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Übergewinnsteuer: Werden Krisengewinner bald stärker zur Kasse gebeten?

Übergewinnsteuer

Werden Krisengewinner bald stärker zur Kasse gebeten?

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    In Berlin haben die Mineralölkonzerne die Preise an den Zapfsäulen nochmal kräftig angehoben, bevor am 1. Juni der Bundesregierung beschlossene Steuerrabatt in Kraft trat.
    In Berlin haben die Mineralölkonzerne die Preise an den Zapfsäulen nochmal kräftig angehoben, bevor am 1. Juni der Bundesregierung beschlossene Steuerrabatt in Kraft trat. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Dass die Politik Milliardenbeträge verteilt, daran hat man sich in den vergangenen Jahren beinahe gewöhnen können. Erst hat der Staat mit großzügigen Kurzarbeiterregeln und direkten Zahlungen in Milliardenhöhe versucht die Folgen der Corona-Pandemie für Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch für Unternehmen abzufedern. Jetzt sind es der Krieg in der Ukraine und die in der Folge weiter rasant gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten, die den Bundeshaushalt mit ungeplanten Mehrkosten in Milliardenhöhe belasten.

    Seit Mitte der vergangenen Woche gibt es nicht nur das Neun-Euro-Ticket für den Regionalverkehr, für das Finanzminister Christian Lindner (FDP) allein 2,5 Milliarden Euro bereitstellen musste. Auch der Rabatt auf die Energiesteuer, für den Lindner sich stark gemacht hat, gilt seit dem 1. Juni. Geschätzte Mindereinnahmen für den Bund hier: 3,15 Milliarden Euro. Beide Entlastungsmaßnahmen stehen in der Kritik. Doch beim Steuerrabatt für den Sprit, der bei Benzin 35,2 Cent pro Liter beträgt, bei Diesel 16,7 Cent, kommt eine Sorge hinzu: Erreicht die Hilfe des Staats auch wirklich in vollem Umfang jene, für die sie gedacht war?

    Das Kartellamt will genau hinsehen

    Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, hat jedenfalls angekündigt, die Preispolitik der Mineralölkonzerne genau im Blick zu behalten. Denn zumindest an den ersten Tagen blieben die Preisrückgänge an den Tankstellen deutlich hinter dem zurück, was nach der Steuersenkung möglich sein sollte. Prompt bekommt nimmt nun die Diskussion wieder Fahrt auf, ob der Staat Unternehmen, die von der Krise aktuell besonders profitieren, nicht auch gesondert zur Kasse bitten sollte.

    Das Bundesland Bremen hat bereits angekündigt, am kommenden Freitag einen entsprechenden Vorschlag in den Bundesrat einbringen zu wollen. Kriegs- und krisenbedingte Übergewinne von Konzernen sollten mit einer zeitlich befristeten Sonderabgabe belegt werden. Auch bei der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) war die Frage, wie Spekulationen mit Öl, Gas und Strom unterbunden werden können, ein Thema.

    DGB-Vorstand Körzell: "Vorschlag aus Bremen muss unbedingt diskutiert werden"

    Unterstützung für die Übergewinnsteuer kommt von den Gewerkschaften: "Es geht gar nicht, wenn Unternehmen ihre Preise erhöhen und damit die ohnehin inflationsgeplagten Verbraucher*innen noch zusätzlich belasten, um Extra-Gewinne einzufahren und an die Aktionäre auszuschütten", sagte Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), unserer Redaktion.

    Im Idealfall verhindere zwar ein wirkungsvolles Kartellrecht, dass ungerechtfertigte Preissteigerungen überhaupt entstehen, sagt Körzell. "Wo das nicht funktioniert, kann eine Übergewinnsteuer dafür sorgen, dass die Inflation nicht durch überhöhte Gewinne angetrieben wird. Deshalb muss der Vorschlag aus Bremen unbedingt diskutiert werden", fordert er.

    Wenn die Unternehmen davon ausgehen müssen, dass Übergewinne weggesteuert werden, sinke für sie der Anreiz, die Preise unnötig zu erhöhen, argumentiert DGB-Vorstand Körzell. "Mit den so erzielten Staatseinnahmen können die Mehrbelastungen der Verbraucher*innen kompensiert werden", schlägt er vor.

    Während die politische Diskussion noch läuft, warnen Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensverbände vor so einer Maßnahme.

    Clemens Fuest, der Direktor des Münchner ifo-Instituts, sagte unserer Redaktion, er halte das in der aktuellen Lage nicht für sinnvoll. "Unternehmensgewinne schwanken sehr stark und sind von vielen Zufällen beeinflusst, und sie werden ja schon besteuert. Wer plötzlich hohe Gewinne macht, zahlt entsprechend hohe Steuern." Eine Zusatzsteuer einzuführen halte er für problematisch, "weil dadurch der Willkür Tür und Tor geöffnet wird, die Unsicherheit im Steuersystem steigt und Anreize verringert werden, für Krisenzeiten vorzusorgen, so Fuest.

    Vorbild Italien? So klar ist die Lage nicht

    Problematisch sei schon die Definition von Übergewinnen. Unternehmen, die trotz niedriger Ölpreise, Förderanlagen in den vergangenen Jahren offen gehalten haben, unterstützten die Wirtschaft jetzt durch mehr Ölangebot. "Dass damit derzeit auch hohe Gewinne verbunden sind, ist in Ordnung. Gleiches gilt für Firmen, die vor und während der Coronapandemie Medikamente gegen Covid entwickelt haben oder Digitalfirmen, die uns ermöglicht haben, trotz Lockdown viele Aktivitäten weiterzuführen", erklärt Fuest. Übergewinnsteuern sollten auf Extremsituationen beschränkt bleiben, wie etwa während der beiden Weltkriege. Dass die USA damals die Rüstungsindustrie stärker besteuert hätten, sei nachvollziehbar.

    Abgesehen davon stellt sich aber auch die Frage der technischen Umsetzbarkeit. Welche Branchen bezieht man ein? An welche Kennzahlen bindet man die Steuer? Fuest sieht dies aber als beherrschbar an. Man könne für eine beschränkte Zeit und einen beschränkten Kreis von Unternehmen eine zusätzliche Besteuerung beschließen. Ansetzen könne man etwa am Gewinnzuwachs, an hohen Renditen oder an Wertschöpfungszuwächsen. Vorbilder aus dem Ausland gäbe es. Italien hat etwa für den Zeitraum Oktober 2021 bis März 2022 eine Übergewinnsteuer auf Energieunternehmen eingeführt. Für eine Bewertung der Maßnahme sei es nach Fuests Ansicht aber noch zu früh.

    Aus der Wirtschaft gibt es, wenig überraschend, keine Zustimmung für eine neue Sonderabgabe. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sagt unserer Redaktion: "Jetzt ist nicht die Zeit, um weitere Belastungen für Unternehmen zu beschließen. Auch wenn eine Sondersteuer auf krisenbedingte Übergewinne laut EU-Kommission grundsätzlich umsetzbar wäre, ist eine exakte und faire Ausgestaltung kaum zu gewährleisten."

    Energieunternehmen stünden für die Transformation in Richtung Klimaneutralität vor Investitionen in Milliardenhöhe. "Die aktuelle Einnahmesituation erleichtert diese Prozesse. Insofern sollten durch staatliche Eingriffe keine falschen Signale gesetzt werden, die generell die Investitionsbereitschaft von Unternehmen beeinträchtigen können", so Brossardt weiter.

    Kerstin Andrea, BDEW: "Eine Gewinnabschöpfung wäre das denkbar falsche Signal"

    Auch große Teile der Energiewirtschaft stellen sich gegen die Übergewinnsteuer: Angesichts der unerträglichen Situation in der Ukraine arbeite die Branche mit absolutem Hochdruck, Engagement und Investitionen an Lösungen, um die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energierohstoffen zu minimieren, sagte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) unserer Redaktion. "Eine Gewinnabschöpfung wäre das denkbar falsche Signal, vielmehr brauchen die Unternehmen jetzt Mittel und Investitionssicherheit, um den dringend notwendigen Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben", warnt Andreae. "Hinzu kommt, dass eine Übergewinn-Steuer rechtlich quasi nicht umsetzbar ist, dies haben beispielsweise die Erfahrungen mit der Brennelemente-Steuer gezeigt", sagt sie.

    Auch der Verband der Kraftstoffhersteller und Kraftstoffvertriebsunternehmen in Deutschland, der unter dem Kürzel en2x auftritt, warnt vor Rückschritten im Umbau der Energieversorgung, sollte die Übergewinnsteuer kommen: "Eine weitere Erhöhung der Besteuerung könnte dazu führen, dass Unternehmen geplante Investitionen in erneuerbare Energien nicht mehr im geplanten Umfang tätigen können", warnt der Verband auf Anfrage unserer Redaktion. "Die Politik muss entscheiden, ob sie den Unternehmen genügend finanzielle Mittel belässt, um in Klimaschutz zu investieren." Bereits heute würden Unternehmensgewinne in Deutschland in einem im internationalen Vergleich hohen Maße besteuert. "Deutschland ist Hochsteuerland", argumentiert en2x.

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