Die nach der Corona-Pandemie wieder boomende Kreuzfahrtbranche kommt beim Klimaschutz einer Untersuchung der Umweltorganisation Nabu nur schleppend voran. "Es wirkt aus der Zeit gefallen, dass die Mehrzahl der großen Schiffe weiterhin mit dem besonders giftigen, aber billigen Schweröl unterwegs ist", sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller zur Vorstellung des 11. Nabu-Kreuzfahrtrankings 2023.
Der Schifffahrtsexperte des Nabu, Sönke Diesener, betonte in Hamburg aber auch: "Es ist sehr zu begrüßen, dass die ersten endlich einen Weg Richtung Klimaneutralität gefunden haben." Allerdings müsse das Tempo deutlich anziehen.
Der Branchenverband Clia sieht die Reedereien dagegen bereits auf einem guten Weg, wollten sie doch bis 2050 weltweit eine kohlenstofffreie Kreuzfahrt anbieten. "Dieser branchenweite Ehrgeiz übertrifft die von Regierungen auf nationaler und internationaler Ebene gesetzten Ziele." Die Kreuzfahrtindustrie tätige schon enorme Investitionen, um eine der nachhaltigsten Formen der Urlaubsreise zu werden, betonte der Verband Cruise Lines International (Clia).
Havila und Hurtigruten liegen vorn
Der Nabu hat 13 Anbieter von Kreuzfahrten befragt, die für deutsche Kundinnen und Kunden relevant sind. Dabei ging es unter anderem um die Themen Klimastrategie, Klimaschutzmaßnahmen, Landstrom, Stickoxidkatalysatoren und Rußpartikelfilter. Das Ranking beruhe auf den Angaben der Reedereien, sagte Diesener.
Bei den Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen liegen demnach die norwegischen Reedereien Havila und Hurtigruten gemeinsam auf Platz eins. Die deutschen Reedereien Aida Cruises, TUI Cruises und Hapag-Lloyd Cruises belegen nach dem Prinzip der Nabu-Wertung die Plätze zwei, drei und fünf. Der Kreuzfahrtriese Carnival mit Marken wie Carnival Cruise Line, Costa oder Cunard landete auf dem letzten Platz der bewerteten Anbieter.
Die Norweger betrieben kleinere Schiffe, die oft besser ausgestattet seien, und unterlägen strengeren Regeln in ihrem Land, begründete Diesener die guten Plätze dieser Reedereien. Für die einzelnen Passagiere bedeute dies aber nicht, dass sie klimafreundlich reisten. "Wer es sich leisten kann, mit 100 Leuten - und jeder hat eine Suite - in die Antarktis zu fahren (...), der hat einen gigantischen ökologischen Fußabdruck." Wer dagegen auf einem auf Energieeffizienz getrimmten Aida-Schiff mit 6000 Passagieren reise, stehe da im Vergleich nicht gut, aber besser da.
Nabu-Experte: Schwerölquote zu hoch
"Wir sind noch weit entfernt davon, dass es klimaneutral ist, und wir sind auch noch weit entfernt davon, dass es umweltfreundlich ist", betonte Diesener. Denn obwohl die Emissionen drastisch gesenkt werden müssten, stiegen sie weiter an. "Besonders besorgniserregend ist der starke Anstieg der Methanemissionen durch die LNG-Nutzung." Diese seien über 80 Mal klimaschädlicher als CO2.
Verärgert zeigte er sich auch mit Blick auf die Schwerölquote von rund 50 Prozent bei den Kreuzfahrtschiffen. Dies könnten die Reedereien sofort und ohne große Umbauten abstellen, indem sie schwermetalllosen Marinediesel nutzten. "Null Verständnis", klagte der Kreuzfahrtexperte. Damit liege die Branche auf dem letzten Platz in der gesamten zivilen Schifffahrt. Selbst Containerschiffe würden nur noch zu 18 Prozent mit Schweröl betrieben.
Hamburgs Nabu-Chef Malte Siegert begrüßte die Vereinbarung einiger Kreuzfahrtreedereien mit Hamburg zur Nutzung von Landstrom. Allerdings sei die tatsächliche Nutzung nach wie vor zu gering und auch nicht verpflichtend. Diesener schloss sich Clia-Forderungen an, deutlich mehr Landstrom-Infrastruktur zu errichten. Er räumte aber auch ein, dass diese Anlagen nicht trivial seien, verbrauche ein Kreuzfahrtschiff, das in der Regel 40 Prozent der Reisezeit im Hafen liege, doch so viel Strom wie eine Kleinstadt.
Bislang lassen viele Schiffe im Hafen ihre Motoren weiterlaufen, um sich mit Strom zu versorgen - mit entsprechenden Abgasen und CO2-Emissionen. Der Ausstoß im Hafen kann laut Clia allein "zwischen 6 und 10 Prozent der gesamten CO2-Emissionen eines Kreuzfahrtschiffes ausmachen".
(dpa)