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Verpackungsgesetz: Discounter wollen Pflicht zu Mehrwegflaschen verhindern

Verpackungsgesetz

Discounter wollen Pflicht zu Mehrwegflaschen verhindern

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    Der Mehrweganteil sinkt immer weiter. Das Umweltministerium könnte dem nun entgegensteuern.
    Der Mehrweganteil sinkt immer weiter. Das Umweltministerium könnte dem nun entgegensteuern. Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)

    "Das Pfand dämmt die Einwegflut ein", sagte Jürgen Trittin (Die Grünen) bei der Einführung des Pfands 2003 zuversichtlich. Heute steht fest: Der damalige Umweltminister lag falsch. Denn die Mehrwegquote auf dem deutschen Getränkemarkt sinkt seit Jahren. Betrug sie in den 1990er Jahren noch knapp über 70 Prozent, liegt der Mehrweganteil mittlerweile bei nur noch 43 Prozent. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) macht dafür die großen Discounter Lidl und Aldi verantwortlich, die keine wiederverwendbaren Flaschen im Sortiment haben und "Mehrweg boykottieren".

    Jüngstes Beispiel: eine Werbekampagne von Lidl. Auf Anzeigenmotiven in ganz Deutschland bewirbt Günther Jauch die "Kreislaufflasche" – eine Einweg-Plastikflasche, die laut einer vom Discounter beauftragten Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) eine bessere Ökobilanz als die durchschnittliche Mehrweg- oder Glasflasche hat. "Das ist ein Frontalangriff auf das deutsche Mehrwegsystem", sagt Thomas Fischer von der DUH. Viele Expertinnen und Experten werfen dem Supermarktriesen Augenwischerei und Lobbyarbeit vor. Die Studie sei schöngerechnet, mit seiner Kampagne verfolge Lidl ein politisches Ziel: eine mögliche Mehrwegpflicht verhindern. Denn die würde die Discounter viel Geld kosten. Bei einer Einführung von Mehrweg müssten sie große Summen in neue Anlagentechniken sowie Logistikprozesse und -flächen investieren.

    Bundesregierung möchte Mehrweganteil auf 70 Prozent steigern

    Bereits 2019 steckte sich die Bundesregierung im neuen Verpackungsgesetz das Ziel, den Mehrweganteil bei Getränken wieder auf 70 Prozent zu steigern.Gesetzliche Verpflichtungen zur Umsetzung oder Sanktionen: keine. "Es wurde versäumt, aus der Vorgabe eine Pflicht zu machen", sagt Philip Heldt von der Verbraucherzentrale. Er würde eine verpflichtende Quote begrüßen, denn: "Mehrweg mit kurzen Transportwegen ist die ökologisch beste Lösung."

    Die Regierung scheint erkannt zu haben, dass eine Vorgabe allein nichts ändert. Auf Anfrage unserer Redaktion teilt das Umweltministerium mit, dass derzeit "verschiedene nationale Maßnahmen" zur Förderung von Mehrweg geprüft werden. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) sprach sich schon zu Jahresbeginn für eine "echte Trendumkehr" aus. "Dafür ist zum Beispiel eine Mindestquote für Mehrweggetränkeflaschen in Supermärkten denkbar", sagte sie gegenüber der dpa. Bei DUH und anderen Verbänden, die sich für den Umweltschutz einsetzen, stößt der Vorstoß auf große Zustimmung.

    Discounter mahnen vor erheblichen Kosten bei Umstellung auf Mehrweg

    Aldi Süd lehnt einen solchen Vorschlag auf Anfrage nicht konkret ab: "Wir erkennen den Wert von Mehrwegsystemen als Ergänzung zu Einwegsystemen an." Bereits 2020 testete der Discounter in einigen Filialen den Einsatz von Mehrwegflaschen aus Glas, brach das Experiment aber nach kurzer Zeit wieder ab. Vielleicht auch deswegen äußern sich die Mühlheimer dennoch skeptisch zu möglichen Pflichten: "Mehrwegziele allein reichen nicht aus, um einen Systemwandel herbeizuführen", sagt eine Unternehmenssprecherin und stellt klar, dass sich Aldi Süd "selbstverständlich" an alle gesetzlichen Regelungen hält.

    Lidl beruft sich auf die angeblich gute Ökobilanzseiner "Kreislaufflasche", in deren Forschung und Entwicklung die Schwarz Gruppe nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag investiert hat. Eine mögliche Angebots- und Rücknahmepflicht von Mehrweg wäre mit erheblichen Kosten verbunden, mahnt der Discounter. So rechnet eine von Lidl beauftragte Studie mit mindestens 1,5 Milliarden Euro gesamtwirtschaftlichen Kosten. Stattdessen fordert das Unternehmen eine Förderung ökologischer Verpackungen entsprechend ihrer Klimabilanz – und zielt damit auf den Erhalt seines Einwegsystems ab. Reiner "Investitionsschutz", sagt die DUH.

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