Die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn lässt weiter nach. Im Juni erreichten nur noch 58 Prozent der Fernzüge ihr Ziel pünktlich, wie das Unternehmen am Freitag mitteilte. Im Regionalverkehr waren es 88,5 Prozent. Beides sind die schwächsten Monatswerte seit Ende 2010. Damals brachten Schneemassen sowie Eisregen zu Weihnachten den Verkehr streckenweise zum Erliegen.
Heute machen nach Konzernangaben Baustellen und viel Verkehr Probleme. "Intensive Bautätigkeit im gesamten Netz der DB sowie die sehr hohe Auslastung zentraler Schienenwege durch die Züge des Personen- und Güterverkehrs wirken sich weiter negativ auf die Pünktlichkeit aus", erklärte ein Sprecher.
Zudem führe der große Andrang durch das 9-Euro-Ticket dazu, dass Regionalzüge häufig nicht pünktlich abfahren können. Mit dem Aktionsticket können Fahrgäste einen Monat lang bundesweit den Nahverkehr nutzen. Die Aktion begann im Juni. Das Ticket ist auch für Juli und August erhältlich. Im Regionalverkehr sackte die Pünktlichkeit deshalb dramatisch ab: von 98,3 Prozent im Mai auf nun 88,5 Prozent.
Mehr Entschädigungsforderungen
Für die Verspätungen verlangen viele Fahrgäste Entschädigungen. Zahlen dazu wollte die Bahn nicht nennen. Seit Tagen verweist jedoch das Servicecenter auf seiner Website auf ein deutlich erhöhtes Antragsaufkommen. "Daher kann es in Einzelfällen zu Verzögerungen und längeren Bearbeitungszeiten kommen."
Wer mindestens eine Stunde zu spät ans Ziel kommt, kann sich ein Viertel des Fahrpreises erstatten lassen. Ab zwei Stunden ist es die Hälfte des Fahrpreises. Fahrgäste können das per Papierformular, über die Bahn-Website oder die App DB Navigator beantragen.
Nach Bahn-Definition sind Halte mit weniger als sechs Minuten Verspätung pünktlich. Konzernchef Richard Lutz hatte vor einigen Wochen das Ziel einkassiert, dieses Jahr im Fernverkehr 80 Prozent Pünktlichkeit zu erreichen. Inzwischen liegt die Bahn deutlich unter dem Vorjahreswert von 75 Prozent.
Aus Sicht des Bundesverkehrsministers Volker Wissing (FDP) ist das deutsche Schienennetz über Jahre vernachlässigt werden. Er hat angekündigt, die Modernisierung zur Chefsache zu machen und in seinem Ministerium zu steuern. Geplant ist eine Generalsanierung zentraler Netzabschnitte ab 2024.
Wissing sagte bei der Präsentation im Juni: "Ich erwarte, dass wir in Zukunft wieder die Uhr nach der Bahn stellen können." Dabei hat er nicht nur die Fahrgäste im Blick, sondern auch die Wirtschaft. In der Industrie gibt es seit Monaten Unzufriedenheit mit der Bahn, weil sich auch Güterzüge verspäten.
(dpa)