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Volkswagen: Abgas-Skandal: Als Rupert Stadler "kreidebleich" wurde

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Abgas-Skandal: Als Rupert Stadler "kreidebleich" wurde

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    Ex-Audi-Chef Rupert Stadler steht vor Gericht.
    Ex-Audi-Chef Rupert Stadler steht vor Gericht. Foto: Christof Stache, dpa

    „Fassungslos“ sei Rupert Stadler gewesen, als sich in jener durchaus heiklen Sitzung des Audi-Vorstands vom 16. November 2015 herausstellte, dass die VW-Tochter offenbar doch ein Problem mit Dieselmotoren hatte. Bis dahin, so schilderte es am Mittwoch vor dem Landgericht München II ein früherer Audi-Jurist, habe sich Stadler wochenlang dafür starkgemacht, dass

    Stadler hat es noch immer. Er ist vor Gericht, weil die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass er spätestens seit dem 24. September 2015 gewusst habe, dass auch auf dem europäischen Markt Audi-Dieselmotoren von Manipulationen betroffen waren oder jedenfalls sein könnten. Und sie wirft ihm vor, den Verkauf betroffener Autos – in Europa – nicht verhindert zu haben. Stadler bestreitet die Vorwürfe vehement.

    Es geht um Betrug, mittelbare Falschbeurkundung und strafbare Werbung

    Mit ihm sind angeklagt die – teilweise geständigen – Ingenieure Giovanni P. und Henning L. sowie der – die Vorwürfe ebenfalls bestreitende – ehemalige Chef der Audi-Motorenentwicklung, Wolfgang Hatz. Alle müssen sich wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung und strafbarer Werbung verantworten. Die drei Ingenieure P., L. und Hatz sollen zusammen dafür gesorgt haben, dass ab 2009 verkaufte Dieselmotoren die Grenzwerte mit Schummel-Software auf dem Prüfstand einhalten, auf der Straße aber mehr Abgase hinten rauskommen als erlaubt. Es geht dabei laut Anklage um mehrere hunderttausend Autos, die auf dem nordamerikanischen Markt und in Europa ihre Käufer fanden.

    Anders als den Ingenieuren wird Stadler nicht vorgeworfen, die Schummel-Software in Auftrag gegeben und forciert zu haben. Er soll es unterlassen haben, den Verkauf manipulierter Autos zu verhindern. Für das Gericht ist es also zentral zu wissen, ab wann er – gegebenenfalls – tatsächlich Bescheid wusste. Darum kreist die 5. Strafkammer unter Vorsitz von Stefan Weickert in den jüngsten Prozesstagen mehr und mehr. Während es nach Auftakt des Riesenverfahrens im September 2020 lange Zeit sehr technisch zuging und die Tage im Hochsicherheitssaal der JVA München-Stadelheim einer Motorenkunde für Interessierte und Fortgeschrittene glichen, stand bei den vergangenen Prozesstagen die Rolle des Vorstandes, und damit die des früheren Vorstandsvorsitzenden Stadler, im Zentrum des Interesses.

    Gesamtbetriebsratsvorsitzender Peter Mosch sprach als Zeuge von "großer Aufregung"

    Am Dienstag hatte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Mosch bereits die „große Aufregung“ geschildert, die in Ingolstadt geherrscht habe, als man im Spätsommer und Herbst 2015 gewahr wurde, dass nicht nur die Konzernmutter VW, sondern eben auch Audi eine „Diesel-Thematik“ habe, zugleich aber unklar gewesen sei, ob man „das heilen“ könne.

    Aufklärung, darum sei es dann gegangen. So stellte es nicht nur Mosch, sondern eben auch der frühere Audi-Jurist dar. Auch er betonte: Als klar wurde, dass es nicht nur um in den USA verkaufte Autos, sondern auch um den europäischen Markt ging, sei das „ein Einschlag“ gewesen. Bis dahin sei man davon ausgegangen, „nicht betroffen“ zu sein. Stadler habe dann appelliert, bei der Aufklärung zu helfen.

    Richter: Hat sich die Audi-Spitze in ein "Informationskoma" begeben?

    Stadler – so sagte es der Ex-Jurist – habe er als einen Menschen kennengelernt, der „sehr verantwortungsbewusst“ mit den Mitarbeitern umgehe. Der Ex-Audi-Chef habe sich daher mit dem fraglichen (und dann beurlaubten) Techniker, der in jener Vorstandssitzung vom 16. November das Diesel-Problem einräumte, zwei Wochen später in einer Konzernloge des leeren

    In der über Stunden dauernden Befragung des Ex-Juristen wurden am Mittwoch viele Puzzlesteinchen – Anwesenheitslisten, Notizen, Protokoll-Auszüge, Schriftstücke, Papiere diverser (Aufklärungs-)Gremien – angefasst, aber bis ein Gesamtbild der mutmaßlichen Verantwortlichkeit gerichtsfest zusammengesetzt ist, wird es wohl noch brauchen. Einer der Richter hakte irgendwann etwas spitz nach, ob sich die Audi-Spitze denn in ein „Informationskoma“ begeben habe. Der Vorstand, so erwiderte der Zeuge, habe „Greifbares“, „gesicherte Ergebnisse“ gewollt. Was wohl nicht immer leicht gewesen sei, denn die von den Motoren-Entwicklern dem obersten Management vorgelegten Infos seien zum Teil sehr komplex gewesen. Der Ex-Jurist sagte es so: „Es ist brutal für Nicht-Techniker, so etwas zu verstehen.“ Stadler, selbst kein Ingenieur, nickte an dieser Stelle auf der Anklagebank sehr zustimmend.

    Einer pikanter Telefonmitschnitt wurde vor Gericht abgespielt

    Einen Eindruck zwischenmenschlicher Tonalität in verschärfter Drucksituation gab das Vorspielen eines Mitschnitts der Telefonüberwachung Stadlers. Diesen Mitschnitt von Mitte Juni 2018 als Beweismittel einzuführen, hatten die Anwälte des angeklagten Ingenieurs P. – deren Linie ist, dass ihr Mandant auf Weisung von oben gehandelt habe – beantragt. Die Verteidigung Stadlers hatte den Antrag beanstandet, das Gericht aber ließ die Aufnahme abspielen. Darin bespricht sich der als Zeuge befragte Ex-Jurist mit Stadler. Es fallen Sätze, dass man sich den bereits erwähnten früheren Techniker und P. „vorknöpfen“ wolle, die einen „angepinkelt“ hätten. Beide werden ferner „Pinkelbrüder“ geheißen. Einen Tag zuvor war Stadlers Haus durchsucht worden. Der Ex-Jurist stärkte, so war weiter zu hören, Stadler den Rücken. Er habe nun schon so lange durchgehalten. Er verwies auf den früheren Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen, der angeklagt, aber dann freigesprochen wurde.

    Auf Nachfrage von P.´s Anwälten vor Gericht sagte der Ex-Jurist zur Wortwahl, dass sich – nach drei Jahren im Abgas-Skandal – ein „gewisser“ Frust bei dem einen oder anderen eingestellt habe. Wie das Gericht den Beweisantrag wertet, bleibt abzuwarten. Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt.

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