Der Chemiekonzern Evonik will im Zuge eines Verwaltungsumbaus viele Stellen streichen. Bis zu 2000 sollen wegfallen, rund 1500 davon in Deutschland, wie der MDax-Konzern in Essen mitteilte.
Der Abbau soll größtenteils über natürliche Fluktuation, aber auch über Abfindungsprogramme erfolgen. Die jährlichen Kosten sollen nach Abschluss des Programms Ende 2026 um rund 400 Millionen Euro niedriger liegen als bisher, erste Auswirkungen werde es bereits 2024 geben. Dank solcher und anderer Einsparungen wollen die Essener den operativen Gewinn 2024 in einem weiterhin schwierigen Umfeld zumindest leicht steigern.
Bis 2032 keine betriebsbedingten Kündigungen
Evonik zählte Ende 2023 weltweit rund 33.400 Vollzeitstellen, davon rund 20.000 in Deutschland. Heute gab der Konzern den Verkauf seines Geschäfts rund um saugstarke Materialien etwa für Windeln bekannt. In dem Bereich sind rund 1000 Menschen beschäftigt, 750 davon in Deutschland. Bei dem geplanten Stellenabbau werden diese Stellen aber nicht mitgezählt. Der Konzern bekräftigte seine Zusage von 2022, bis 2032 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen.
Das Unternehmen hatte bereits im September angekündigt, die Verwaltung spürbar straffen zu wollen. "Die erste Phase ist jetzt abgeschlossen", hieß es nun im Zuge der Vorlage der Geschäftszahlen für 2023. Die neue Organisation solle bis Ende 2026 etabliert werden. Die Anzahl der Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands werde von zehn auf maximal sechs reduziert, Prüf- und Freigabeverfahren sollen erheblich beschleunigt werden.
Das Vorgehen ähnelt dem des Pharma- und Agrarchemiekonzerns Bayer, der die Verwaltung aktuell auch verschlankt, um Bürokratie abzubauen. Wie bei Bayer werden auch bei Evonik überproportional viele Führungspositionen von den Streichungen betroffen sein. "Wie der geplante Stellenabbau im Detail sozialverträglich gestaltet wird, werden Vorstand und Mitbestimmung in den kommenden Wochen verhandeln", erklärte Evonik.
IGBCE: Stellenabbau sozialverträglich gestalten
Die angekündigten Strukturveränderungen müssen nach Ansicht der Chemie-Gewerkschaft IGBCE die Leistungsfähigkeit des Konzerns nachhaltig verbessern. "Ein reines Kosteneinsparprogramm würde den Herausforderungen, vor denen das Unternehmen steht, nicht gerecht", erklärte IGBCE-Vorstand Alexander Bercht, der auch stellvertretender Evonik-Aufsichtsratschef ist.
Es müsse schnell Klarheit für die Beschäftigten geschaffen werden, wie ohne die in Deutschland wegfallenden 1500 Stellen die zuvor geleistete Arbeit weiterhin erledigt werde. "Die Stellenreduzierungen dürfen nicht zu einer Mehrbelastung führen." Auch müsse der geplante Jobabbau in Deutschland sozialverträglich erfolgen, "vorrangig über natürliche Fluktuation und Angebote an Beschäftigte, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen", so Bercht weiter.
Im Gesamtjahr 2023 musste Evonik bei einem Umsatzrückgang um 17 Prozent auf knapp 15,3 Milliarden Euro einen Rutsch des operativen Ergebnisses um ein Drittel auf 1,66 Milliarden Euro hinnehmen. Dabei blickt das Unternehmen den Angaben zufolge nun schon auf sieben Quartale ohne spürbare Absatzbelebung zurück. Unter dem Strich steht ein Verlust von 465 Millionen Euro - nach einem Überschuss von 540 Millionen im Jahr zuvor. Das Minus resultiert auch aus Wertminderungen für Geschäftsteile.
Mit Blick aufs Tagesgeschäft rechnet Evonik-Chef Christian Kullmann derweil mit keiner schnellen Erholung. Das globale Wachstum werde erneut hinter den Vorjahren zurückbleiben - hohe Inflation und restriktive Geldpolitik belasteten, heißt es im Geschäftsbericht. Daher werde die Nachfrage schwach bleiben.
Kullmann: Europa braucht keinen "braunen Mob"
Bei einem erwarteten Umsatz von 15 bis 17 Milliarden Euro peilt Evonik 2024 einen um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 1,7 bis 2,0 Milliarden Euro an. Das Konzernergebnis soll laut Finanzchefin Maike Schuh positiv sein.
Die Dividende für 2023 soll mit 1,17 Euro je Aktie stabil bleiben. Größte Einzelaktionärin mit rund 53 Prozent der Anteile ist die RAG-Stiftung, die für alle Zeit für die Folgekosten aus dem deutschen Steinkohlebergbau aufkommen muss. Die übrigen Anteile befinden sich in Streubesitz.
Mit Blick auf die Europawahlen bezog Kullmann Stellung gegen Rechtsextremismus. "Ein wirtschaftlich prosperierendes Europa braucht eines nicht: einen braunen Mob in den europäischen Parlamenten und einen braunen Mob, der hier zusätzlich versucht, sich Einfluss zu verschaffen."
(dpa)