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Vertical Farming: Wächst die Landwirtschaft bald in die Höhe?

Vertical Farming

Wächst die Landwirtschaft bald in die Höhe?

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    Vertical Farming gibt es auch im großen Maßstab, hier in einem früheren Bunker in Großbritannien, in dem heute Kräuter gezogen werden.
    Vertical Farming gibt es auch im großen Maßstab, hier in einem früheren Bunker in Großbritannien, in dem heute Kräuter gezogen werden. Foto: Fabian Wegener, dpa (Symbolbild)

    Unwetter, Hagel, aber auch extreme Hitze stellen die Landwirtschaft in diesem Jahr vor besondere Herausforderungen. Wäre es da nicht eine attraktive Lösung, die Pflanzen könnten in einer geschützten Umgebung aufwachsen? Genau dies versucht man mit dem Konzept des Vertical Farming: Die Kulturen werden nicht unter freiem Himmel, sondern in geschlossenen Räumen groß. Im Gebäude werden optimale Wachstumsbedingungen geschaffen und die Pflanzen künstlich mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Statt der Sonne liefern LED-Lampen Licht. Und anders als im Gewächshaus lassen sich mehrere Beete – wie in einem Hochregallager – übereinander anlegen. 

    Zahlreiche Start-ups und Unternehmen haben sich zuletzt weltweit mit dem Thema beschäftigt. Punkten will hierbei zum Beispiel das Unternehmen Würth Elektronik, das in München ein neues Technologiezentrum für Forschung und Entwicklung gebaut hat, das

    Würth Elektronik zeigt, wie Smart Farming vollautomatisch und intelligent funktioniert

    Die Landwirtschaft im Gebäude ist mehr als reine Zukunftsmusik. In Dubai bauen zum Beispiel bereits Firmen in einer großen Halle Salat an. Das Projekt läuft unter dem Namen „Bustanica“. Auch in Dänemark gelingt dies erfolgreich. Als Ergänzung zur traditionellen Landwirtschaft sei die neue Indoor-Anbaumethode speziell für Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte oder ungünstigem Klima eine vielversprechende Lösung für die Nahrungsmittelproduktion, ist man bei Würth Elektronik überzeugt.

    „Im Gegensatz zu den Bedingungen auf dem Feld, auf dem Dürren oder Unwetter die Ernte beeinträchtigen können, lassen sich in geschlossenen Räumen die Bedingungen für die Pflanzen kontrollieren“, sagt Technikchef Alexander Gerfer. „Da keine Schädlinge oder Erreger in die geschlossene Umgebung eindringen können, lassen sich die Pflanzen ohne Pestizide anbauen.“ Zudem lasse sich der Wasserverbrauch um bis zu 95 Prozent reduzieren.

    Elektroingenieur Adithya Madanahalli mit einer Demonstrationsanlage für Vertical Farming. Unter dem Kunstlicht gedeihen Gemüse und Kräuter.
    Elektroingenieur Adithya Madanahalli mit einer Demonstrationsanlage für Vertical Farming. Unter dem Kunstlicht gedeihen Gemüse und Kräuter. Foto: Michael Kerler

    In München hat Würth Elektronik eine kleine, schrankgroße Demonstrationsanlage für die Vertical-Farming-Technologie aufgebaut. Unter pinkfarbenem Licht sprießt allerlei Grünzeug. Für 34 Pflanzen seien die Bedingungen für gutes Wachstum bereits erforscht worden, sagt Gerfer. Nicht nur für Salat oder Kräuter, auch für Tomaten oder Safran. Gezeigt habe sich, dass die Pflanzen je nach Alter unterschiedliches Licht brauchen: „So benötigen Pflanzen in der Wachstumsphase mehr blaues Licht, während rotes Licht für die Blüte und Fruchtbildung wichtig ist.“ 

    Landwirtschafts-Start-ups mussten Mitarbeiter entlassen, einige haben aufgegeben

    Der Clou des Smart Farming besteht in der fortlaufenden Überwachung der Wachstumsbedingungen. Sensoren messen Feuchtigkeit, Temperatur, den CO2-Gehalt der Luft, den pH-Wert und kontrollieren den Zustand der Pflanzen. Die Daten lassen sich mit der Technologie von Würth Elektronik drahtlos in eine zentrale Datenbank übertragen. Ein Programm erkennt Abweichungen von den Idealbedingungen und gibt entsprechende Steuerbefehle aus. Die Pflanzen erhalten dann zum Beispiel mehr Wasser, Dünger oder anderes Licht.

    Zuletzt sind aber auch zahlreiche Start-ups ins Schlingern gekommen. Zu den größeren Betrieben im Bereich Vertical Farming zählte die Firma Infarm, die von israelischen Unternehmern in Berlin gegründet worden war. Hatte Handelsblattzufolge inzwischen mehr als 500 Mitarbeiter entlassen. Der Firmensitz in Berlin sei aufgegeben worden. Auch das Start-up Agrilution ist inzwischen vom Mutterkonzern Miele aufgegeben worden. Die junge Firma hatte sogenannte Plantcubes für den Anbau im eigenen Haushalt entwickelt. Kosten von rund 3000 Euro sollen aber am Ende zu hoch gewesen sein, um eine breite Kundschaft zu gewinnen. 

    „Das Thema Vertical Farming hat 2022 eine Hochphase erlebt und ist ziemlich gehypt worden“, sagt Christian Metz, Leiter des Kompetenznetzwerks Digitale Landwirtschaft bei Bayern Innovativ, einer Gesellschaft für Innovation und Wissenstransfer. Rund zehn Start-ups aus dem Bereich Vertical Farming hat Metz bei groß ist, was die Projekte für Investoren eher riskant macht. Die Produktionskosten für die landwirtschaftlichen Pflanzen seien zudem hoch. Bisher seien zum Beispiel Salat und Microgreens, also etwas größere Sprossen, im Vertical Farming gezogen worden. „Ein Trend könnte in Richtung Heilpflanzen gehen“, lautet seine Erfahrung.

    Hohe Energiekosten machen den jungen Firmen derzeit zu schaffen

    Für den Anbau von Getreide sei das System aufgrund der benötigten Energiemenge vorerst nicht rentabel. „Vertical Farming gilt deshalb als sinnvolle Ergänzung, aber nicht als Ersatz zur klassischen Landwirtschaft“, sagt er. Start-ups, die auf kleine Vertical-Farming-Lösung setzen, zum Beispiel kühlschrankgroße Zuchtschränke, falle es häufig schwer, aus der Forschung und Entwicklung in die Praxis hinauszugehen oder das notwendige Wachstum zu erzeugen. In Dortmund immerhin findet vom 26. bis 28. September 2023 mit Verti Farm eine eigene Messe zum Thema statt. 

    Die Demonstrationsanlage für Vertical Farming im Würth-Elektronik-Entwicklungszentrum in München. Unterschiedliches Licht eignet sich für unterschiedliche Wachstumsphasen.
    Die Demonstrationsanlage für Vertical Farming im Würth-Elektronik-Entwicklungszentrum in München. Unterschiedliches Licht eignet sich für unterschiedliche Wachstumsphasen. Foto: Michael Kerler

    „Das Problem für neue Technologien wie Vertical Farming ist immer Effizienz“, sagt auch Würth-Elektronik-Technologiechef Gerfer. „Hier ist derzeit der hohe Strompreis ein Punkt.“ Gerfer kommt selbst von einem Bauernhof und kennt sich in der Landwirtschaft bestens aus. 

    Trotz der Erfahrungen – aufgeben will man bei Würth Elektronik das Thema Vertical Farming auf keinen Fall: „Es gibt immer so viele Neins, wir wollen vorangehen und zeigen, dass auch hier Elektronik Innovation möglich machen kann“, sagt Gerfer. Wer weiß, ob die Technologie nicht in trockenen Ländern oder in großen Metropolen zum Durchbruch kommt? Die Arbeit geht Gerfers Team außerdem so schnell nicht aus. So sind zum Beispiel Prüfungen auf elektromagnetische Verträglichkeit und das industrielle Internet der Dinge zentrale Themen am neuen Technologiezentrum. 

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