetzen ist die Frage, wie die Umrüstung finanziert wird, hingegen noch offen. Hier muss schnellstmöglich Klarheit geschaffen werden“, forderte Liebing.

    Ohne Erdgas geht es nicht

    Der Branchenverband „Zukunft Gas“ hat ähnliche Vorbehalte. Vorstand Timm Kehler lobte das Wasserstoff-Kernnetz einerseits als einen wichtigen Meilenstein, kritisierte aber auch, dass für den Anschluss des Verteilnetzes „noch die nötige Klarheit und auch das Signal der Politik“ fehle, dass „Mittelstand und dezentrale Stromerzeugung künftig mit klimaneutraler Energie versorgt werden“. Der CDU-Abgeordnete Jung verwies ergänzend auf die Zeitkomponente. Bereits beim Kernnetz könne sich die Fertigstellung bis 2037 verzögern, „und während schon beim Kernnetz die Finanzierungsbedingungen umstritten sind, gibt es für den weiteren Netzausbau inklusive der Verteilnetze dazu noch gar nichts“.

    Das Kernnetz soll jährlich bis zu 278 Terawattstunden an Energie in Form von Wasserstoff transportieren können, wie der stellvertretende FNB-Vorsitzende Ralph Bahke erklärte. Das seien etwa ein Drittel der Energiemenge, die derzeit durch Erdgas erzeugt werde. Gut 60 Prozent des Wasserstoff-Kernnetzes sind bestehende Erdgasleitungen, die umgebaut werden. Der Rest wird neu errichtet. Gleichzeitig werden weitere Milliarden in die Stabilisierung der Erdgasversorgung investiert. Denn bis klimafreundlich produzierter grüner Wasserstoff das Erdgas als zuverlässige Energiequelle ablösen kann, wird noch sehr viel Zeit ins Land gehen.

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