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Volkswagen: Warum VW-Chef Herbert Diess abgelöst wird

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Warum VW-Chef Herbert Diess abgelöst wird

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    Wird ab September nicht mehr VW-Boss sein, aber bleibt bis 2025 als Berater im Unternehmen, wie aus Konzernkreisen zu erfahren war: Herbert Diess.
    Wird ab September nicht mehr VW-Boss sein, aber bleibt bis 2025 als Berater im Unternehmen, wie aus Konzernkreisen zu erfahren war: Herbert Diess. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Vom Cariad-Büro auf dem Ingolstädter IN-Campus hat man im fünften Stock des Projekthauses einen perfekten Blick auf die frisch sanierte Industrie-Brache der ehemaligen Bayernoil-Raffinerie. Der Technologiepark, wo die mit sehr viel Software ausgestatteten Autos der Zukunft, entscheidend weiterentwickelt werden sollen, ist noch im Werden. Hier ist sehr viel Bauplatz, um sich auszubreiten und zu wachsen. Entscheidend abhängen wird das auch von der Arbeit, die Cariad leistet.

    Die VW-Softwaresparte war zuletzt viel in den Schlagzeilen, weil es dort knirscht. Zuletzt wieder am Freitagabend, als sich die insgesamt nicht unbedingt überraschende, in dem Moment aber doch plötzlich daherkommende Nachricht verbreitete: Der umtriebige Vorstandsvorsitzende Herbert Diess tritt ab und es folgt zum 1. September der als besonnener geltende Porsche-Chef Oliver Blume. Ein Grund für das vorzeitige Ende des 2015 von BMW zu Volkswagen gewechselten Topmanagers Diess: die Softwareschmiede.

    Was Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sagt

    So sieht es zumindest Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer. Er sagt: „Cariad hat wohl zu viele Probleme und Herausforderungen für den VW-Konzern und die einzelnen Marken gebracht. Verpasste Produktionsanläufe und Software-Probleme haben viel Geld gekostet.“

    Bei der Software sieht Dudenhöffer folglich auch den Ansatzpunkt für einen Strategiewechsel Blumes, wie der Duisburger Professor im Gespräch mit unserer Redaktion sagte: „Cariad bleibt nicht so wie es war. Der Plan, alles eigenständig und zentral zu machen, dürfte überdacht werden. Kooperationen und die einzelnen Marken werden wichtiger werden.“

    Ob man da ein zentrales VW-Konzern- Betriebssystem (OS) für die Fahrzeuge aller Marken haben werde, scheint dem Direktor des Center Automotive Research (CAR) eher weniger realistisch: „Die Fehlschläge bei der Einheitslösung, die Widerstände bei den einzelnen Marken werden nach meiner Einschätzung zu einem generellen Überdenken führen. Wie die Rolle von Cariad in der Zukunft sein wird, ist unklar. Die Software ist Blumes größte und wichtigste Aufgabe.“

    Kurzfristig hat Blume aber ein ganz anderes Problem: Konnte der Porsche-Chef dank eines guten Drahtes zu FDP-Chef Christian Lindner Einfluss auf Entscheidungen der Ampel-Koalition nehmen? Oder hat der erfolgsverwöhnte Manager, auf einer Betriebsversammlung Ende Juni einfach nur ein bisschen angegeben, als er über Entscheidungsprozesse zur Zukunft des Verbrennermotors berichtete?

    Diese Fragen waren vergangene Woche aufgekommen. Klar ist: Glücklich über seine Äußerungen ist Blume heute nicht mehr. Nach einiger Aufregung hat sich der Porsche-Chef am Wochenende dafür entschuldigt. Er habe in einer firmeninternen Veranstaltung in Bezug auf Kontakte zum Thema synthetische Kraftstoffe „falsche Worte“ gewählt, sagte der 54-Jährige der Bild am Sonntag. „Dadurch ist ein falscher Eindruck entstanden. Das tut mir leid.“ Die FDP hatte die Darstellung eines engen Austausches zwischen Blume und Parteichef Lindner bereits zuvor klar zurückgewiesen.

    Auslöser war ein Bericht des ZDF-Satiremagazins "Die Anstalt"

    Dass Manager und Politiker miteinander sprechen, ist nichts Ungewöhnliches. Dass ein Manager danach intern darüber berichtet und vielleicht sogar ein bisschen mit seinem Einfluss prahlt, auch nicht. Dass sich ein Firmenchef Wochen später öffentlich für seine Wortwahl entschuldigt, hat Seltenheitswert. Blumes Entschuldigung dürfte auch damit zu tun haben, wie stark Finanzminister Lindner – selbst Porsche-Fahrer – deswegen in die Kritik geraten ist.

    Auslöser war ein Bericht des ZDF-Satiremagazins „Die Anstalt“ vom Dienstag, in dem Äußerungen Blumes bei einer Betriebsversammlung am 29. Juni wiedergegeben wurden. Demnach soll der Chef vor Mitarbeitern gesagt haben, dass Porsche „sehr großen Anteil“ daran gehabt habe, dass eine weitere Nutzung von synthetisch hergestellten E-Fuels für Verbrennungsmotoren „in den Koalitionsvertrag miteingeflossen“ sei. „Da sind wir Haupttreiber gewesen, mit ganz engem Kontakt an die Koalitionsparteien. Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten“, wurde Blume vom ZDF zitiert.

    Diskussion in der Ampel-Regierung zum Verbrenner

    Ende Juni hatte es innerhalb der Ampelkoalition Streit über ein Verbot für die Neuzulassung von Verbrennerautos ab 2035 auf EU-Ebene gegeben. Lindner lehnte das Verbot ab. In den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2021 hatte sich die Ampel darauf geeinigt, Neuzulassungen für Verbrennermotoren ab 2035 zu verbieten – für Autos, die nur mit E-Fuels betrieben werden können, sollte es aber eine Ausnahme geben.

    Ein FDP-Sprecher erklärte am Samstag, Lindners Position zu E-Fuels sei „seit Jahren bekannt“ und stamme noch aus der Zeit der FDP in der Opposition. Es habe „im Oktober 2021 lediglich ein kurzes Telefonat zwischen Herrn Blume und Herrn Lindner zu Fragen der Verwendung von E-Fuels“ gegeben. Solche Gespräche hätten auch die übrigen Verhandler der Koalitionspartner geführt. Mit Blick auf Lindners Vorgehen Ende Juni erklärte die FDP, dass es vor dieser Entscheidung „keinerlei Kontakt in der Sache mit Herrn Blume und auch danach keinerlei Versuch einer Einflussnahme auf die lange bestehende Position von Herrn Lindner gegeben“ habe.

    Die Erklärungen folgten auf turbulente Tage. Nach Ausstrahlung der ZDF-Sendung hatte es auf Twitter Tausende Posts mit dem Hashtag „LindnerRücktritt“, teilweise auch mit „PorscheGate“ gegeben. Das ZDF teilte mit, für Blumes Äußerungen gebe es verifizierte Belege. Diese lagen dpa nicht vor.

    Porsche sagt: "Der Austausch hat so nicht stattgefunden"

    Am Freitag erklärte ein Porsche-Sprecher, den fraglichen Austausch habe es „so nicht gegeben“. Am Samstag zeigte man sich bei Porsche zerknirscht. „Im Rahmen einer internen Veranstaltung im Juni ist überspitzt formuliert worden, dafür entschuldigen wir uns“, so ein Sprecher. „Die Wortwahl entspricht nicht den Tatsachen. Der Austausch hat so nicht stattgefunden und es gab keine Einflussnahme.“ Zur genauen Wortwahl Blumes machte der Sprecher keine Angaben. Schließlich: die Entschuldigung Blumes persönlich. (mit dpa)

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