In der Schwaben Apotheke in Dillingen war es Ende Juli soweit. Ein Kunde brachte zum ersten Mal ein E-Rezept in die Apotheke, um es einzulösen. „Es war von einem Zahnarzt, dort sind die Praxen bei der Umstellung wohl schon relativ weit“, erinnert sich Apotheker Matthias Schneider. Das Team habe mit dem Rezept die neuen Abläufe üben können. Noch sind die E-Rezepte eine Seltenheit in Bayern, bald aber könnten Patientinnen und Patienten häufiger damit in Kontakt kommen.
Ein wichtiger Schritt in der Umstellung steht jetzt bevor: Ab dem 1. September sind alle Apotheken in Deutschland bereit, E-Rezepte entgegenzunehmen und einzulösen. „Die Apotheken sind E-Rezept-ready, auch in Bayern“, sagt Thomas Metz, Sprecher des Bayerischen Apothekerverbandes. Die dafür nötige Hard- und Software ist in den Apotheken vorhanden, für das Personal gab und gibt es Schulungen.
Das E-Rezept ersetzt das bisherige rosa Formular
Was aber verbirgt sich hinter dem E-Rezept? Bisher erhalten Patientinnen und Patienten in den Arztpraxen und Krankenhäuser ein rosafarbenes Rezept, mit dem sie verschreibungspflichtige Medikamente in der Apotheke abholen können. Die Zeit für dieses Papierformular läuft allerdings langsam ab. Das Rezept wird elektronisch.
Das E-Rezept berechtigt auch weiterhin zur Abholung eines Medikaments in der Apotheke. Es wird zwar wie bisher von der Ärztin oder dem Arzt ausgestellt. Die Praxis speichert es dann aber – und das ist neu – auf einem zentralen, bundesweiten Server, also in einer Datenbank. Über die App „Das E-Rezept“ können Patientinnen und Patienten dann die Verschreibung auf dem Smartphone einsehen. Gehen sie zur Apotheke und zeigen ihr Smartphone mit einem Code vor, kann der Apotheker das Rezept ebenfalls vom zentralen Server abrufen und das Medikament aushändigen.
Was aber, wenn man kein Smartphone hat? Dann gibt es einen zweiten Weg, der anfangs vielleicht der normale sein könnte. In der Praxis können sich die Patienten weiterhin einen Papierausdruck geben lassen. Dieser ist weiß, nicht mehr rosa. Er enthält einen QR-Code – eine Art rechteckigen Strichcode – der in der Apotheke eingescannt werden kann.
Start für das E-Rezept in Bayern ist noch unklar
Die Einführung des E-Rezepts war eigentlich bereits zum 1. Januar geplant, hat sich dann aber wegen mehrerer Probleme verzögert. Nun soll die Umstellung kommen. Die Voraussetzung, dass man mit mindestens 30.000 eingelösten E-Rezepten Erfahrungen sammeln wollte, ist erfüllt. Ende Juli waren es über 100.000 berichtet die Gesellschaft Gematik, die für die zentrale E-Rezept-Infrastruktur verantwortlich ist.
Nicht jeder Patient wird allerdings ab dem 1. September sofort ein E-Rezept in die Hand bekommen. Die flächendeckende Umstellung erfolgt stufenweise im Bundesgebiet. Start ist am 1.9. in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe. Ärzte und Krankenhäuser werden dort nach Angaben der Gematik angehalten, E-Rezepte auszustellen. Danach soll das E-Rezept zunächst in sechs weiteren Regionen und erst dann im gesamten Bundesgebiet eingeführt werden. Wann Bayern an der Reihe ist, sei noch offen, sagt Apotheken-Sprecher Metz.
In Bayern müssen erst noch viele Ärzte die Abläufe umstellen
Ein Grund für die schrittweise Einführung ist, dass zwar die Apotheken bereit sind, die meisten Arztpraxen aber noch umstellen müssen: „Die Ärzteschaft in Bayern hat das E-Rezept bei weitem nicht flächendeckend eingeführt“, sagt Metz. Wo es aber der Fall ist, Ärzte und Apotheke nahe zusammenliegen und sich die Abläufe eingespielt haben, klappe es gut.
In Dillingen erwartet Apotheker Matthias Schneider, dass sich das E-Rezept schrittweise durchsetzt: „Ich denke, dass in einem Jahr mehr als die Hälfte der Rezepte elektronisch sein werden“, sagt er. Um für die Umstellung gerüstet zu sein, seien bei ihm rund 8000 bis 10.000 Euro an Investitionen pro Apotheke nötig gewesen, unter anderem in Technik und elektronische Heilberufsausweise für alle Apothekerinnen und Apotheker.
Das E-Rezept kann für Patienten durchaus Vorteile haben, zum Beispiel in ländlichen Regionen. Ist die nächste Arztpraxis einige Kilometer entfernt, kann es weite Wege überflüssig machen. Die neue Technik erlaubt es nämlich Arztpraxen, ihren Patienten planbare Verschreibungen auf das Smartphone zu schicken. „Dies bietet sich zum Beispiel für Diabetiker oder Bluthochdruck–Patienten an, bei denen sich die Medikation über Jahre hinweg nicht geändert hat“, sagt Metz. Die Fahrt in die Praxis, um ein Rezept abzuholen, wird überflüssig.
Allerdings könnte es sein, dass man einige Zeit aufwenden und technisches Geschick haben muss, um die Vorteile nutzen zu können: Nötig sei ein NFC-fähiges Handy und eine NFC-fähige Gesundheitskarte. Das bedeutet, dass man mit den Geräten auf kurze Entfernung Daten übertragen kann, wie beim kontaktlosen Bezahlen. Beides muss zudem verknüpft werden.
Auch die Apotheken erhoffen sich Vorteile vom E-Rezept. Zum Beispiel, weil formale Fehler vermieden werden können, die im schlimmsten Fall dafür gesorgt haben, dass Apotheken von den Krankenkassen die Kosten für die abgegebenen Medikamente nicht erstattet bekommen haben. Beispielsweise, weil auf dem Rezept die Unterschrift des Arztes fehlte oder ein Rezept abgelaufen war, aus Versehen aber doch angenommen wurde.
Bayerischer Apothekenverband: Auch die Gesundheitskarte könnte genutzt werden
Die bayerischen Apotheker könnten sich auch noch eine weitere Erleichterung vorstellen: Das E-Rezept könnte gut auch auf die elektronische Gesundheitskarte ausgestellt werden, sagt Thomas Metz. Neben dem Smartphone oder dem QR-Code auf einem weißen Zettel gäbe es damit noch einen dritten, einfachen Übermittlungsweg. „Ihre Versichertenkarte haben die meisten immer dabei“, erklärt er.
Und wie lauten die ersten Erfahrungen mit der neuen Technik in den Apotheken? Wie bisher nehmen diese das Rezept ihrer Kundschaft entgegen und lesen es ein. „Einige Schritte danach sind allerdings anders und dauern etwas länger“, lautet die Erfahrung von Apotheker Schneider. Das liege auch daran, dass zuerst mit dem zentralen Server Kontakt aufgenommen werden muss, auf dem das Rezept abgespeichert ist. Dann muss auf eine Rückmeldung gewartet werden. „Alles steht und fällt also mit einer guten IT-Infrastruktur“, vermutet Schneider. Der Gematik-Server muss schließlich bei rund 18.000 deutschen Apotheken eines Tages mit hunderttausenden Rezept-Anfragen pro Tag klarkommen.
In der Schwaben Apotheke in Dillingen stellt man sich deshalb darauf ein, die Kundschaft bei der Umstellung hin und wieder, um Geduld bitten zu müssen. „Wir freuen uns auf das E-Rezept, es stellt aber auch eine Umstellung eines über viele Jahrzehnte bewährten System dar“, sagt Schneider. „Da kann es sein, dass wir manchmal freundlich um Verständnis bitten.“