Die Wahlsiegerin macht sich rar. Am Montag und Dienstag tauchte Giorgia Meloni überhaupt nicht in der Öffentlichkeit auf. Die ganze Welt will von der 45-jährigen Römerin wissen, wie es nach der Parlamentswahl am Sonntag in Italien weitergeht. Welches sind die ersten Projekte der erst noch zu bildenden neuen Rechts-Regierung unter Führung der „Brüder Italiens“ (FdI)? Wer bekommt welchen Posten? Antworten gibt es noch keine. Dafür kam am Mittwoch immerhin eine gute Nachricht aus Brüssel nach Rom. Die zweite, 21 Milliarden Euro schwere Tranche der Finanzhilfen aus dem Next Generation Fonds der EU ist genehmigt. Italien bekommt einen weiteren Teil der von der EU-Kommission bereitgestellten, über 190 Milliarden Euro Corona-Hilfen.
Die Regierung von Mario Draghi hatte den von der Kommission genehmigten Plan für die Mittelverwendung 2021 ausgehandelt. Im Wahlkampf hatte die designierte neue Ministerpräsidentin Neuverhandlungen der Bedingungen mit Brüssel gefordert. Jetzt schweigt Meloni eisern. Und das Geld aus Brüssel fließt. Das ist eine gute Nachricht für Italien und für die kommende Rechts-Regierung. Wie die neue Exekutive es mit dem Erreichen der mit Brüssel vereinbarten weiteren Ziele halten wird, um an die künftigen Tranchen zu kommen, ist nicht bekannt. Möglicherweise wird das Wahlkampf-getöse sich aber rasch als solches herausstellen, denn Meloni und ihre rechtsnationale Partei haben ganz andere Sorgen.
Das Budget muss nach der Wahl in Italien beschlossen werden
Bis Ende Dezember muss das Haushaltsgesetz 2023 verabschiedet werden, die Regierung mit Lega und Forza Italia dürfte aber erst im November vereidigt werden. Die Zeit zur Planung des Haushalts 2023 ist also extrem knapp. Zudem sind die Konjunkturaussichten schlecht. Soeben hat die amtierende Regierung die Wachstumsprognose stark gedrosselt. Statt 2,3 Prozent im kommenden Jahr rechnen Draghis Leute nur noch mit 0,5 Prozent Wachstum. Die Ratingagenturen Fitch (– 0,7 Prozent) und Standard & Poor’s (– 0,1 Prozent) sagen gar eine Rezession für Italien voraus.
Das drastische Abbremsen der Wirtschaft wirkt sich auch auf die Politik der neuen Regierung aus. Die Steuereinnahmen werden geringer als geplant ausfallen, das Defizit steigt. Die Rechts-Allianz um die Brüder Italiens versprach im Wahlkampf allerdings Steuersenkungen für Familien, Unternehmen und Selbstständige. Die Lega stellte sogar einen allgemeinen Niedrigsteuersatz von 15 Prozent in Aussicht. Meloni will zudem die Mindestrenten erhöhen. Alles in allem machte sie Versprechungen in Höhe von 80 Milliarden Euro. Lega-Chef Matteo Salvini forderte im Wahlkampf vehement, ein aus Schulden finanziertes neues Hilfspaket in Höhe von 30 Milliarden Euro für von der Energiekrise betroffene Familien und Unternehmen zu schnüren. Jetzt wacht Italien aus seinen Träumen aus.
Wer wird der neue italienische Finanzminister?
Was wirklich finanziert werden kann, steht in den Sternen. „Wir haben fünf Jahre Zeit, um unser Programm zu verwirklichen, es ist nicht das Buch der unmöglichen Träume“, sagte FdI-Politiker Luca Ciriani am Montag. „Vorrangig geht es jetzt aber darum, die Strom- und Gasrechnungen von Unternehmen und Familien zu begleichen.“
Die Analysten an den Finanzmärkten beobachten Meloni mit Argusaugen. Positiv bewertet werden die klaren Mehrheitsverhältnisse, die Stabilität garantieren könnten, und die geplante unternehmerfreundliche Politik. Wenn die neue Regierung den hohen Schuldenstand weiter erhöht, könnte der erste Kredit schnell wieder verspielt sein. Ein wichtiges Signal wird nun die Ernennung des neuen Finanzministers sein. Wie es heißt, will Meloni eine euro-freundliche Figur für diese Aufgabe nominieren.