Zeugnisse gibt es eigentlich vor den Ferien. Verkehrsminister Volker Wissing bekommt seine Beurteilung nun erst an deren Ende beziehungsweise – je nach Bundesland – kurz danach. Ausgestellt haben sie gemeinsam die Allianz pro Schiene, der Auto Club Europa (ACE) sowie der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC). Ihr Zeugnis fällt nicht gut aus für den FDP-Politiker. In der Gesamtnote reicht es für Wissing nur für eine Vier: Note ausreichend. „Wir haben viele gute Ansätze, es fehlt aber an der Verkehrspolitik aus einem Guss“, beklagt Allianz-pro-Schiene-Chef Dirk Flege. „Mit Volldampf gestartet und kurz nach dem Start ausgebremst.“
Die Lage bei Bahn und Bus: Revolution durch das 49-Euro-Ticket
Die besten Zensuren fährt Verkehrsminister Wissing für seine Politik zur Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs ein. Das 49-Euro-Ticket sei eine Revolution, urteilen die Verbände und geben ihm dafür sogar die Teilnote Eins. Positiv wird auch bewertet, dass der Bund den Ländern mehr Geld für Busse und Bahnen zur Verfügung stellt. Doch sie formulieren auch ein großes „Aber“. Schon nächstes Jahr könnte das 49-Euro-Ticket teurer werden, weil der Bund den Ländern nicht mehr Mittel überweisen will, um die verbilligte Dauerfahrkarte zu subventionieren.
Einen weiten Weg sehen Experten vor Wissing und den Bundesländern beim Ausbau des Nahverkehrs in ganz Deutschland. Die Leute auf dem Land hätten nicht viel vom 49-Euro-Ticket, weil dort zu wenige Busse und Bahnen unterwegs seien, kritisieren sie. Deutliche Worte gibt es zur Lage beim Staatskonzern Deutsche Bahn. Wegen Managementproblemen gebe es viele Bereiche, „die nicht rundlaufen“. Der Bund als Eigentümer, so Dirk Flege, setzte die falschen Anreize bei seinem Unternehmen. Das bringe auch das Ziel in Gefahr, bis zum Ende des Jahrzehnts doppelt so viele Passagiere in den Zügen zu begrüßen.
Deutschland ist noch immer kein Fahrradland
Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, FDP und Grüne vorgenommen, das Radwegenetz auszubauen. Deutschland, so die Vision, soll bis 2030 zum Land der Radfahrer werden, wie es die Niederlande heute schon sind. Zuständig für die Verwirklichung des Leitbildes sind Länder und Gemeinden, weshalb der Bund über Zuschüsse aus seiner Kasse unterstützen kann. Doch wegen des Spargebots sollen laut Haushaltsentwurf die Gelder für 2024 halbiert werden. Der Fahrradclub bemängelt zudem, dass es kein nationales Register über Radwege und den geplanten Ausbau dieser gebe. „Radfahren in Deutschland bleibt etwas für Mutige. Die versprochenen einladenden Radwegenetze gibt es weiter nur auf dem Papier“, meint Angela Kohls vom ADFC. Teilnote Vier minus.
Wie lässt sich das Ziel von 15 Millionen E-Autos erreichen?
Was den Ausbau des Ladenetzes für Elektro-Wagen angeht, schneidet Wissing schlecht ab. Bis 2030 sollen eine Million öffentliche Ladepunkte im ganzen Land angesteuert werden können, um die Bundesrepublik zum Leitmarkt für E-Autos zu machen. Derzeit sind es erst rund 100.000. Um den Zubau zu beschleunigen, ist für Herbst ein neues Förderprogramm angekündigt, aber noch nicht ausbuchstabiert, wie die drei Verkehrsverbände monieren. Wissings Masterplan Ladeinfrastruktur sei eine gute Grundlage, allerdings zählen die Fachleute erst neun von 68 Einzelmaßnahmen in der Umsetzung. „Für eine Halbzeitbilanz ist das zu wenig“, kritisiert der ACE-Vorsitzende Stefan Heimlich. Durch die gekürzten staatlichen Prämien hat der Verkauf von E-Autos zuletzt einen deutlichen Dämpfer bekommen. Das Ziel von 15 Millionen elektrischen Pkw im Jahr 2030 hält Heimlich für nicht erreichbar. „Nur mit einer vernünftigen Ladeinfrastruktur lässt sich den Autofahrern die Angst nehmen, auf ein elektrisches Auto umzusteigen.“