Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

VW: Volkswagen-Chef Herbert Diess muss seine Macht teilen

VW

Volkswagen-Chef Herbert Diess muss seine Macht teilen

    • |
    VW-Chef Herbert Diess schaut auf das Autowerk in Wolfsburg. Der Bayer hatte Sorgen um die Zukunft des Standortes geäußert.
    VW-Chef Herbert Diess schaut auf das Autowerk in Wolfsburg. Der Bayer hatte Sorgen um die Zukunft des Standortes geäußert. Foto: Carsten Koall, dpa

    Eine starke Frau hat Volkswagen-Boss Herbert Diess seine Grenzen aufgezeigt. Nachdem der Manager über einen Arbeitsplatzabbau von bis zu 35.000 Stellen spekulierte, ohne das Thema zuvor mit der Arbeitnehmerseite besprochen zu haben, biss er bei der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Daniela Cavallo auf Granit. Die Arbeitnehmervertreterin kritisierte den 63-Jährigen derart heftig, wie das der Münchner nicht erwartet hatte: „Wenn Sie beim Wandel immer an erster Stelle über einen Arbeitsplatzabbau sprechen, ist das ziemlich traurig.“ Die 46-Jährige nannte die von Diess in die Welt gesetzte Zahl von auf der Kippe stehenden Jobs schlicht „inhaltlichen Unfug“.

    Daniela Cavallo ist die Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG.
    Daniela Cavallo ist die Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG. Foto: Swen Pförtner, dpa

    So kommt die Tochter eines aus Italien nach Wolfsburg zu VW gekommenen Bandarbeiters zum Schluss: „Hier ist kein Mensch zu viel an Bord.“ Die Gegenwehr des in Wolfsburg bärenstarken Betriebsrats fiel derart heftig aus, dass es zeitweise schien, Diess habe zum letzten Mal bei VW den Chef-Provokateur gegeben. Doch hinter den Kulissen wurde der Vermittlungsturbo eingeschaltet. Dabei spielte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch mit seinen diplomatischen Fähigkeiten und seiner Lebenserfahrung eine wichtige Rolle. Dem 70-Jährigen und anderen ausgleichenden Volkswagen-Machtträgern gelang es, das Zerwürfnis zwischen Diess und Cavallo zumindest mit dicken Pflastern zu behandeln.

    VW-Werk in Wolfsburg wird gestärkt

    Seit der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag steht fest, dass der Volkswagen-Chef im Amt bleiben darf. Bei einer Pressekonferenz wurde er direkt neben der Betriebsratsvorsitzenden platziert, die mit ihm in den Ring gestiegen und aus dem Kampf als Siegerin hervorgegangen ist. Denn von einer Stellen-Streichorgie, wie sie Diess nicht ausschließen wollte, ist nicht mehr die Rede. Im Gegenteil: Pötsch, Diess und Cavallo berichten in großer Einigkeit von erheblichen Zusatz-Investitionen: Im Großraum Wolfsburg entsteht nicht nur ein neues Elektroauto-Werk, also eine Art Kampfansage an die Tesla-Fabrik bei Berlin. Überdies wird das große Stammwerk in Wolfsburg entgegen bisheriger Planungen mit der Produktion des kompakten Elektroautos ID.3 bedacht, was Beschäftigung sichert und ein Sieg für Cavallo ist. Auch kann sie es sich als Erfolg zurechnen, dass allein rund 21 Milliarden der nun beschlossenen gesamten Investitionssumme von etwa 159 Milliarden Euro in niedersächsische Werke fließen. Dem Betriebsrat und dem Land Niedersachsen als VW-Aktionär ist es wieder einmal gelungen, sich in Standort- und Arbeitsplatzfragen durchzusetzen.

    Diess muss seine Macht teilen

    Dabei darf Diess zwar bleiben, er muss sich die Macht in einem nun erweiterten Konzernvorstand allerdings teilen – und das auch mit zwei hoch gehandelten Frauen: Audi-Vertriebsvorständin Hildegard Wortmann, die in Ingolstadt kräftig Gas gegeben hat, wird zusätzlich zu ihrer bisherigen Funktion ihr Thema auch im VW-Konzernvorstand verantworten, ein weiterer Karriereschritt für die 55-Jährige. Als zweite Frau zieht Hauke Stars, 54, einst Mitglied des Vorstands der Deutschen Börse, in das oberste Führungsgremium ein und übernimmt das IT-Ressort.

    Um das zuletzt schwächelnde China-Geschäft kümmert sich Ralf Brandstätter, 53. Und Skoda-Chef Thomas Schäfer, 51, wird zur Marke VW wechseln und dann in den Konzernvorstand einrücken. Die Volkswagen-Großaktionäre aus den Reihen der Familien Porsche und Piëch stellen Diess starke Frauen und Männer zur Seite, was den VW-Boss zu der Einschätzung animierte: „Ich kann in der neuen Organisation noch wirkungsvoller sein.“ Doch auch eine andere Interpretation ist denkbar: Die Volkswagen-Eigner haben für den Fall vorgesorgt, dass Diess wieder der Provokationslust verfällt und erneut mit der Betriebsratsvorsitzenden Cavallo aneinandergerät.

    Jede Menge Kronprinzen bei Volkswagen

    Dann gibt es innerhalb des VW-Konzerns neben den bisherigen Diess-Kronprinzen Oliver Blume, 53, (Porsche-Chef) und Markus Duesmann, 52, (Audi-Boss) mit Brandstätter und Schäfer weitere Kandidaten, inzwischen auch Kandidatinnen. Soweit wollen von unserer Redaktion befragte führende Auto-Experten der Republik nicht gehen. Sie halten große Stücke auf Diess. Professor Stefan Reindl lobt seinen „konsequenten Umbau des Konzerns hin zu E-Mobilität und Digitalisierung“. Es wäre ungeschickt, ihn jetzt auszutauschen. Professor Ferdinand Dudenhöffer meint gar: „Diess macht es hervorragend.“ Auto-Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler glaubt zwar, der VW-Chef sei nicht der „sozialverträglichste Manager“. Dennoch lag er mit seinem Tipp vor der Aufsichtsratssitzung richtig, dass Diess bleiben dürfe. Pieper sah die Chancen dafür „bei 60:40“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden