Raue Felsen schrauben sich hoch in den Himmel, zwischen den Giganten glitzert der unberührte Neuschnee. Auf einem Hügel steht ein junger Mann, die rote Jacke sticht in der winterlichen Umgebung hervor. Für einen kurzen Moment spiegelt sich das winterliche Panorama in seiner orangefarbenen Skibrille, bevor er sich mit einem Sprung auf seinem Snowboard den Hang herunterstürzt. Ein Freiheitsgefühl, das der Profisnowboarder Elias Elhardt in seiner Dokumentation „Contraddiction“ einfangen will. Der 36-jährige Filmemacher versucht, Sport und Nachhaltigkeit zusammenzudenken – ein Ansatz, der sich auch in der Wintersportbranche abzeichnet. Outdoorhersteller setzen auf recycelte Materialien, gleichzeitig rücken Fahrsicherheit und Komfort stärker in den Fokus.
Besonders bei den Ski- und Snowboardschuhen achten Sportlerinnen und Sportler auf Bequemlichkeit, erklärt Hilmar Bolle, Skisport-Sprecher des Verbands der Deutschen Sportartikel-Industrie (BSI). „Schuhe machen einen der höchsten Anteile am Absatzmarkt aus. Hier bevorzugen viele Menschen den Kauf aus hygienischen Gründen, anstatt sie zu leihen“, sagt Bolle. In den vergangenen Jahren habe sich der BOA-Drehverschluss etabliert. Dieses Schnellverschlusssystem wurde 2001 von Ingenieur und Gründer Gary Hammerslag entwickelt, der sich bei seinen Touren in den Rocky Mountains über den umständlichen Schnürsenkel-Salat seiner Snowboardschuhe ärgerte. Heute ist das System bei allen großen Herstellern im Sortiment zu finden und wird sogar bei Sicherheitsschuhen angewendet.
Insbesondere Kinderski werden immer weniger verkauft
Einfaches An- und Ausziehen, stabile Skier und einen sicheren Helm – das hätte sich auch der britische Autor Arthur Conan Doyle vor 130 Jahren gewünscht. „Nichts auf der Welt ist so launenhaft wie Ski“, schrieb damals schon bekannte Schöpfer von Sherlock-Holmes in einer Zeitung, nachdem er sich 1894 auf eine Skitour in Davos wagte: mit 2,40 Meter langen Brettern, lockeren Bindungen und weichen Schuhen. Seither hat sich im Wintersport viel getan, in kaum einer anderen Branche fand solch eine rasante Entwicklung statt.
Doch an diesen historischen Höchststand, als jährlich mehr als acht Millionen Ski verkauft wurden, kommt die Branche heutzutage nicht mehr heran. In der vergangenen Saison lag der Absatz laut Statista bei rund 3,5 Millionen Brettern. Snowboards erlebten ihren absoluten Höhenflug um die Jahrtausendwende, zuletzt wurden rund 800.000 Stück vermarktet. Die Branche kämpft, sagt Skisport-Sprecher Bolle: „Obwohl der Wintersport nach wie vor sehr viele Fans hat, verkaufen die Hersteller jedes Jahr tendenziell weniger. Der gesellschaftliche Wandel und die Diskussion über die Zukunft des Skisports im Hinblick auf die hohen Kosten wirken sich spürbar auf den Markt aus. Das ist insbesondere am sinkenden Verkauf von Kinderski zu erkennen.“
Doch es hat sich nicht nur der Absatz der Sportartikel reduziert, sondern auch das Design: Die knallbunten Ganzkörperanzüge der 80er Jahre sind gedämpften Farben gewichen. So bevorzugt es auch Profisnowboarder Elhardt, wie er sagt: „Simpel, funktional und dennoch stylish. Ich will keine großen Markenlogos oder auffällige Farben.“ Der gebürtige Allgäuer entwickelte vor ein paar Jahren gemeinsam mit dem französischen Hersteller „Picture Organic Clothing“ ein Outdoor-Outfit, welches maximale Bewegungsfreiheit bieten will. Die Marke setzte mit ihrer Gründung im Jahr 2008 als eine der Ersten auf nachhaltige Funktionskleidung. Nicolas Guérard, PR-Manager von „Picture Organic Clothing“, sieht noch einen weiteren Trend in der Wintersport-Industrie: „Labels versuchen heutzutage immer mehr, eine eigene Gemeinschaft aufzubauen.“
Das Phänomen solcher sogenannten Communities um eine Marke herum habe sich insbesondere mit der jungen Generation Z, welche zwischen 1995 und 2010 geboren ist, etabliert. Guérard sieht dieses Marketinginstrument auch als eine Möglichkeit, Menschen in der Natur und fernab des sportlichen Leistungsgedanken zusammenzubringen. Der Outdoor-Markt definiert sich dadurch neu: weg vom Image der stahlharten Bergsportlerinnen und Bergsportler, hin zur Lust auf Bewegung und Natur.
Auch der Skihersteller „Blizzard“ setzt auf eine speziell aus Frauen bestehende Gemeinschaft. Mit seiner Produktionsstätte im österreichischen Mittersill deckt das Unternehmen nach eigenen Angaben jährlich etwa 25 Prozent des weltweiten Premium-Ski-Segments ab. Gemeinsam mit dem italienischen Sportschuhproduzenten „Tecnica“ – beide Teil der italienischen „Tecnica Group“ – starteten die Hersteller bereits 2015 die „Women2Women“-Kampagne. Julia Ossovsky, Marketing- und Kommunikationsmanagerin für Deutschland, erläutert die Zielsetzung: „Wir möchten Frauen nicht nur zusammenbringen, sondern auch der historischen Benachteiligung in der Branche aktiv entgegenwirken.“
Früher wurden viele Sportartikel primär für Männer entwickelt, während Frauen oft auf verkleinerte Versionen zurückgreifen mussten. Anstatt sich auf ihre spezifischen Proportionen oder den anders gelagerten Körperschwerpunkt einzustellen, wurden die Produkte laut Ossovsky lediglich verkleinert und in vermeintlich weiblichen Farben wie Pink oder Rosa gestaltet. Dieses Vorgehen bezeichnet sie als „shrink it and pink it“. In dieser Saison bietet die Kooperation daher frauenspezifische Freeride-Skier und nachhaltige Skischuhe an. Die Bindung ist leicht nach vorn montiert, zudem sind die Bretter etwas kürzer und leichter.
Doch nicht nur bei den Frauenmodellen geht der Trend bei den Formen und Längen allgemein hin zu kürzeren und vielseitigeren Radien. Dieser gibt an, wie eng oder weit die Schwünge sind, die der Ski fahren kann, wenn man ihn auf die Kante stellt. Ein kleiner Radius eignet sich demnach für enge und schnelle Kurven.
Paul Küpper, Marketing-Koordinator für Völkl Europa, erklärt: „Skifahrer sind zunehmend mit einer dynamischen und unberechenbaren Schneelandschaft konfrontiert, bedingt durch die raschen Veränderungen des Klimas: von harten, eisigen Pisten an einem Tag bis zu weichem Schnee und matschigen Bedingungen am nächsten Tag.“ So versucht Völkl als letzter großer deutscher Skihersteller, sich den schnell wechselnden Wetterbedingungen anzupassen.
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