Was die neuen Sanierungspläne bei Varta bedeuten, ließ sich am Aktienkurs ablesen: Das Papier ist am Montag um rund 70 Prozent auf nur noch rund drei Euro abgestürzt – weiter unter den einstigen Ausgabewert. Der Befreiungsschlag des angeschlagenen Batterieherstellers wird in erster Linie zulasten der Aktionäre gehen. Diese könnten ihr komplettes eingesetztes Kapital verlieren. Bei Aktionärsschützern stößt das zugrunde liegende Gesetz auf harte Kritik. „Dass die Aktionäre bei einer Sanierung ihren Teil beitragen müssen, ist nachvollziehbar. Dass sie aber jetzt als Erstes hinausfliegen, geht nicht“, sagt Daniela Bergdolt, Vize-Präsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Varta hat in den vergangenen Jahren massiv investiert und neue Werke gebaut. Zur Finanzierung spielten Kredite eine große Rolle. Nach Angaben des Unternehmens betragen die Verbindlichkeiten fast eine halbe Milliarde Euro. „Die Verschuldung besteht aus einem Konsortialkredit in Höhe von 235 Millionen Euro und einem Schuldscheindarlehen in Höhe von 250 Millionen Euro“, berichtet ein Sprecher. „Diese Schuldenlast drückt, sodass man jetzt versucht, die Schulden wieder loszubekommen“, erklärt Aktionärsschützerin Bergdolt.
Insolvenz bei Varta soll abgewendet werden
Um die Schulden loszuwerden, hat das Unternehmen am Amtsgericht Stuttgart einen Antrag auf eine Sanierung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) gestellt. Es gehe um nicht weniger als darum, „eine mögliche Insolvenz des Unternehmens“ abzuwenden, teilte Varta mit. Das Gesetz ist Ende 2020 beschlossen worden und trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Es zielt darauf ab, ein Insolvenzverfahren zu vermeiden. Die Folgen für die Anteilseigner sind drastisch.
Um aus der Krise zu kommen, plant Varta mit einem Schuldenschnitt. Dabei würden die Gläubiger Varta einen Teil der Schulden erlassen. Dies wäre ein erster Schritt, wieder finanzielle Stabilität herzustellen. „Zu diesem Schritt wären die Gläubiger der Varta zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nur bereit, wenn ein Kapitalschnitt auf null erfolgt“, teilte das Unternehmen mit. Das heißt, dass das Grundkapital auf null herabgesetzt wird. Die Folgen: „Durch den Kapitalschnitt auf null werden sämtliche der bestehenden Aktien ihren Wert verlieren und die Börsennotierung der Varta AG zeitnah dauerhaft eingestellt.“
Michael Tojner und Porsche wollen frisches Geld geben
Zur Sanierung gehört auch, dass Investoren Varta frisches Geld zur Verfügung stellen würden. Hierzu, hieß es, laufen Verhandlungen mit Varta-Großaktionär Michael Tojner, der Porsche AG sowie anderen interessierten Parteien. Porsche hatte kürzlich bereits bestätigt, sich für die E-Autobatterie-Sparte von Varta zu interessieren. Bei der Geldspritze geht es um einen hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Varta galt lange als Hoffnungsträger der deutschen Batterie-Industrie. Die Aktie notiert zu Rekordzeiten bei über 125 Euro. Das Unternehmen hatte massiv in kleine Lithium-Ionen-Akkus investiert. „Die Marktnachfrage für Batterien dieser kabellosen Kopfhörer blieb bisher allerdings weit hinten den damaligen Erwartungen zurück“, begründet das Unternehmen die Krise. „Zusätzlich hat der Hauptkunde einen weiteren Lieferanten qualifiziert, weshalb zusätzlich eingeplante Volumen gefehlt haben.“ Varta beliefert den US-Konzern Apple mit kleinen Akkus. Beobachter sehen trotzdem Zukunftsperspektiven: „Varta ist ein lebendiges Unternehmen. Es baut Batterien, die gut sind und gebraucht werden“, erläutert Bergdolt.
Varta: „Derzeit keine Standort-Schließungen angedacht“
Der bisherige Mehrheitseigentümer Tojner verteidigt deshalb den harten Schnitt: „Wir müssen diesen Schritt setzen, um Varta eine Zukunft zu geben und fast 4000 Arbeitsplätze zu sichern“, sagte er. „Auch ich verliere im Zuge der nun gestarteten Sanierung den gesamten Aktienwert.“ Varta hat große Werke in Ellwangen und in Nördlingen. Die Standorte sind offenbar nicht in Gefahr: „Derzeit sind keine Standort-Schließungen angedacht“, heißt es auf Anfrage.
Dass die Varta-Aktionäre noch einen Teil ihres Kapitals retten können, glaubt selbst Aktionärsschützerin Bergdolt nicht: „Ich befürchte, die Aktionäre haben keine Chance mehr, ihr eingesetztes Geld zurückzubekommen“, sagt sie. Ähnlich skeptisch ist Marc Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger: „Aktuell muss man als Aktionär mit einem Totalverlust rechnen, da der Gesetzgeber das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz eben so gestaltet hat und dieses aktuell ein solches Vorgehen ermöglicht“, erklärt er.
Aktionärsschützer: StaRUG braucht Reform
Beide Aktionärsschützer kritisieren deshalb das Design des Gesetzes: „Der Gesetzgeber hat dieses Gesetz gemacht. Es gibt den schönen Spruch: Denn sie wissen nicht, was sie tun. Dies gilt hier: Sie wussten wirklich nicht, was sie tun“, sagt Bergdolt. „Die Aktionäre sollten laut Gesetzesbegründung ein Teil der Sanierung sein – Pfeifendeckel kann man hier auf gut Bairisch sagen“, kritisiert sie. „Wir haben bei dem Autozulieferer Leoni schon gesehen, dass die Aktionäre die Ersten sind, die hinausfliegen, obwohl sie die Eigentümer des Unternehmens sind“, erklärt Bergdolt. „Jetzt sehen wir dies abermals bei Varta.“
Für die Aktienkultur in Deutschland sei dies ein verheerendes Signal: „Es heißt häufig, die Bürger sollen mit Wertpapieren für ihr Alter vorsorgen. Welcher Privatmann wird aber noch in Aktien investieren, wenn er mit Varta sein Geld verloren hat?“, gibt sie zu bedenken. Bergdolt fordert, das Gesetz zu ändern: „Es müssen Schutzlinien für Aktionäre eingezogen werden“, betont sie.
Liebscher fordert ebenfalls eine Reform des Gesetzes: „Wir lehnen das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz ab“, sagt er. Die Aktionäre als Eigentümer sollten immer die Option bekommen, nochmals Geld nachzuschießen. „Jedenfalls sollten sie nicht einfach vor die Tür gesetzt werden können, ohne gefragt zu werden, ob sie nochmals Eigenkapital zeichnen wollen“, sagt Liebscher.
Dem Großaktionär und Verbrecher Michael Tojner darf man sein Spiel bei Varta auf Kosten der Mitarbeiter und KleinAktionäre nicht durchgehen lassen.
Haben Sie für Ihren schwerwiegenden Vorwurf „Verbrecher“ belastbare Beweise? Raimund Kamm
Wenn die Vorstände mit den Aktien ihres eigenen Unternehmens handeln dürfen, läuft das wegen des Informationsvorsprungs darauf hinaus, dass die eigenen Anleger geprellt werden. Genau so wie einige Schiedsrichter bei Fowls großzügig wegschauen, landet nicht jeder Betrüger vor Gericht und dann im Gefängnis. Über 80% der Anleger verlieren Geld an der Börse, weil das ganze so ähnlich wie ein Schneeballsystem funktioniert.
Der eigentliche Skandal ist doch, daß man Aktionäre qua Gesetz total enteignen kann. Sanierungsfälle, auch extremer Natur hat es immer gegebern undwird es auch künftig geben. Einem informierten Aktionär bzw. Geldanleger an der Börse kann ein solcher Reinfall eigentlich nicht passieren - aber trotzdem ist es ein "starkes Stück".
Der eigentliche Skandal ist dass Tojner vermutlich bereits 2022 wusste, wo die Reise hingeht und so schnell wie möglich seine Aktien an gutgläubige Menschen verschleudert hat, um den eigenen Schaden zu begrenzen. Es gibt leider kein Gesetz, dass man für eine solche Manipulation mit dem Privatvermögen haften muss. Der sogenannte "gut informierte Anleger" kann bestenfalls auf Alarmzeichen schnell reagiern.
Tojner hat nicht an gutgläubige Menschern sondern an die Börse verkauft. Und dies ist in Dokumenten aus z.B. dem Jahre 2022 öffentlich im Internet nachzulesen. Ebenfalls ist nachzulesen, daß VARTA bereits 2022 (und ein wenig früher) schon Probleme hatte. Alles kein Geheimnis.
Vielleicht sollte man Aktien und die Börse im Ganze einfach als Spielbank sehen, was sie eigentlich auch ist.
Sie wissen ganau, wie Ad-Hoc-Mitteilungen funktionieren, alle Anleger möglichst knapp vor der Abwicklung des Insidergeschäfts zu informieren, um diesen keine Reaktionszeit zu geben. Damit ist dann dem Gesetz Genüge getan und dem Kursmanipulierer droht keine Strafverfolgung. Tojner hat die Papiere nicht an DIE Börse sondern an DER Börse verkauft. Hätten sich alle potentiellen Käufer vorher informiert, wäre der Preis der Aktie verdienter Weise in den Keller gerauscht, da gebe ich Ihnen allerdings Recht.
Und? Wem gehören die Aktien nach einem Verkauf? DER Börse? =:) Die Börse ist einer Handelsplattform für Wertpapiere. Natürlich gibts auch andere Börsen. AD-HOC-Mitteilungen sind solche die den Börsenkurs beeinflussen können. Erfolgen diese zu spät oder unvollständig kann es empfindliche Bußgelder geben. Bei VARTA ist zumindest mir nichts davon bekannt.
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