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Was bringen die Pläne von Finanzminister Christian Lindner für die Wirtschaft?

Regierung

Was bringen Lindners Pläne für die Wirtschaft?

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    Christian Lindner ist mit einem Plan für eine „Wirtschaftswende“ vorgeprescht.
    Christian Lindner ist mit einem Plan für eine „Wirtschaftswende“ vorgeprescht. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Der Vorschlag für eine Wirtschaftswende in Deutschland von FDP-Chef Christian Lindner hat die Ampel-Koalition im Bund in eine tiefe Krise gestürzt. Zugleich aber steht fest, dass sich die Rahmenbedingungen ändern müssen, um der deutschen Wirtschaft mehr Schwung zu verleihen. Welchen Beitrag können die Vorschläge des Bundesfinanzministers leisten? Ein Check.

    1. Abschaffung des Solidaritätszuschlags und Senkung der Unternehmenssteuern

    Damit der Aufschwung in Fahrt kommt, müssen die Investitionen steigen. Gerade um die privaten Investitionen ist es aber in Deutschland schlecht bestellt. Ein Grund dafür sei die im internationalen Vergleich zu hohe Besteuerung von Firmen. Lindner schlägt vor, die Unternehmenssteuern zu senken und den Solidaritätszuschlag abzuschaffen.

    Für die Idee, Unternehmen bei der Steuer zu entlasten, gibt es Rückenwind. Ifo-Chef Clemens Fuest spricht sich bereits seit längerer Zeit für eine Reform der Unternehmenssteuern aus. Im Kreis der großen Industriestaaten stehe Deutschland mit einer Steuerlast von 29,9 Prozent an der Spitze, rechnet er in der „Frankfurter Allgemeinen“ vor. Argument des Ifo-Chefs: „Steuersenkungen verursachen zwar in der Regel kurzfristige Einnahmeausfälle für den Staat. Doch können sie die Rahmenbedingungen für Investitionen so verbessern, dass über eine stärkere und produktivere wirtschaftliche Aktivität später auch die Steuereinnahmen wachsen.“

    2. Klimaziele abschwächen und Förderung der erneuerbaren Energien reduzieren

    Mehr Zeit will sich Lindner im Klimaschutz lassen. Deutschlands Anteil an den weltweiten CO₂-Emissionen betrage nur 1,3 Prozent. „Während die EU im Jahr 2050 klimaneutral werden will, zielt Deutschland weiterhin auf Klimaneutralität schon im Jahr 2045“, kritisiert Lindner und fordert, das Ziel der Klimaneutralität hierzulande ebenfalls von 2045 auf 2050 zu verschieben. Er rät, „klimapolitische Dauersubventionen“ abzuschaffen, die Heizwende zeitlich zu strecken und die garantierten Vergütungen der erneuerbaren Energien auf Null zu senken. Der Vorstoß ruft ein geteiltes Echo hervor.

    Es sei vernünftig, weil kostensparend, Deutschland Treibhausgasneutralität von 2045 auf 2050 zu verschieben, argumentierte Manuel Frondel vom Rhein-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. Er kritisiert, dass die Photovoltaik in Deutschland stark ausgebaut wird, während Speichermöglichkeiten fehlen. Häufig - vor allem mittags - steht mehr Strom bereit als in Deutschland benötigt wird.

    Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kritisiert dagegen das Lindner-Papier scharf: „Nichts von den Lindner-Plänen zur Energiepolitik ist sinnvoll, im Gegenteil, sie sind sogar kontraproduktiv“, sagt sie unserer Redaktion. „Die Lindner-Pläne schaffen Planungs- und Versorgungsunsicherheiten und gefährden zukunftsweisende Jobs“, warnt sie. „Der Ausbau erneuerbarer Energien muss dringend beschleunigt werden, um Versorgungssicherheit zu gewähren“, so Kemfert. Zwar schreite der Ausbau der Solarenergie voran, aber der Ausbau der Windenergie müsse dringend beschleunigt werden. „Die EEG-Vergütung abzuschaffen, verunsichert Investoren, schafft Planungsunsicherheit und gefährdet die Versorgungssicherheit“, warnt sie.

    „Auch sollte Deutschland sich nicht Zeit lassen beim Klimaschutz, sondern Klimaschutz beschleunigen. Klimaschutz ist kein Hindernis, sondern der Motor für die Modernisierung der deutschen Industrie, die beispielsweise bei Elektromobilität oder Wärmepumpen dringend aufholen muss“, sagt Kemfert. „Wir benötigen mehr Tempo bei der Heiz-Wende, nicht weniger. Deutschland ist nahezu Schlusslicht in Europa, was den Einbau von Wärmepumpen angeht. Die Hersteller müssen Werke schließen, da durch Desinformation Wohnungseigentümer verunsichert wurden. So werden zukunftsweisende Jobs vernichtet.“

    3. Subventionen streichen und Bürokratie abbauen

    Es ist ein Dauerärgernis: Bürokratie. Lindner fordert deshalb ein Bürokratie-Moratorium: „Neue Gesetzesvorhaben sollten entweder ganz entfallen oder, wo dies nicht möglich ist, so ausgestaltet sein, dass Bürokratie und Regulierung durch das Vorhaben sinken und keinesfalls steigen“, schreibt er.

    In der Wirtschaft rennt er offene Türen ein: „Immer neue Berichtspflichten haben die Verwaltungskosten der Unternehmen in unverantwortliche Höhen getrieben“, sagt Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer. Tatsache ist aber auch, dass der Abbau von Bürokratie ein zähes Unterfangen ist, weil es für jedes Gesetz Gründe gibt: „Zahlreiche komplexe Gesetze spiegeln den Wunsch nach Einzelfallgerechtigkeit und hundertprozentiger Sicherheit wider“, schreibt der Normenkontrollrat.

    4. Die Anreize zum Arbeiten stärken

    Lindner schlägt vor, die Arbeitsanreize zu stärken. „Das Zusammenspiel von Bürgergeld, Kosten der Unterkunft, Wohngeld und Kinderzuschlag führt bei vielen Haushaltskonstellationen dazu, dass sich die Aufnahme oder Ausweitung von Arbeit monetär nicht lohnt“, sagt er. Er schlägt eine Reform und einen flexiblen Renteneintritt vor.

    Dass die Anreize für Arbeit steigen müssen, sagt auch Ifo-Chef Fuest: „Das Problem besteht darin, dass sich nicht nur beim Bürgergeld, sondern auch bei kleineren und mittleren Einkommen Mehrarbeit kaum lohnt, weil dabei steigende Zuschüsse wie Wohngeld oder der Kinderzuschlag wegfallen“, sagte er unlängst unserer Redaktion und nannte das Beispiel einer Familie mit zwei Kindern in einer Stadt mit hohen Mieten wie München. Wenn das Einkommen der Familie durch Mehrarbeit einen Sprung von 3000 auf 5000 Euro brutto im Monat macht, blieben unter dem Strich nur 32 Euro netto übrig.

    Andere Fachleute halten dagegen, dass das Bürgergeld nicht zu hoch sei: „Der ,massive‘ Anstieg für das Jahr 2023 gleicht lediglich den Preisanstieg aus, denn im Jahr 2022 lagen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Jahr 2005 um 35 Prozent höher, die Regelbedarfe jedoch nur um 30 Prozent“, schreibt zum Beispiel die Bielefelder Professorin Jutta Schmitz-Kießler.

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