Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan möchte seine Landsleute dazu bewegen, sich von ihrem Gold zu trennen. Sie sollen es beim Staat abliefern, der damit die Goldreserven der Notenbank aufpäppeln will. Aber ob der Appell viel Resonanz findet, ist fraglich.
Gold hat in den Augen vieler Türken einen ganz besonderen Glanz. Es verspricht Wertbeständigkeit. Fast jede Familie verwahrt einen Teil ihrer Ersparnisse in dem Edelmetall, sei es in Schmuckstücken, Münzen oder in Form von Goldbarren. Allein im Großen Basar in Istanbul gibt es über 1000 Goldhändler. Zu Hochzeiten ist Gold ein beliebtes Geschenk. Der Goldschatz schlummert in Truhen und Tresoren oder glänzt als Geschmeide. 5000 Tonnen Gold horten die privaten Haushalte in der Türkei, schätzt Finanzminister Nureddin Nebati. Das entspricht einem Wert von umgerechnet 263 Milliarden Euro.
Erdogan: Landsleute sollen Gold in Lira eintauschen
Schön für die Besitzer, aber problematisch für die Volkswirtschaft. Denn anders als Bankeinlagen sind diese Ersparnisse dem Wirtschaftskreislauf entzogen. Der Finanzminister will deshalb jetzt die Menschen dazu bewegen, ihr Gold in Lira einzutauschen. Es könnte dann eingeschmolzen und in den Tresoren der Notenbank eingelagert werden, um deren Reserven zu stärken. Die Aktion soll am 1. März starten.
Abgewickelt werden soll der Umtausch zunächst über mehr als 1500 private Goldhändler in den 81 türkischen Provinzen. Bis zum Jahresende werde man rund 10.000 Juweliere im ganzen Land in das System einbinden, so Nebati. Die Regierung habe bereits Verträge mit fünf Goldraffinerien unterzeichnet. Sie sollen die angelieferten Schmuckstücke einschmelzen. Zu den Einzelheiten des Umtausch-Programms äußerte sich der Finanzminister noch nicht. Vor allem ist bisher unklar, mit welchen Anreizen der Staat die Bürgern dazu bringen will, ihre Gold-Ersparnisse gegen schwindsüchtige Lira herauszurücken. Schon 2018 hatte Staatschef Erdogan an die Bevölkerung appelliert, ihr Gold in Lira umzutauschen. Viel Resonanz indes hatte der Aufruf nicht.
Inflation in Türkei ein chronisches Problem
Denn die meisten Türken misstrauen ihrer eigenen Währung. Die Inflation ist in der Türkei seit den 1980er Jahren ein chronisches Problem. Im Januar erreichte sie nach offiziellen Angaben 49 Prozent. Regierungsunabhängige Ökonomen beziffern die tatsächliche Teuerung auf über 100 Prozent. Gegenüber Dollar und Euro hat die Lira allein im vergangenen Jahr 44 Prozent ihres Werts verloren.
Um der Inflation ein Schnippchen zu schlagen, tauschen viele Menschen ihre Lira in Devisen, sobald das Gehalt auf dem Konto ist. Doch das erhöht den Abwertungsdruck zusätzlich und feuert die Inflation weiter an. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, verkündete die Regierung im vergangenen Dezember eine Art Wechselkursabsicherung: Wer seine Lira für drei bis zwölf Monate anlegt, bekommt am Ende der Laufzeit vom Staat die Differenz ersetzt, die sich bei einer Anlage in Dollar oder Euro ergeben hätte. Das führte tatsächlich zu einer Stabilisierung der Währung. 312 Milliarden Lira, umgerechnet 23 Milliarden Dollar, liegen inzwischen auf solchen abgesicherten Konten.
Einen ähnlichen Betrag hofft Finanzminister Nebati jetzt mit seinem Gold-Umtausch einzusammeln. Die Notenbank könnte das Gold gut gebrauchen. Denn die Stützungsmaßnahmen der Währungshüter für die Lira zehren nicht nur an den Devisenbeständen. Auch die Goldreserven der Notenbank gingen zurück. Sie fielen nach Angaben des World Gold Council von 583,3 Tonnen im Juli 2020 auf 394,2 Tonnen im Januar 2022.