Der Rubel rollt – steil bergab. Durch die westlichen Sanktionen hat die Landeswährung zeitweise rund 40 Prozent ihres Wertes verloren. Vor den Filialen der russischen Banken bilden sich erste Schlangen, Leute wollen ihr Geld. Ihre Angst: Dass die Banken Pleite gehen und ihr Erspartes verloren. Genau das wollen Europäer und Amerikaner erreichen. Als Vergeltung für den Angriff auf die Ukraine die russische Wirtschaft in eine Finanzkrise zu stürzen, die sich in einen tiefen Abschwung der Realwirtschaft übersetzt. Dabei soll das Leben für die Russen teurer werden, während gleichzeitig das Wachstum einbricht. Das soll die Unzufriedenheit mit der Herrschaft Wladimir Putins nähren und aus westlicher Sicht im besten Fall sein Regime zum Einsturz bringen. Damit der Plan aufgeht, hat der Westen die russischem Banken weitgehend vom internationalen Zahlungsnetzwerk Swift abgeklemmt. Es ist jetzt sehr mühselig, wenn auch nicht unmöglich, Geld nach Russland zu überweisen oder Geld aus Russland zu beziehen. Dieser Schritt war erwartet worden.
Der russische Devisenschatz ist eingefroren
Völlig überraschend kam ein anderer Schlag. Der Westen beraubte Putins seines Devisenschatzes. Über 600 Milliarden Dollar betragen die angehäuften Reserven. Nur ein kleiner Teil liegt davon als Banknoten in russischen Tresoren. Der Löwenanteil besteht nur elektronisch aus Ziffern auf Konten, die die russische Zentralbank bei anderen Zentralbanken hat. Dieses Geld ist nun eingefroren. Russland kann es nicht mehr einsetzen, um mit diesen Devisen Rubel zu kaufen und den Kurs zu stützen. Das Vorgehen des Westens war deshalb nicht erwartet worden, weil es allen Diktaturen der Welt ein Zeichen ist, dass Devisenreserven im Westen nicht sicher sind und im Zweifel gesperrt werden. In China zum Beispiel wird dieser Beschluss sehr genau beobachtet.
Putin will mit den Gaserlösen den Rubel stützen
Putin ist dennoch nicht völlig vom Zufluss harter Währung abgeschnitten. Vom Finanzbann ausgenommen ist das Geschäft mit Öl, Gas und Kohle, die von Russland nach Europa geliefert wird. Dadurch nimmt das Land jeden Tag mehrere hundert Millionen Dollar ein. Wie genau die russische Regierung die Beträge nutzen will, deutet sich an. Das russische Finanzministerium hat die Unternehmen angewiesen, 80 Prozent ihres Bestandes an Fremdwährung einzusetzen und damit Rubel zu kaufen. Steigt dadurch die Nachfrage nach Rubel, wird der Kurs gestützt. Mit dem Rest könnten Importe in China und Indien bezahlt werden, die sich den westlichen Sanktionen nicht angeschlossen haben.
In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob die russische Führung eine Panik in der Bevölkerung und einen Sturm auf die Banken vermeiden kann. Die Begrenzung von Abhebungen könnte ein Mittel sein, das zum Beispiel in Griechenland während der schweren Finanzkrise zum Einsatz kam. Der Staat könnte auch Banken mit Geldspritzen stärken. Die beschlossene Verdopplung des Leitzinses dient dazu, den Russen durch hohe Zinsen einen Grund zu liefern, ihr Geld auf dem Konto zu lassen. Der Rubelkurs erholte sich im Laufe des Tages von seinem Tief nach Öffnung der Märkte.
Habeck droht Russland für den Fall eines Lieferstopps
Als Konter der Strafmaßnahmen Europas und der USA hätte Russland die Option, den Export mit Brennstoffen zu drosseln oder einzustellen. Schon jetzt ist in beiden Wirtschaftsräumen die Inflation hoch. Diese würde weiter nach oben getrieben, die Versorgungssicherheit der Industrie mit Gas wäre in der EU und in Deutschland gefährdet. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) machte Putin deshalb eine klare Ansage: „Kappt der Kreml die Energieversorgung für Deutschland, dann wird diese nie wieder aufgebaut werden.“ Beide Seiten haben eigentlich kein Interesse an einem Lieferstopp. Aber auch vermeintliche Gewissheiten stehen im Krieg zur Disposition.
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