Volkswagen, lange Zeit ein Synonym für wirtschaftliche Stabilität und hohe Renditen, gerät 2024 ins Wanken. Die sogenannte Friedenspflicht, während der Streiks untersagt sind, lief am Samstag um Mitternacht aus. Ab dem heutigen Montag (2. Dezember) ruft die IG Metall in neun von zehn VW-Werken in Deutschland zu Arbeitsniederlegungen auf, um den Druck auf den kriselnden Autobauer zu erhöhen.
Um 9.30 Uhr morgens begann der Warnstreik bei Volkswagen: Zuerst legten nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im Zwickauer Werk erste Mitarbeiter die Arbeit nieder und machten sich auf den Weg zu einer geplanten Kundgebung. Es folgten weitere deutsche VW-Standorte, darunter das Stammwerk in Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Emden und Chemnitz.
VW wird mit flächendeckenden Streiks der IG Metall konfrontiert
Mit flächendeckenden Warnstreiks mobilisiert die Gewerkschaft gegen die geplanten Sparmaßnahmen von Volkswagen. „In allen Werken wird die Produktion temporär auf Eis liegen“, erklärte Thorsten Gröger, Verhandlungsführer der IG Metall. Er kündigte einen der härtesten Tarifkonflikte in der Geschichte des Wolfsburger Konzerns an. Betroffen sind rund 120.000 Beschäftigte der Volkswagen AG sowie 10.000 Mitarbeiter bei VW Sachsen.
Die IG Metall forderte in den Tarifverhandlungen ursprünglich eine Lohnerhöhung von sieben Prozent, das ist jedoch mittlerweile vom Tisch: Volkswagen hingegen lehnt nicht nur jegliche Erhöhung ab, sondern fordert angesichts der schwierigen Marktlage stattdessen eine Lohnkürzung von zehn Prozent. Zusätzlich stehen Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen zur Debatte. Besonders die Zukunft der Werke in Dresden und Osnabrück ist offenbar ungewiss.
Hohe Produktionskosten und geringe Auslastung: Volkswagen unter Druck
Der Hintergrund des Konflikts ist ein verändertes Marktumfeld: Besonders in China, dem wichtigsten Absatzmarkt, verzeichnet Volkswagen Rückgänge – sowohl bei der Kernmarke VW als auch bei Töchtern wie Audi und Porsche. Hinzu kommen traditionell hohe Produktionskosten in Deutschland und eine geringe Auslastung der Werke. Laut VW fehlen dem Konzern in Europa rund 500.000 Fahrzeuge, um die Kapazitäten optimal zu nutzen. Dies entspreche etwa zwei Fertigungsstandorten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, droht die Schließung.
Ein Vergleich bietet der weltgrößte Autobauer Toyota, der mit etwas mehr als halb so vielen Mitarbeitern mehr Absatz und eine bessere Rendite erwirtschaftet. Der Betriebsrat von VW schlägt dennoch Alarm, angesichts der drohenden Arbeitsplatzverluste: Mindestens drei Werke und Zehntausende Arbeitsplätze seien bedroht. Volkswagen begründet die geplanten Einsparungen mit einem zusätzlichen Einsparziel von fünf Milliarden Euro. Ein Gegenvorschlag der IG Metall, der Einsparungen ohne Personalabbau vorsieht, wird von Volkswagen abgelehnt. Der Stellenabbau könnte stattdessen Zehntausende betreffen.
IG Metall läutete Streiks mit symbolischem Protest ein
Die IG Metall inszenierte den Beginn der Arbeitskämpfe bei VW am Samstagabend mit einer symbolträchtigen Aktion: In Wolfsburg läuteten Gewerkschafter Glocken in Sichtweite der Konzernzentrale, begleitet von Bengalfeuern in Zwickau. Hunderte Menschen versammelten sich „bei Punsch und Bratwurst vor den Werkstoren“, um ihre Streikbereitschaft zu demonstrieren.
Die Reaktion der Konzernzentrale ist eine spannende Frage: Zahlreiche Neuwagen stehen mangels Absatz auf Halde. Die Streiks treffen also auf eine schwache Auslastung der Produktion. Volkswagen selbst versucht, die Auswirkungen der Arbeitsniederlegungen so gering wie möglich zu halten und betont den Wunsch nach einem konstruktiven Dialog. Am 9. Dezember steht die nächste Tarifrunde an.
Der Konflikt offenbart die tiefgreifenden Probleme des Konzerns: hohe Kostenstrukturen, schwache Nachfrage und der Druck, sich unter veränderten Marktbedingungen auf wichtigen Absatzmärkten neu zu positionieren. Die Krise in der deutschen Autobranche wirkt sich längst auch auf die Region Augsburg aus.
Ob ein Streik in der derzeitigen Situation der Autoindustrie, insbesondere bei VW, die richtige Wahl der Mittel ist darf angezweifelt werden. Auch unter dem Gesichtspunkt, daß eine Arbeitsniederlegung bei schwacher Nachfrage nicht unbedingt den gewünschten Effekt erzielen könnte.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden