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Verkehr: Sanierungsfall Deutsche Bahn: Nicht nur am Geld fehlt's in der Pandemie

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Sanierungsfall Deutsche Bahn: Nicht nur am Geld fehlt's in der Pandemie

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    Verkehrsminister Volker Wissing will nicht nur mehr Güter auf die Schiene bringen. Die Bahn soll nach der Corona-Pandemie auch mehr Menschen von A nach B bringen.
    Verkehrsminister Volker Wissing will nicht nur mehr Güter auf die Schiene bringen. Die Bahn soll nach der Corona-Pandemie auch mehr Menschen von A nach B bringen. Foto: Fabian Sommer, dpa

    Der neue Bundesverkehrsminister hat sich 100 Tage ausbedungen, um sich in die Materie einzuwühlen. E-Autos, Flugzeuge, Schiffe, die Logistik und natürlich die Bahn. Volker Wissing ist qua Amt oberster Eisenbahner des Landes. Und wenn er sich seinen Schienenkonzern anschaut, wird wohl kein Lächeln über sein Gesicht huschen.

    Die Bahn hat viele Probleme. Wegen der Corona-Pandemie steigen viel weniger Fahrgäste zu. Die Auslastung liegt im Fernverkehr bei mageren 40 Prozent. Bescheiden ist auch die Pünktlichkeit. Im alten Jahr kam rund ein Drittel der Fernzüge zu spät. Die Bahn nennt dafür drei Gründe: die Pandemie, das Sommer-Hochwasser im Westen der Republik und viele Baustellen. Der Chef der Eisenbahnergewerkschaft Klaus-Dieter Hommel meint hingegen, das Unternehmen verstecke den wahren Grund: „Die Prozesse werden immer komplexer, der tägliche Betrieb dadurch immer schwieriger. Es gibt bei der Bahn viel zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer.“

    Die Deutsche Bahn und ihre Probleme: Nicht nur an Geld fehlt es in der Corona-Krise

    Hommel war früher Fahrdienstleiter und entschied, in welcher Reihenfolge die Züge aufs Gleis durften. So beschreibt er es. Heute gebe es hingegen halbe Arbeitskreise verschiedener Bahn-Töchter, die sich um die Abfahrt kümmerten. Im Ergebnis blockiert sich die Bahn selbst. In der Analyse stimmt Hommel mit dem Chef der Eisenbahnergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, überein, mit dem er sonst in herzlicher Abneigung verbunden ist. Zu viele Mitarbeiter am Schreibtisch, zu wenige am und auf dem rollenden Material.

    Weil zu wenige Passagiere den Zug nehmen, fehlen der Bahn Einnahmen. Für 2021 erwartet der Vorstand einen Verlust im operativen Betrieb von zwei Milliarden Euro. Derzeit arbeitet die Finanzabteilung am Jahresabschluss. Nach allem, was Hommel hört, ist eine positive Überraschung nicht zu erwarten. „Der Jahresabschluss wird deutlich rot sein. Wir müssen uns auf ein schwieriges Jahr einstellen“, sagt der Gewerkschaftsboss, der auch dem Aufsichtsrat des Konzerns angehört. Je nachdem, wie lange die Pandemie anhält, wird sie auch dieses Jahr das Ergebnis belasten.

    Bahn-Chef Richard Lutz wird wohl zu Wissing und Finanzminister Christian Lindner (auch FDP) gehen und um einen weiteren Zuschuss bitten müssen. Der letzte betrug immerhin fünf Milliarden Euro. Alternativ dazu könnte die Ampel-Koalition dem Staatsbetrieb erlauben, mehr Schulden aufzunehmen. Diese würden nicht auf die Verschuldungsquote des Bundes angerechnet, weshalb Lindner dadurch nicht in den Ruch des Schuldenmachers käme. Dass Wissing einen neuen Bahn-Chef holt, um bei dem Unternehmen aufzuräumen, steht derzeit nicht an, heißt es von Leuten, die sich gut auskennen. „Die würden ja auf die Schnelle gar keinen finden, wer will das schon machen“, lautet eine ätzende Einschätzung dazu.

    Netzausbau der Deutschen Bahn: In ganz Deutschland wird am Gleis gebaut

    Richard Lutz kann also wohl weitermachen. Er hat ambitionierte Ziele zu erfüllen. Im Jahr 2030 sollen doppelt so viele Menschen pro Jahr in den Zug steigen wie vor Corona. Der Anteil der Schiene am Güterverkehr soll von 18 auf 25 Prozent klettern, die großen Städte durch den „Deutschland-Takt“ halbstündlich verbunden werden, wie es auf der Strecke zwischen Berlin und Hamburg schon möglich ist. Die Zusage für das dafür nötige Geld hat Lutz, er hat nur keine Gleise, die diese Bahn-Renaissance verkraften können. In den kommenden Jahren wird deshalb in ganz Deutschland viel gebaut und das Netz ertüchtigt.

    Wenn Lutz Pech hat, kommt noch eine gewaltige Aufgabe zu seinem Pflichtenheft hinzu. Bei Grünen und FDP gibt es die Überlegung, den Bahnkonzern zu zerschlagen, um das Gewirr an Tochterfirmen zu entwirren. Gleise und Bahnhöfe sollen vom Betrieb getrennt werden. Die EVG konnte das verhindern. Das Argument: Die Reform würde das Unternehmen über Jahre lähmen und bestehende Probleme verschärfen. Aber der Konflikt ist noch nicht endgültig entschieden. Bei Liberalen und Grünen wabern die Gedanken noch in den Hinterköpfen. Wissing hat Michael Theurer (FDP) zu seinem Bahnbeauftragte gemacht. Der will zunächst für mehr Pünktlichkeit und Komfort sorgen. „Der Deutschlandtakt ist die Grundlage für angenehmeres Reisen und ein darauf aufbauendes Programm zur Kapazitätsausweitung“, sagte Theurer unserer Redaktion.

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