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Versicherung: Hochwasserkatastrophen: Was der Klimawandel kosten könnte

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Hochwasserkatastrophen: Was der Klimawandel kosten könnte

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    Das Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat extrem hohe Schäden verursacht. Die Wassermassen zerstörten komplette Häuser, wie in Erftstadt bei Köln.
    Das Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat extrem hohe Schäden verursacht. Die Wassermassen zerstörten komplette Häuser, wie in Erftstadt bei Köln. Foto: David Young, dpa

    Die Wassermassen schießen regelrecht durch die Orte, fluten Keller und Häuser, die Wucht des Hochwassers reißt Autos mit sich und Menschen versuchen sich vor den Fluten zu retten. Diese Szenen, die sich Mitte Juli bei den Hochwasserkatastrophen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und auch Bayern abgespielt haben, wirken apokalyptisch. Mindestens 170 Menschen hat die Katastrophe durch das Tief „Bernd“ das Leben gekostet. Was bleibt, ist Schlamm, unbewohnbare Häuser, Hausrat, der sich in den Straßen stapelt und die Fassungslosigkeit. Es ist die schwerste Hochwasserkatastrophe seit Jahrzehnten in Deutschland.

    Wetterextreme wie Hochwasser durch Starkregen werden zunehmen

    Die Experten sind sich einig, dass es Wetterextreme wie Hochwasser durch Starkregen, Stürme und Hitzewellen durch den Klimawandel in Zukunft öfter geben wird. Mit den Schäden durch solche Naturkatastrophen beschäftigen sich Versicherungen schon seit Längerem intensiv. Mehrere Versicherungen, wie die Munich Re, haben eigene Abteilungen zur Klimaforschung aufgebaut, um die Risiken durch den Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands schätzen die Versicherer die Schäden momentan auf 5,5 Milliarden Euro, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft berichtet. Wenn sich solche extremen Wetterereignisse durch den Klimawandel häufen, welche Kosten kommen dann auf uns zu?

    Stefan Straub von der Munich Re, die seit 1980 eine umfangreiche Datenbank zur Analyse und Bewertung in Schäden aus Naturkatastrophen führt, kennt sich mit diesen Versicherungsschäden aus. Zu den jüngsten Vorfällen sagt er: „So tragisch die Folgen für die Betroffenen auch sind, das Ereignis an sich ist nichts überraschendes.“ Auch das Ausmaß der Schäden füge sich in die Entwicklungen der vergangenen Jahre ein. Immer wieder beobachten die Versicherer diese konvektiven Ereignisse, also Gewitter mit lokal großen Regenmengen oder Hagel und vereinzelt auch Tornados.

    Ob Erdbeben, Stürme, Überschwemmungen und Dürren – die Zahl der registrierten Schadenereignisse aus Naturkatastrophen steigt seit Jahren. Die teuerste Naturkatastrophe überhaupt war das Erdbeben 2011 in Tohoku in Japan mit Schäden von 210 Milliarden US-Dollar. Hurrikan Katrina im Jahr 2005 in New Orleans kostete 60,5 Milliarden US-Dollar. Im vergangenen Jahr betrugen die weltweiten Schäden der Munich Re zufolge 210 Milliarden US-Dollar.

    Schäden nach Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz bei 5,5 Milliarden Euro

    In Deutschland liefert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Zahlen zu Beschädigungen durch Naturgefahren. In NRW und Rheinland-Pfalz belaufen sich die Schäden durch die Hochwasserkatastrophen auf vier bis fünf Milliarden Euro. Fast doppelt so hoch wie die Gesamtschäden vergangener Jahre: Naturkatastrophen führten 2019 zu 3,2 Milliarden Euro an Schäden, im Vorjahr beliefen sich diese auf 2,7 Milliarden Euro und zuvor im Jahr 2017 lagen sie bei 2,4 Milliarden Euro. Betrachtet man diesen Trend zu höheren Schäden, müssen aber sozioökonomische Veränderungen berücksichtigt werden, wie Stefan Schwab von der Munich Re erklärt: „In den betroffenen Gebieten steigt die Dichte und die Werte von Immobilien von Infrastrukturen.“

    Trotz dieser Zunahmen von Schäden durch extreme Wetterereignisse sind immer noch wenige Menschen gegen solche Schäden versichert, wie Inge Sommergut von der Versicherungskammer Bayern (VKB) berichtet: „Nicht jeder Hausbesitzer hat die Notwendigkeit für eine Absicherung erkannt. In Deutschland sind derzeit 46 Prozent der Häuser mit einer Elementarversicherung abgesichert, in Bayern sind es 38 Prozent.“ Hochwasser, Erdbeben, Lawinen und Überschwemmungen sind nur abgesichert, wenn eine Versicherung gegen Naturgefahren, die sogenannte Elementarversicherung vorliegt. Eine Wohngebäude- und Hausratversicherung deckt Grundgefahren wie Hagel oder Sturm ab. Für ein Einfamilienhaus kostet die Elementarversicherung Sommergut zufolge etwa 120 Euro im Jahr.

    Versicherungen nutzen Zonierungssystem zur Berechnung

    Um die Beiträge für Versicherungen von Naturkatastrophen zu berechnen, verwenden die Versicherer grundsätzlich ein Zonierungssystem namens ZÜRS, das der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft entwickelt hat. Dieses stützt sich auf die Hochwasser-Berechnungen der Wasserwirtschaftsämter. Um das Risiko zu berechnen, wird jedes Gebäude abhängig von der Lage verschiedene Gefährdungsklassen für Hochwasser sowie Starkregen zugeordnet. Es gilt: Je tiefer ein Gebäude liegt und je länger das Wasser darin steht, desto höher ist der Schaden.

    Schäden nach dem Hochwasser: In Gemünd in Nordrhein-Westfalen wird Schutt aus den Häusern geräumt.
    Schäden nach dem Hochwasser: In Gemünd in Nordrhein-Westfalen wird Schutt aus den Häusern geräumt. Foto: Oliver Berg, dpa

    Verluste durch extreme Wetterereignisse sind Teil von Stephan Schwedas täglicher Arbeit. Er ist Versicherungsexperte beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und geht davon aus, dass die Starkregenereignisse in der Zukunft zunehmen werden. „Darauf müssen wir uns einstellen. Versicherungen machen dabei nur einen Teil aus, sondern es muss in Hochwasserschutz investiert werden.“ Eine mögliche Maßnahme ist es versickerungsfähige Flächen zu erhalten, damit bei starkem Regen, das Wasser abfließen kann. Eine andere Option sind Retentionsflächen, das sind tiefer liegende Fläche neben fließenden Gewässern, die bei Hochwasser als Überflutungsfläche genutzt werden.

    „Mit solchen Wassermassen kann man nicht rechnen"

    Versicherungsexperte Schweda hält es für wichtig, dass über Hochwasserschutz nachgedacht wird, auch von den Bauherren selbst, aber er sagt: „Mit solchen Wassermassen, wie in NRW und Rheinland-Pfalz, kann man nicht rechnen. Das trifft einen unvorbereitet“ Schweda und der GDV fordern daher, dass es von der Politik größere Entscheidungen geben muss und sich bemüht wird Klimaschutzziele, wie das Pariser Abkommen einzuhalten.

    Doch wie sieht es in der Zukunft mit Versicherungen aus: Können diese durch die Folgen des Klimawandels nach den Flutkatastrophen überhaupt noch bezahlbar bleiben? Seitdem verzeichnen Versicherungen ein deutlich höheres Interesse an Elementarschadenversicherungen. Dazu sagt Schweda: „Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um die Folgen des Klimawandel weiterhin zu versichern. Wenn es jedes Jahr solche Ereignisse gibt, ohne dass zielgerichtete Prävention die Schadenlast senkt, muss man die Frage stellen, ob das privatwirtschaftlich noch zu stemmen ist.“ Ähnlich äußert sich Stefan Straub von der Munich Re: „Wenn das Risiko steigt und die Anpassungen nicht Schritt hält, steigen die Schäden und entsprechend werden letztendlich die Preise steigen müssen.“ Ein Haus, in dem jedes Jahr Wasser im Keller stehe, könne nicht zu den gleichen Rahmenbedingungen versichert werden, wie ein Haus in einer durchschnittlichen Risikozone.

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