Kapitalisten haben es nicht immer leicht, macht doch Geld allein nicht glücklich. Das lässt sich von jeher in den Kreisen der Volkswagen-Großanteilseigner, also bei den Familien Porsche und Piëch studieren. Obwohl die beiden VW-Stämme milliardenschwer sind und innerhalb des VW-Konzerns dank dicker Aktienpakete zusammen als bei weitem größter Aktionär selbstbewusst auftreten, können sie in Wolfsburg nicht durchregieren.
Bei allen grundsätzlichen Entscheidungen müssen sich die in Salzburg und rund um den südlich davon gelegenen Zeller See, zum Teil in München ansässigen Volkswagen-Clans mit der niedersächsischen Politik und der Gewerkschaft IG Metall verständigen. Den nach ihrem Naturell her auf Freiheit und Durchsetzungswillen gepolten Unternehmerinnen und Unternehmern behagt eine solche Einschränkung ihrer Beinfreiheit immer weniger.
Es geht wie beim FC Bayern zu
Bei den Piëchs und Porsches geht es nicht anders zu als beim FC Bayern: Sie lassen sich nicht gerne von Norddeutschen die Lederhosen ausziehen. Auch deswegen haben die Eigner mit dem früheren BMW-Vorstand und Münchner Herbert Diess einen Mann für die VW-Spitze verpflichtet, der dank seiner rustikalen Methode „Management by Provokation“ dafür bekannt ist, dass seine Lederhose bombenfest sitzt und er lieber anderen das robuste Kleidungsstück entwendet.
Doch die süddeutsch-österreichische Attacke auf die von Gewerkschaft und SPD maximal mitbestimmte Auto-Festung Wolfsburg ging bisher in die Hose. Diess hat die Träger seiner Lederhose allzu sehr schnalzen lassen, indem er am Ende einer Aufsichtsratssitzung die Arbeitnehmerseite mit der Drohung konfrontierte, in Wolfsburg könnten bis zu 35.000 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. Ihm wurde darauf – wie es in Gewerkschaftskreisen heißt – erneut die Gelbe Karte gezeigt, die nun dunkelgelb und an den Rändern schon erkennbar rot sei. Mancher IG-Metaller meint: „Diess wirkt, als ob er um die Rote Karte, also den Rauswurf, bettelt.“
Wie geht es für VW-Chef Diess weiter?
So weit ist es nach Informationen unserer Redaktion aus VW-Kreisen nicht. Vor der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag hieß es vielmehr aus mehreren Quellen: Wenn auch die Befugnisse des VW-Zampanos eingeschränkt werden könnten, sei die Chance doch groß, dass die Piëchs und Porsches an ihm festhalten. Nach einer internen Standpauke und der dringlichen Ermahnung zu stilvollerem und einfühlsamerem Auftreten gegenüber der Belegschaft, könnte Diess, 63, VW weiter elektrisch und digital umbauen.
Die Gnade der österreichischen VW-Granden hängt wohl auch mit strategischen Überlegungen der Sippen zusammen. Die Piëchs und Porsches wirken der Gegenwehr des Landes Niedersachsen als VW-Aktionär mit Sperrminorität müde. So kann Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Clans immer dann auflaufen lassen, wenn es um Arbeitsplätze in dem norddeutschen Bundesland geht. Im Zusammenspiel mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitnehmerschaft hat Niedersachsen eine Mehrheit im VW-Aufsichtsrat. Das ging schon dem einstigen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch gegen den Strich, er verstand es aber in seiner Rolle als Chef des Unternehmens weitaus geschickter, den mächtigen Betriebsrat und das Land für sich einzunehmen. Doch Piëch ist 2019 gestorben. Seine Nachfahren und die Porsche-Familienmitglieder scheinen sich weniger raffiniert die Bälle mit der IG Metall hin- und herzuschieben.
Insofern könnte ein schon länger bestehender, aber immer mal wieder verbrannt wirkender Plan mit dem Geheimnamen Phönix aus der Asche auferstehen. Demnach würden sich die VW-Sippen, nachdem sie es müde sind, in Wolfsburg nicht voll herrschen zu können, von einem kleineren Teil ihrer vielen Volkswagen-Aktien trennen. Was charmant ist: Mit den so eingenommenen Milliarden ließe sich im Zuge eines Börsengangs der heutigen VW-Marke Porsche die volle Kontrolle über den Stuttgarter Spezialisten für sportliche Autos und satte Renditen erobern. Dann müssten sich die Volkswagen-Großaktionäre bei Porsche nicht wie bei VW mit Politikern wie Weil herumschlagen, die im Zweifel für ihre Wiederwahl und damit den Erhalt aller Standorte und Arbeitsplätze des Konzerns stürmen. Wenn der Autobauer Porsche und nicht nur die gleichnamige Holding Porsche SE, in der die Familien unter anderem ihre VW-Anteile gebündelt haben, an der Börse notiert wäre, hätte das einen satten Mehrwert für die Milliardäre.
Wolfgang Porsche könnte einen großen Erfolg erzielen
Die Porsches und Piëchs wären dann nicht nur im Besitz eines Spielfelds, auf dem man befreiter laufen kann und auf dem sich Bockigkeiten aus dem VW-Lager der Politik und der Arbeitnehmerschaft vergessen lassen, ein solches Manöver hätte auch eine emotionale Komponente: Es dürfte nach dem Geschmack von Wolfgang Porsche, 78, sein, das Erbe seines Großvaters und Firmengründers Ferdinand Porsche zu wahren und den Sportwagenbauer wieder fest in Familienhand zu holen. Nachdem der abenteuerliche Versuch, sich der viel größeren Volkswagen AG zu bemächtigen, auf der Zielgeraden donnernd scheiterte, wäre das ein später Triumph „WoPo’s“, wie er genannt wird.
Glückt die Aktion, hätten er und die Seinen bei Porsche die Lederhosen an, was mit einem Zugewinn an Reichtum für sie verbunden wäre: An der Börse würde die elektrisch stark aufholende Porsche AG hoch gehandelt. Deutschland hätte eine Art Tesla. Diess, ist zu hören, behagen solche von Spielern am Kapitalmarkt gestreuten Pläne nicht. Kein Wunder, hätte VW doch nicht mehr den Zugriff auf die Gewinnmaschine „Porsche“ und wäre selbst an der Börse wohl weniger wert. Daher ist es noch ungewiss, ob Porsche wirklich an den Aktienmarkt rauscht.