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Wasserstoff-Plan gerät wegen zu viel Bürokratie ins Stocken

Energie

Der Wasserstoff-Plan gerät wegen zu viel Bürokratie ins Stocken

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    Bau einer Wasserstoff-Pipeline nahe dem Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt.
    Bau einer Wasserstoff-Pipeline nahe dem Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt. Foto: Jan Woitas, dpa

    Deutschland droht seine ambitionierten Ziele beim Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft zu verfehlen. Fehlende Planungssicherheit und zu viel Bürokratie bremsen die notwendigen Investitionen der Industrie aus. Das ist das Ergebnis des jüngsten H2-Marktindex, einer umfassenden Befragung unter allen Akteuren der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Aktuell zögern demnach sowohl Produzenten als auch Abnehmer von Wasserstoff mit ihren Investitionen, weil unklar sei, ob und wann sich die Ausgaben rechnen.

    Von einem „Henne-Ei-Problem“ spricht Roderick Hömann, Leiter Energie- und Klimapolitik der Wirtschaftsvereinigung Stahl, bei der Vorstellung der Umfrage am Mittwoch. Solange die Wasserstoff nutzende Industrie keine klaren Aussagen treffen kann, bis wann sie wie viel Wasserstoff abnimmt, ist es für die Angebotsseite schwer in Anlagen zu investieren. „Gerade die Stahlindustrie spielt eine maßgebliche Rolle als großer und flexibler Abnehmer – und somit, als Nachfrage-Anker, für den Wasserstoffhochlauf“, sagt Hömann. Sie brauche aber einen berechenbaren Förderrahmen sowie wettbewerbsfähige Strom- und Wasserstoffpreise.

    Das Problem haben viele Branchen. Dabei ist der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ein Eckpfeiler der deutschen Energiewende. Wasserstoff und seine Folgeprodukte sollen vor allem da zum Einsatz kommen, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich oder nicht wirtschaftlich ist – zum Beispiel in der Stahl- oder Chemieindustrie, aber auch im Güterverkehr oder im Flugverkehr. Auch um das Stromnetz wegen der zunehmenden Schwankungen bei der Energieerzeugung mit Wind und Sonne stabil zu halten, spielt das Gas eine große Rolle: Überflüssiger erneuerbarer Strom kann in Wasserstoff verwandelt und so gespeichert werden, aber auch Gaskraftwerke, die Leistungsspitzen abfedern, sollen bald mit Wasserstoff betrieben werden.

    Die Einigung auf ein Kernnetz war ein Meilenstein

    Die Zeit drängt, und Raum für Fehler gibt es wenig. Denn der Umbau des Energiesystems ist teuer und schon jetzt ächzt die Wirtschaft unter hohen Energiepreisen. Auch beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist die Befürchtung groß, dass das Land ins Abseits gerät. Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI, sagt unserer Redaktion: „Die Sorge, dass der H2-Markthochlauf zu langsam vorangeht, hat massiv zugenommen. Die größten Hürden sind dabei nicht mangelnde Zielvorgaben in den einzelnen Sektoren, sondern eine viel zu langsame Umsetzung angekündigter staatlicher Maßnahmen, fehlende Anreize sowie hohe rechtliche und zum Teil widersprüchliche Anforderungen.“

    Die Bundesregierung steht nicht auf der Bremse. Zuletzt gab es etwa mit der Festlegung auf ein 9000 Kilometer langes Wasserstoffkernnetz wichtige Fortschritte. Das spiegelt sich auch in der Befragung wider, die vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln (EWI) im Auftrag von vier Verbänden durchgeführt wurde. In Bezug auf die Infrastruktur sehen die Marktakteure aber kaum Fortschritte, etwa beim Ausbau der dringend benötigten Speicherkapazität. Zudem wird der Stand bei der Entwicklung der Importinfrastruktur eher negativ bewertet.

    Wann Wasserstoff sich rechnet, ist offen

    Deutschland ist aber auch in Zukunft auf Energieimporte angewiesen. Die Bundesregierung rechnet mit einem Bedarf an Wasserstoff in verschiedenen Formen in Höhe von 95 bis 130 Terrawattstunden im Jahr 2030. Davon müssen wohl 50 bis 70 Prozent importiert werden. Der Anteil der Importe dürfte mit dem erwarteten Anstieg der Nachfrage sogar noch weiter steigen. Das Gas soll über Terminals an der Küste oder Pipelines ins Land kommen. Auch da gibt es noch Forschungsbedarf bezüglich der Frage, in welcher Form Wasserstoff am kostengünstigsten transportiert werden kann.

    Der Preis für Wasserstoff ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Strategie. Wolfgang Große Entrup, der Chef des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), ist auf Nachfrage sehr vorsichtig, was eine Prognose angeht: „Bis wann Wasserstoff preislich wettbewerbsfähig werden kann, ist heute seriös nicht zu beantworten. Dies hängt von vielen Faktoren ab: Verfügbarkeit, Strompreis, Infrastrukturkosten, Nachfrage.“

    Entscheidend sei nun eine größere Technologieoffenheit. Als grün gilt Wasserstoff, wenn er zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien gewonnen wird und dadurch klimaneutral ist. Blauer Wasserstoff wird durch die Spaltung von Methan erzeugt. Dabei fällt CO₂ an, das abgeschieden und gespeichert wird. „Blauer Wasserstoff ist in der Produktion auf absehbare Zeit kostengünstiger als grüner“, sagt Große Entrup. „In der Übergangsphase bis 2045 muss daher neben grünem auch blauer Wasserstoff eine klare Einsatzperspektive haben. Wenn wir Kohlendioxid einsparen wollen, sollten wir uns nicht in kleinteiligen Diskussionen über die Farbe verzetteln.“

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    1 Kommentar
    Helmut Eimiller

    Habe gestern Nacht die Sendung „Wo bleibt der grüne Wasserstoff …“ im ARD-Programm gesehen. Folgende Aussagen habe ich in Erinnerung: 1. Wasserstoff ist kein Wundermittel und fürs Heizen oder Autofahren viel zu teuer. 2. Wasserstoff wird in 10 Jahren wettbewerbsfähig sein (für Teile der Industrie) – auch aufgrund der CO2-Zertifikate. (Meine Frage: Belasten diese CO2-Zertifikate dann alle Produzenten dieser Welt gleichermaßen?) 3. Deutschland schafft es nicht alleine und hinkt weit hinterher (z. B. dauert es über Jahre bis Investoren einen Förderbescheid erhalten). 4. Wenn man europäisch produzieren will, dann ist Schottland ideal (viel Wind und viel Wasser).

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