Jörg Schlagbauer ist ein selbstbewusster und erfahrener Arbeitnehmer-Vertreter. Nach sechs Jahren als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender wurde er 2023 zum Vorsitzenden des Betriebsrats für das Werk Ingolstadt und zum Chef des Gesamtbetriebsrats der Audi AG gewählt. Inzwischen ist der Gewerkschafter auch Aufsichtsrats-Vize bei Audi. Wenn die Arbeitgeberseite etwas Übles im Schilde führt, spricht Schlagbauer verlässlich Klartext. So müsste er eigentlich am Donnerstag auf den Tisch hauen und Audi-Chef Gernot Döllner die Leviten lesen, schließlich berichtet das Manager Magazin, der Firmen-Lenker wolle Tausende Arbeitsplätze abbauen. Denn die Lage bei Audi habe sich über den Sommer weiter zugespitzt, die Stimmung bleibe im Management angespannt, die Verkaufszahlen seien in den ersten neun Monaten dieses Jahres „abgesackt“ und die neuen Modelle funktionierten bisher nicht. Volkswagen-Konzernchef Oliver Blume habe die Tochter Audi auch noch als „Restrukturierungsfall“ bezeichnet.
Noch arbeiten knapp 40.000 Menschen bei Audi in Ingolstadt
Nach dem Bericht stehen mittelfristig bei Audi im indirekten Bereich, also in Sparten außerhalb der Produktion, in Deutschland etwa 4500 Stellen auf dem Spiel. Das wäre dramatisch. So würden dem größten Standort in Ingolstadt mit knapp 40.000 Beschäftigten herbe Personaleinschnitte drohen. Der Donaukurier hatte zuvor weniger konkret berichtet, in der Belegschaft mache sich Unbehagen breit, seit die Führung der Marke VW massive Kürzungspläne bekannt gegeben hat. Da müsste Schlagbauer die Audi-Führung doch frontal angehen? Doch gegenüber unserer Redaktion unterlässt er jegliche Attacken und meint lediglich: „Wir sind in Gesprächen mit dem Unternehmen über die inhaltlichen Ziele, um Audi wetterfest zu machen, aber noch nicht in Verhandlungen.“ Dabei gehe es um klare Strukturen, schnellere Entscheidungsfindung, verbesserte Prozesse und um mehr Wertschöpfung bei dem Autobauer.
Der Betriebsrats-Vorsitzende spricht betont sachlich und unaufgeregt. Er verweist auf die Grundsatzerklärung „Audi.Zukunft“ aus dem Jahr 2019. Damals wurde vereinbart, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Betriebsrat und Unternehmen darüber sprechen, wie betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden können. Schlagbauer: „Alles andere sind Gerüchte und Spekulationen an denen wir uns nicht beteiligen.“ Er dementiert also, dass es derzeit Gespräche über einen weiteren Stellenabbau bei Audi gibt. Im Rahmen von „Audi.Zukunft“ hatte das Unternehmen mit dem Betriebsrat vereinbart, dass bis zu 9500 Arbeitsplätze sozialverträglich, also ohne Kündigungen, abgebaut werden sollen. Eine Audi-Sprecherin bestätigte auf Anfrage, diese Stellen seien inzwischen weitgehend weggefallen. Die Firmen-Führung hat hier viel früher als die kriselnde Marke VW im großen Umfang die Personalzahl verringert.
Audi zieht sich aus Brüssel zurück
Während in Wolfsburg bei der Schwestermarke VW noch gerungen wird, ob und welche Werke geschlossen werden können, lässt Audi Ende Februar 2025 die eigene Auto-Produktion am Standort in Brüssel mit knapp 3000 Beschäftigten auslaufen. Ob die Fabrik dicht gemacht wird, dort andere Produkte als Autos gebaut werden oder ein Investor einsteigt, ist nach Informationen unserer Redaktion weiter offen. Es finden noch Gespräche statt. Sollten aber in Brüssel im Extremfall nahezu 3000 Stellen wegfallen, würde das Unternehmen mit dem im Programm „Audi.Zukunft“ vereinbarten Job-Ziel, insgesamt schon bis zu 12.500 Arbeitsplätze streichen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es unter Audianern: „Wir sind damit gegenüber VW in Vorleistung getreten.“ Ob das reicht, kann zum jetzigen Zeitpunkt keiner seriös beantworten. In Ingolstadt halten sich trotz aller Dementis Gerüchte, es drohe weiteres Job-Ungemach, zumal die Geschäftszahlen zuletzt unbefriedigend gewesen sind. In den ersten neun Monaten dieses Jahres hat Audi genau 1.251.381 Autos verkauft, während es im Vorjahreszeitraum mit 1.404.428 noch deutlich mehr waren.
Die ehrgeizigen Elektro-Pläne gehen wie bei anderen Autobauern noch nicht auf. Der Anlauf neuer E-Fahrzeuge hat sich schleppend gestaltet. So war das Ergebnis nach Steuern im Audi-Konzern von rund 4,47 auf etwa 2,43 Milliarden Euro abgerutscht. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass Audi rund 1,2 Milliarden Euro für die Restrukturierung des Werkes in Brüssel zurückstellen musste. Trotz aller Schwierigkeiten und der Branchen-Krise steht Audi insgesamt wirtschaftlich besser da als die Marke VW, obschon die Ingolstädter einräumen, an der finanziellen Performance arbeiten zu müssen. Die Unternehmensführung steht massiv unter Druck, wie auch die zahlreichen Personal-Wechsel in Führungspositionen zuletzt gezeigt haben.
Wie reagiert die Audi-Spitze auf die Berichte, Tausende weitere Stellen könnten gestrichen werden? Eine Firmen-Sprecherin sagte unserer Redaktion, das Unternehmen halte an der Beschäftigungs-Garantie bis Ende 2029 fest. Demnach sind in dem Zeitraum betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Das Unternehmen teilte weiter mit: „Wir bestätigen weder den behaupteten Stellenabbau noch die genannten Zahlen.“ Wie schon der Betriebsrats-Vorsitzende Schlagbauer dementiert auch die Firmenleitung die vom Manager Magazin recherchierten Stellen-Abbaupläne. Der Audi-Vorstand bestätigt allerdings, dass die im Pakt „Audi.Zukunft“ vereinbarte Schlechtwetter-Klausel greife. Hier können bei verschlechterten unternehmerischen Rahmenbedingungen neue Verhandlungen aufgenommen werden. Die Rahmenbedingungen haben sich für die Autoindustrie massiv verschlechtert. Welche mittel- und langfristigen Konsequenzen das auf die Arbeitsplätze bei Audi hat, ist ungewiss. Beschäftigte sind jedenfalls verunsichert.
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