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Verteidigung: Hoher Etat und politischer Wille: Wie die Bundeswehr saniert werden könnte

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Hoher Etat und politischer Wille: Wie die Bundeswehr saniert werden könnte

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    Mit 100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr modernisiert werden.
    Mit 100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr modernisiert werden. Foto: Philipp Schulze, dpa

    "Zeitenwende“ bedeutet auch, dass die Aktienkurse von Rüstungsunternehmen ansteigen. Und zwar nicht zu knapp. Die Papiere von Rheinmetall zum Beispiel waren am Montag gefragt. Gleiches gilt etwa für den in Taufkirchen ansässigen Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt. Ob Thyssen-Krupp oder BAE Systems – die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitzustellen und darüber hinaus nun jährlich mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung zu investieren, sorgt für Dynamik bei den Waffenherstellern. Denn das heißt, die Nato-Ziele werden künftig übererfüllt. Die

    Putins Angriffskrieg auf die Ukraine bedeutet, dass Deutschland massiv aufrüstet. Der dazu quasi über Nacht abgeschlossenen politischen Willensbildung der Bundesregierung werden nun Taten folgen müssen. Weshalb sich die Frage stellt: Wie schnell könnte die Bundeswehr überhaupt aufgerüstet werden? Und wohl noch wichtiger, bevor man Milliarden verplant: Was braucht die Truppe denn am dringendsten?

    DGAP-Sicherheitsexperte Christian Mölling: Eine Anstrengung von einer Dekade

    Die Liste ist länger. So viel vorweg. Christian Mölling ist bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) Forschungsdirektor und leitet das Programm „Sicherheit und Verteidigung“. Er sagt: „Wir müssten unsere Verpflichtungen im Rahmen der Nato erfüllen. Wir können derzeit aber nicht erfüllen, was wir zugesagt haben. Die Bundeswehr ist ein Sanierungsfall.“ So etwas braucht Zeit.

    Christian Mölling findet, dass für eine zügige Aufrüstung der Bundeswehr das Vergabe- und Beschaffungsrecht vereinfacht werden müsste.
    Christian Mölling findet, dass für eine zügige Aufrüstung der Bundeswehr das Vergabe- und Beschaffungsrecht vereinfacht werden müsste. Foto: DGAP

    Mölling spannt den Bogen weit und sagt: „Bis man alles befüllt hat, dauert das bestimmt zehn bis fünfzehn Jahre. Und bei komplexeren Waffensystemen dauert es länger, etwa bei der Neuentwicklung von Kampfflugzeugen.“ Alles in allem werde es sicher eine Anstrengung über eine Dekade brauchen. Mölling gibt auch zu bedenken: Es gebe jetzt zwar Geld, aber die Verteidigungsindustrie müsse nun Aufträge schreiben können. Und dazu müssten die Beschaffungsverfahren, das Vergaberecht vereinfacht werden.

    Der erste Schritt zur Bundeswehr-Sanierung könnte schon binnen Tagen eine Entscheidung über die Nachfolge für die überalterten Tornado-Kampfflugzeuge sein. „Jetzt muss die F-35 her, das modernste Deutschen Presse-Agentur. Allein für dieses Projekt – das auch Teil der nuklearen Abschreckung ist – wird wohl ein zweistelliger Milliardenbetrag fällig. Fünf Milliarden sind für den künftigen schweren Transporthubschrauber der Bundeswehr eingeplant, der für die schnelle Verlegung von Material und Truppen wichtig ist. Angesichts russischer Drohungen wird aber auch die Nachfolge für das Flugabwehrraketensystem Patriot bedeutsamer. Vorgesehen ist ein neues Taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS).

    Aufrüstung der Bundeswehr: Rheinmetall könnte schnell liefern

    Wenn es nach Rheinmetall, einem der größten deutschen Rüstungskonzerne überhaupt, geht, könnte man schnell liefern. Ein Sprecher teilte am Montag mit, dass das Unternehmen der Bundesregierung eine „umfassende Lieferung von Rüstungsgütern“ angeboten habe. Dazu gehören den weiteren Angaben zufolge Munition, Hubschrauber sowie Ketten- und Radpanzer. Das gesamte Volumen summiere sich auf 42 Milliarden Euro. Rheinmetall will dafür die Produktion hochfahren. Man könne in den Werken, die derzeit im Einschicht-Betrieb wären, auch rund um die Uhr arbeiten.

    Ein paar Zahlen: Laut Rheinmetall könnte die Produktion von Munition für Panzer von jährlich rund 40.000 auf 240.000 Stück erhöht werden, aber „über Nacht“ ist das Unternehmen nicht lieferbereit. Bei Munition brauche man sechs bis zwölf Monate, bei Radpanzern könne man in 15 bis 18 Monaten liefern, bei Kettenfahrzeugen wären es etwas über zwei Jahre.

    Reinhard Brandl: Die Bundeswehr braucht Muntion und Ersatzteile

    Der Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl (CSU), seit Jahren Mitglied im Verteidigungsausschuss, geht auch davon aus, dass es zügig gehen kann. Er sagte unserer Redaktion: „Wenn die Industrie Verlässlichkeit bekommt, wird sie auch schnell in neue Kapazitäten investieren. Mit dem geplanten Sondervermögen kann dies gelingen.“ Wichtig aber sei, dass die Ampel-Regierung jetzt nicht nur Aufrüstung ankündige, sondern auch dazu stehe.

    Reinhard Brandl (CSU) geht davon aus, dass die Aufrüstung der Bundeswehr zügig gehen wird.
    Reinhard Brandl (CSU) geht davon aus, dass die Aufrüstung der Bundeswehr zügig gehen wird. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Aus Brandls Sicht ist es am dringlichsten, „mit hohem Tempo die bisher nicht ausfinanzierten Beschaffungs- und Modernisierungsvorhaben, wie die Beschaffung schwerer Transporthubschrauber, die Tornado-Nachfolge und die Modernisierung vorhandener sowie die Beschaffung neuer Schützenpanzer Puma umzusetzen“. Zudem sollten kurzfristig die Munitions- und Ersatzteilbestände aufgefüllt werden. Auch, so Brandl, müsste Deutschland in ein Taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS) und die „Fähigkeit zur Luftverteidigung“ investieren.

    Deutsche Verteidigungsindustrie: Verfügen über "erhebliche Flexibilitäten"

    Das hört sich – alles in allem – nach einer längeren Bestellliste an. Die Verteidigungsindustrie zeigt sich angesichts von mehr als 100 Milliarden, die zu vergeben sind, natürlich bereit. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, antwortet auf die Frage, wie schnell die deutsche Verteidigungsindustrie hochfahren könne oder ob die Bundesregierung, wenn Zeit der Faktor ist, im Ausland einkaufen müsse: „Nein, die deutsche Industrie verfügt über erhebliche Flexibilitäten, die aber von Unternehmen zu Unternehmen und Produkt zu Produkt unterschiedlich sind.“

    Man werde alles tun, „unseren Beitrag zu einer schnell und gut abwehrbereiten Bundeswehr zu leisten“. Mit Blick auf die Vorlaufzeiten meint Atzpodien: „Vieles kann aus vorhandenen Verträgen mit relativ geringen

    Henning Otte (CDU), Vizevorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestags, fasst den umfassend anmutenden Bedarf des deutschen Militärs nochmals zusammen: „Die Bundeswehr braucht mehr Kampfkraft, eine höhere Einsatzbereitschaft und eine erheblich größere Durchhaltefähigkeit. Das heißt: Vollausstattung und „von allem mehr“, also mehr Panzer, mehr Schiffe, mehr Flugzeuge, mehr Cyberfähigkeiten und mehr Logistik“. (mit dpa)

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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