Es ist das größte Sanierungsverfahren der österreichischen Wirtschaftsgeschichte – und zwar mit Abstand. Am Mittwoch trat ein, was für viele, die sich mit der Immobilien-Branche auskennen, seit Längerem absehbar war: Die Signa-Holding meldete am Handelsgericht Wien Insolvenz an, neunzig Tage haben alle Beteiligten nun vorerst Zeit, sich auf einen Sanierungsplan zu einigen. Die Verbindlichkeiten: rund fünf Milliarden Euro. Ob und wie viele weitere Signa-Gesellschaften nun in der Folge ebenfalls Insolvenz anmelden müssen, ist laut Insidern und Experten völlig offen. Am Donnerstag hat jedenfalls der zum Unternehmensgeflecht gehörende Sportartikelhändler SportScheck angekündigt, Insolvenz zu beantragen.
Ihren Gläubigern bietet die Signa-Holding 30 Prozent der Schulden. Ob dieses Angebot angemessen und realistisch ist, hat der eingesetzte Insolvenzverwalter, der Wiener Anwalt Christof Stapf, nun ebenso zu entscheiden wie die Frage, ob eine Fortführung der Geschäftstätigkeit der Signa-Holding überhaupt noch möglich ist. Angesichts der hochkomplexen Struktur, die Signa-Erfinder René Benko über die Jahre geschaffen hatte, eine Mammutaufgabe. Schließlich soll das Imperium des Signa-Erfinders René Benko in Eigenverantwortung abgewickelt werden – das bedeutet, dass die Eigentümer bei der Restrukturierung und Sanierung mitreden. Und genau das macht das anstehende Verfahren so schwierig.
Was der Experte Leonhard Dobusch zur Gemengelage sagt
Einer, der sich schon frühzeitig mit dem hochriskanten Geschäftsmodell des Signa-Imperiums beschäftigt hat, ist Leonhard Dobusch. Bereits 2020 hat der Ökonom von der Universität Innsbruck und dem gewerkschaftsnahen Momentum Institut in die Bilanzen gesehen – und bemerkt, dass Signa nach Abzug der Zinsen operativ negativ ist. „Jetzt holt Signa die Sünden der Vergangenheit ein“, sagt der Ökonom im Gespräch mit unserer Redaktion. Dobusch verweist auf die hochkomplexe Struktur der Signa-Gesellschafter: „Gerade die Tatsache, dass Signa bewusst nicht konsolidiert wurde und es völlig unübersichtlich ist, welche Gesellschafter wo investiert sind, wird zum Problem.“ Gesellschafter hätten unterschiedliche Interessen und stünden zudem untereinander in unterschiedlichen Geschäftsbeziehungen. „Das Problem ist, dass es sehr schwierig ist, transparent zu machen, wer von welcher Sanierungsmaßnahme profitieren und wer draufzahlen würde“, sagt Dobusch. „Und weil das transparent zu machen so schwierig ist, kann es auch schwierig werden, bei der Sanierung überhaupt zu einer Einigung zu kommen.“
Und wie geht es mit Galeria Karstadt Kaufhof weiter?
Auch für die Zukunft von Galeria Karstadt Kaufhof ahnt Dobusch nichts Gutes. Das Krachen des Signa-Imperiums werde „wahrscheinlich das Ende der Warenhäuser in großem Stil bedeuten“, sagt der Ökonom. Er hält es zum jetzigen Zeitpunkt für sehr unwahrscheinlich, dass jene 200 Millionen Euro, die Galeria Karstadt Kaufhof zugesagt wurden, tatsächlich fließen werden. „Das würde auch bedeuten, dass der zugesagte Sanierungsplan von Galeria Kaufhof Makulatur ist.“
Die Beschäftigten der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof müssen seit Mittwochabend mit dem Verkauf ihres Unternehmens rechnen. Zuvor war bekannt geworden, dass die Schweizer Tochter der insolventen Signa-Gruppe, die Signa Retail Selection AG, bei Gericht eine Nachlassstundung beantragen will. Die Geschäfte sollen geordnet abgewickelt werden, wie die Firma in Zürich mitteilte. Ihr ist auch die deutsche Galeria mit Hauptsitz in Essen unterstellt. Aus Sicht von Handelsexperten hat die Warenhauskette nur geringe Überlebenschancen. "Die Aussichten sind düster. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten macht das keinen Sinn", sagte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein der Deutschen Presse-Agentur zur Frage der Erfolgsaussichten im Falle eines Verkaufs.
Was Sebastian Kurz mit René Benko zu tun hat
Das Zustandekommen des Sanierungsplans von Galeria Karstadt Kaufhof wirft in Österreich zudem Fragen auf. Wie eine Recherche des Magazins News enthüllte, soll etwa Ex-SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer massiv von seiner Beratertätigkeit für Signa profitiert haben. Rund sieben Millionen Euro soll Gusenbauer Signa im Zeitraum von Januar 2020 bis Februar 2021 den weiteren Angaben zufolge in Rechnung gestellt haben.
Und einer der Gläubiger, der nun im Insolvenzverfahren Forderungen geltend machen kann, ist ein enger Vertrauter von René Benko: Noch im vergangenen April half Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, nun unter anderem als Berater aktiv, Benko bei dessen Investorensuche im Nahen Osten. Tatsächlich sollen die beiden einen Deal über 100 Millionen Euro abgeschlossen und Kurz ein Erfolgshonorar von 2,5 Prozent bei Benko verrechnet haben, berichtet der österreichische Kurier. Von den zweieinhalb Millionen Euro aber seien laut Medienberichten eineinhalb Millionen noch immer offen. (mit dpa)