Wieder kein Ergebnis: Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind gescheitert. Auch in der dritten Verhandlungsrunde vom 27. bis 29. März 2023 konnten sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb nicht mit den Arbeitgebern einigen. Beide Gewerkschaften, die für rund 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst verhandeln, haben die Gespräche am Donnerstagmorgen, 30. März 2023, für gescheitert erklärt. Nun sollen unabhängige Schlichter nach einer Lösung suchen.
Was fordern die Gewerkschaften genau? Was bietet die Arbeitgeberseite? Wie läuft eine Schichtung ab? Wird wieder gestreikt? Und wie geht es jetzt weiter? - Alle wichtigen Infos lesen Sie im Artikel.
Tarifverhandlungen 2023: Was fordert Verdi und warum sind die Gespräche gescheitert?
Verdi fordert gemeinsam mit GdP, GEW, IG BAU sowie mit dbb in den seit 24. Januar 2023 laufenden Tarifverhandlungen für die rund 2,5 Millionen Angestellten von Bund und Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Für viele Beschäftigte würde das einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge Lohnsteigerungen von bis zu 25 Prozent bedeuten. Die Gewerkschaften begründen die hohe Forderung mit der Inflation, die im vergangenen Jahr bei sieben Prozent gelegen habe und auch für 2023 ähnlich hoch prognostiziert wird.
Der neue Tarifvertrag soll eine Laufzeit von zwölf Monaten haben. Und das Ergebnis soll sich Verdi zufolge auch auf Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Soldatinnen und Soldaten sowie auf Versorgungsempfängerinnen und -empfänger auswirken. Betroffen von den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind laut tagesschau.de Angehörige etlicher Berufe - unter anderem Erzieherinnen, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Krankenschwestern und -pfleger, Verwaltungsangestellte, Altenpflegerinnen, Klärwerksmitarbeiter, Förster sowie Ärztinnen und Ärzte. Verdi verhandelt für mehr als 2,4 Millionen Tarifbeschäftigte bei kommunalen Arbeitgebern und rund 134.000 beim Bund.
Bislang konnte Verdi die Forderungen, trotz des bundesweiten Warnstreiks am 27. März 2023, nicht durchsetzen. Die Gespräche sind vorerst gescheitert. "Für uns steht nach wie vor ein sozial gerechter Abschluss im Mittelpunkt", sagte Verdi-Vorsitzender Frank Werneke laut einer Mitteilung am Donnerstag.
Aber: Trotz deutlicher Bewegungen seien die Arbeitgeber nicht bereit, den Beschäftigten beim Mindestbetrag ausreichend entgegenzukommen. Die Angebote der öffentlichen Arbeitgeber hätten insbesondere Beschäftigte in den unteren und mittleren Einkommensgruppen nicht ausreichend bedacht. Deren Kaufkraft sei nicht sichergestellt, sagte Werneke. Es werde ein "echter Inflationsausgleich" gebraucht. Aus diesem Grund habe Verdi die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Auch der Forderung nach einer weiteren Verhandlungsrunde erteilte der Verdi-Vorsitzende eine Absage: "Es gibt nichts, was wir nicht in den zurückliegenden drei Tagen hätten besprechen können."
Tarifverhandlungen 2023: Welches Angebot haben die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst vorgelegt?
Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst haben der Deutschen Presseagentur (dpa) zufolge ein Angebot mit acht Prozent mehr Einkommen und einer Mindesterhöhung um 300 Euro vorgelegt - statt der geforderten 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Gehalt. Zudem enthält das Angebot der Arbeitgeber eine Einmalzahlung in Höhe von 3000 Euro.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) meinte, damit hätte man den Menschen gerade sehr schnell helfen können - schließlich seien die Kosten gerade jetzt sehr hoch. "Und ich glaube, das wäre im Sinne der Beschäftigten gewesen, jetzt eine schnelle Lösung zu haben." Zudem verwies Faeser auf die Verantwortung, die daraus erwachse, dass über Steuergeld verhandelt werde, mit dem die Einkommen der Beschäftigten bezahlt werden müssten.
Auch in Sachen Laufzeit sind sich Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite nicht grün. Zwölf Monate sind den Arbeitgebern von Bund und Kommunen laut dpa zu wenig, sie hatten 27 Monate angeboten.
Tarifverhandlungen 2023: Was ist eine Schlichtung und wie läuft sie ab?
Kurz nachdem die Gewerkschaften die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst für gescheitert erklärt hatten, teilte Feaser tagesschau.de zufolge mit: "Wir werden jetzt die Schlichtung einberufen." Laut dpa läuft eine solche Schlichtung nach festen Regeln und Fristen ab. Unabhängige Schlichter versuchen dabei eine Lösung für beide Seiten zu finden. Die Vorsitzenden der Schlichtungskommission sind der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt von der Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr für die Gewerkschaften. Laut dpa hätte Lühr im Zweifelsfall die entscheidende Stimme.
Der sogenannte Schlichterspruch, der einen Kompromiss darstellen soll, wird Mitte April von der unparteiischen Kommission erwartet. Nehmen die Gewerkschaften und Arbeitgeber den Kompromiss an, kommt es zu einer Einigung. Der Schlichterspruch ist laut der Bundeszentrale für politische Bildung aber nicht bindend. Lehnen beide Seiten ab, droht der SZ zufolge ein flächendeckender, harter Arbeitskampf im öffentlichen Dienst. Zuletzt ist das 1992 passiert und hatte rund zehntägige Streiks zur Folge.
Übrigens: In der Zeit der Schlichtung herrscht eine Friedenspflicht. Diese setzt ab Sonntag, 2. April 2023, ein. Streiks im öffentlichen Dienst wird es über Ostern also nicht geben.
Tarifverhandlungen 2023: Wann wird im öffentlichen Dienst wieder gestreikt?
Bislang sind keine weiteren Streiks im öffentlichen Dienst angekündigt. Zumindest über Ostern wird nicht gestreikt. Ulrich Silberbach, Chef der dbb, hat einen Vollstreik aber bereits ins Spiel gebracht. In einer Mitteilung des Beamtenbundes sagt Silberbach, dass man sich an einer Schlichtung zwar konstruktiv beteiligen werde, eine Einigung aber nicht gegeben sei. In diesem Fall "kann es ab Ende April überall im Land zu umfassenden Streikmaßnahmen im öffentlichen Dienst kommen", kündigt der dbb-Chef an. Silberbach rechnet zudem schon jetzt mit einer hohen Beteiligung bei der Urabstimmung, die für einen solchen Streik einberufen werden müsste, sowie einer großen Streikbereitschaft.
Laut Verdi haben sich rund 500.000 Beschäftigte in den vergangenen Wochen an Warnstreiks im öffentlichen Dienst sowie weiteren Aktionen beteiligt. Zudem hat die Gewerkschaft laut dpa in den vergangenen drei Monaten über 70.000 Eintritte neuer Mitglieder gemeldet. Sollte es Ende April erneut zu Streiks kommen, dürfte die Beteiligung weiterhin hoch sein.
Wie der Tagesspiegel berichtet, würde Verdi sich bereits auf einen alle öffentlichen Sektoren umfassenden Streik vorbereiten. Nach Informationen der Zeitung gäbe es bereits einen internen Streikplan für eine sechswöchige Arbeitsniederlegung. Schwerpunktmäßig würde dieser neben Abfall- und Verkehrsbetrieben auch Krankenhäuser betreffen. Nach der nötigen Urabstimmung könne ein solcher bundesweiter Ausstand ab Mitte Mai starten.