Die Unternehmerschaft im Bund, aber auch in Bayern macht sich zum Teil große Sorgen, Corona-Soforthilfen aus der ersten Pandemiewelle im Frühjahr 2020 zurückzahlen zu müssen. Denn angesichts der jetzt drohenden Omikron-Variante wird das Geschäft gerade wieder schwieriger. Besonders unter Selbstständigen und kleinen Unternehmen sind Ängste da. Ein Überblick über die Probleme und Fakten.
1. Deshalb sorgen sich Unternehmen wegen der Soforthilfen:
Der Staat ist den Unternehmen in der Pandemie mit Hilfsprogrammen zur Seite gesprungen. Die Gelder waren an bestimmte Bedingungen geknüpft. Sind sie nicht erfüllt, müssen gegebenenfalls Gelder zurückerstattet werden. Ungünstig wäre es, wenn Behörden gerade zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Rückzahlung drängen würden. Dass in Geschäften, Restaurants oder zu Veranstaltungen nur Geimpfte und Genesene Zutritt hatten, hat das Geschäft belastet, beschreibt es Stefan Julinek vom Bund der Selbstständigen in Bayern. "Durch 2G oder 2G plus sind Umsätze eingebrochen", sagt er. "Hohe Rückzahlungen in der jetzigen Situation könnten für viele Unternehmen zum Todesstoß werden", warnt er. "Den Unternehmen fehlt häufig die Liquidität", sagt Julinek unserer Redaktion, sprich: das Geld. Im Sommer 2022, wenn das Geschäft zurückkehrt, könnte die Lage besser aussehen. Dass die Situation dramatisch ist, hat kürzlich eine Umfrage deutscher Gewerbeverbände gezeigt: "Jeder fünfte Betrieb erwägt inzwischen, aufgrund Corona aufzuhören."
Rückzahlungen könnten in allen Corona-Hilfsprogrammen ein Thema werden, sagt Julinek. "Das Problem ist, dass sich die Bedingungen für die Programme oft verändert haben", erklärt er und nennt ein Beispiel: So habe es für Gastronomen kurze Zeit das Signal gegeben, dass die Kosten für die Außenbestuhlung förderfähig seien. "Über Nacht ist diese Möglichkeit dann wieder rausgenommen worden, dabei kann es schnell um mehrere 1000 Euro gehen", sagt er. Die Summe müsste dann zurückbezahlt werden.
2. Das unternimmt der Bund in der Angelegenheit:
Die Bundesländer gehen derzeit unterschiedlich vor, was mögliche Rückzahlungen von Corona-Soforthilfen anbelangt. "Die Länder haben die Hilfen unterschiedlich in ihre Landesprogramme implementiert und deshalb verhalten sie sich nun auch ganz unterschiedlich", erklärt der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Wirtschaftsexperte Dieter Janecek. In Berlin und Nordrhein-Westfalen darf jeder Empfänger beispielsweise pauschal 4000 Euro an Lebensunterhalt plus Personalkosten behalten. In Berlin gab es die Rückforderungswelle schon, in Nordrhein-Westfalen wird sie noch erwartet. In Baden-Württemberg kann ein Betrag von 1180 Euro pro Monat für den Lebensunterhalt mindestens behalten werden. In vielen anderen Ländern ist die Situation unklar.
Angesichts der schwierigen Lage der Selbstständigen und kleiner und mittlerer Unternehmen in der neuen Corona-Welle hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Länder diese Woche zu einem Moratorium für mögliche Rückzahlungen der Corona-Soforthilfen aufgefordert. Recherchen des Handelsblatts zufolge sollen Kleinunternehmen und Selbstständige 287,8 Millionen Euro erstatten.
Habeck verwies darauf, dass Bund und Länder bei der Soforthilfe vereinbart hätten, in stichprobenartigen Kontrollen zu prüfen, ob die Bundesmittel bestimmungsgemäß verwendet worden seien. Diese Prüfungen seien in mehreren Ländern erst vor wenigen Monaten angegangen worden. Habeck spricht sich nun bei möglichen Rückforderungen für "angemessene Fristen" aus.
Grünen-Bundestagsabgeordneter Dieter Janecek hält einen Aufschub bei Rückforderungen für dringend notwendig: "Mitten in der erneuten schweren Pandemiephase ist das Damoklesschwert von Rückzahlungsforderungen eine harte Belastung für die Unternehmen", sagte er unserer Redaktion. Deshalb sei es richtig, dass Wirtschaftsminister Habeck den Vorgang mit den Ländern gemeinsam prüfen will. "Die Länder haben ohnehin Spielräume. Die Länder, die genau jetzt die Soforthilfen zurückfordern, müssten das noch nicht jetzt tun", sagt er. Frist für die Abgabe der Schlussberichte zu den Corona-Soforthilfen an den Bund ist der 30. Juni 2022. "Baden-Württemberg etwa hält die Bescheide noch zurück", sagt Janecek. "Für Bund und Länder muss jetzt gelten, die Situation der Unternehmen nicht weiter zu belasten, sondern Druck und Sorgen rauszunehmen."
3. Und so macht es Bayern:
In Bayern sind Corona-Soforthilfen von rund 2,2 Milliarden Euro an rund 265.000 Antragsteller ausbezahlt worden, berichtet das Bayerische Wirtschaftsministerium. Davon entfallen 1,8 Milliarden Euro auf Bundesmittel und 400 Millionen Euro auf das Landesprogramm. Beispielsweise gab es damals für Betriebe bis zu fünf Erwerbstätige 5000 Euro und für solche mit bis zu zehn Erwerbstätigen 7500 Euro.
Wenn die Betriebe im letzten Jahr tatsächlich die damals beschriebenen Liquiditätsengpässe erlitten haben - also ihnen das Geld auszugehen drohte -, müssen sie auch keine Hilfen zurückzahlen: "Sofern es keine wesentlichen Veränderungen im Vergleich zu dem bei Antragstellung prognostizierten Verlauf gibt, besteht auch keine Verpflichtung zur Rückmeldung und gegebenenfalls Rückzahlung", erläutert das Wirtschaftsministerium.
Ist das Geschäft im Frühjahr 2020 aber besser gelaufen als gedacht, kann es zu Rückzahlungen kommen: "Sollten sich hingegen wesentliche Veränderungen im Verlauf ergeben haben, beispielsweise weil die Einbußen geringer ausfielen als gedacht oder aber über weitere Hilfsprogramme mehr Geld zusammenkam als benötigt, muss der zu viel erhaltene Betrag zurückerstattet werden", so das Ministerium. In diesem Fall würden die Soforthilfe-Empfänger gebeten, Kontakt mit der zuständigen Bewilligungsstelle aufzunehmen, die dann Kontoverbindung und Verwendungszweck für die Rücküberweisung mitteilt.
Derzeit betrage die Gesamtsumme der Rückzahlungen im Freistaat rund 210 Millionen Euro, so das Wirtschaftsministerium in München. Die meisten Rückzahlungen finden bisher auf freiwilliger Basis statt, weil die Empfängerinnen und Empfänger selbst überprüft haben, ob sie die Voraussetzungen erfüllt hätten. Nur ein kleiner Anteil von geschätzt rund zehn Prozent beruhe auf Rückforderungen, bisher zum Beispiel wegen fehlerhafter Doppelzahlungen. Auf Antrag wird bei Rückzahlungen grundsätzlich ein zehnmonatiger Stundungs- oder Ratenzahlungszeitraum gewährt. Im Einzelfall könne dieser Zeitraum auf 24 Monate verlängert werden.
Wie es mit dem Bund vereinbart ist, will Bayern aber demnächst 1 Prozent der bewilligten Soforthilfen als Stichprobe überprüfen, berichtet das Bayerische Wirtschaftsministerium. "Entsprechend dem gestrigen Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers Dr. Habeck wird auch Bayern in den Fällen, bei denen im Rahmen der Stichprobenprüfung Rückforderungen veranlasst sein sollten, einen Rückzahlungstermin zum 31. Oktober 2022 einräumen", sichert das Ministerium zu.