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Verkehrswende: Die EU will Europa zum Fahrrad-Kontinent machen

Verkehrswende

Die EU will Europa zum Fahrrad-Kontinent machen

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    Ohne Auto geht es auch, wenn der Platz für Radler freigegeben wird.
    Ohne Auto geht es auch, wenn der Platz für Radler freigegeben wird. Foto: Zheng Huansong, dpa

    Frans Timmermans ist nicht nur ein Sozialdemokrat fürs Grüne, sondern auch Niederländer und damit praktisch auf dem Radsattel geboren worden. Deshalb wird der Vizepräsident der EU-Kommission auch als natürlicher Verbündeter all jener Abgeordneten betrachtet, die von der Brüsseler Behörde fordern, erstmals eine europäische Fahrradstrategie zu entwickeln und das Verkehrsmittel in Gesetzgebungsprozessen sowie bei der Vergabe von Geldern zu berücksichtigen. Europa – der künftige Fahrrad-Kontinent? Am Donnerstag will das EU-Parlament über eine entsprechende Resolution abstimmen. Das Ziel: den Fahrradsektor als Teil der Mobilitätswende in den Mittelpunkt zu stellen und die Zahl der mit dem Velo zurückgelegten Kilometer in Europa bis 2030 auf 312 Milliarden Kilometer pro Jahr zu verdoppeln.

    Ein "starkes Signal" erhofft sich Anna Deparnay-Grunenberg von dem Votum für das Ziel, das Fahrrad "als vollwertiges Verkehrsmittel sowie die Radindustrie als bedeutsamen Industriezweig" anzuerkennen. Es sei "überfällig", findet auch der SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug, dass die Union das Fahrrad "endlich als wichtigen Baustein" einer Verkehrswende etabliere. "Um möglichst vielen Menschen einen leichten Umstieg zu ermöglichen, verlangen wir mehr Stellplätze, bessere und mehr Radwege und bezahlbare Bike-Sharing-Systeme", so Ertug.

    2024 soll in der EU zum "Jahr des Fahrrads" werden

    Die Vorteile liegen für die EU-Parlamentarier auf der Hand: gesündere Menschen, weniger Staus und Lärmbelästigung, bessere Luftqualität, Schutz der Artenvielfalt. Außerdem sei die Fahrradindustrie "ein innovationstreibender Wirtschaftssektor", sagt Deparnay-Grunenberg. Gleichzeitig verweisen die Abgeordneten auf die aktuellen Hindernisse. So herrsche ein Mangel an gesicherten Abstellplätzen und Radwegen, aber auch unzureichende Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstählen. Es brauche, wie es in der Resolution heißt, mehr Synergien mit anderen Verkehrsträgern wie der Bahn, etwa mehr Abstellplätze in Zügen oder sicherere Parkmöglichkeiten an Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs. Zu den Forderungen gehört neben der Ausrufung eines "Europäischen Jahrs des Fahrrads 2024" zudem, die Mehrwertsteuersätze für den Kauf, den Verleih und die Reparatur von Fahrrädern und E-Bikes zu senken. 

    Vize-Kommissionspräsident Timmermans dürfte weitestgehend auf der Seite der Volksvertreter stehen. "Alles sollte, wo möglich, eine Fahrraddimension haben", hatte er vergangenen Sommer gesagt und angekündigt, dem Fahrrad einen neuen Stellenwert in Europa verleihen zu wollen. Raus aus der Nische sozusagen, denn die EU hatte in den vergangenen Jahren vor allem die Auto- und Wasserstraßen sowie den Schienen- und Flugverkehr im Blick bei ihren verkehrs- und transportpolitischen Entscheidungen im Rahmen des Green Deals. Mit diesem will die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt werden. Das Fahrrad soll seinen Beitrag leisten, doch dafür benötige es "dringend europäische Koordination sowie die nötigen Investitionen", sagt die Grünen-Politikerin Deparnay-Grunenberg. Die Hälfte der mit dem Pkw gefahrenen Strecken in Europa seien kürzer als fünf Kilometer. "Allein daran wird deutlich, dass auch das Fahrrad die Verkehrswende deutlich voranbringen kann."

    EU: Andere Länder sind schon deutlich weiter als Deutschland

    Die Unterschiede zwischen den 27 Mitgliedstaaten und vor allem den einzelnen Städten sind dabei groß. Einer 2020 veröffentlichten Eurobarometer-Studie zufolge schwingen sich die Niederländer am häufigsten auf den Sattel, gefolgt von den Schweden. So bezeichneten 41 Prozent der befragten Holländer das Rad oder den Scooter als ihr Hauptverkehrsmittel. Das dürfte auch an den Bedingungen liegen. So investiert laut einer Auswertung der Umweltorganisation Greenpeace Utrecht etwa 132 Euro pro Einwohner und Jahr in eine sichere Radinfrastruktur, in Oslo sind es 70 Euro, in Kopenhagen 35,60 Euro und in Amsterdam elf Euro. 

    Zum Vergleich: In München werden der Studie zufolge jährlich 2,30 Euro pro Bewohner ausgegeben, in Köln 2,80 Euro, in Hamburg 2,90 Euro und in Stuttgart fünf Euro. Als einer der vorbildlichen Orte in Deutschland gilt Münster, wo im Jahr 2020 rund 33 Euro pro Kopf für den Radverkehr aufgebracht wurden. Als Leuchtturm abseits der Niederlande, Dänemarks oder Schwedens versteht sich neuerdings Paris, wo man bereits vor ein paar Jahren aufs Rad gekommen ist. So will die französische Metropole etwa bis 2026 insgesamt 250 Millionen Euro für neue Fahrradwege ausgeben und 100.000 sichere Parkplätze im Stadtzentrum schaffen. Außerdem fördert Paris wie auch die Region den Kauf eines Elektrobikes derzeit mit 500 Euro. 

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