Zwischen Mann und Frau gibt es ab dem 21. Dezember keinen Unterschied mehr – zumindest in der Versicherungswelt. Von diesem Datum an müssen die Institute in allen Sparten sogenannte Unisex-Tarife anbieten, bei denen die Geschlechter gleichgestellt werden. Verbraucherschützer warnen vor höheren Preisen. Wir erklären, welche Policen betroffen sind und was Kunden nun beachten sollten.
Warum werden die Unisex-Tarife eingeführt?
Der Europäische Gerichtshof hat im März 2011 entschieden, dass Versicherer nur noch einheitliche Verträge für Frauen und Männer verkaufen dürfen. Ungleiche Tarife, wie es sie bisher gibt, sind nach Ansicht der Richter nicht mit der Grundrechtecharta der EU vereinbar. Sie verbiete jegliche Diskriminierung wegen des Geschlechts. Der EuGH hat der Branche eine Frist für die Umstellung bis 21. Dezember eingeräumt.
Welche Policen sind betroffen?
Die Änderung wirkt sich nur auf Neuverträge aus. Für sie dürfen die Unternehmen künftig nur noch geschlechtsneutrale Tarife kalkulieren. Betroffen sind in erster Linie Versicherungen, die sich auf Personen beziehen wie Lebensversicherungen, private Kranken-, Renten- und Pflegeversicherungen. Im Bereich der Sachpolicen wirkt sich die neue Gesetzgebung auf Kfz- und Unfallversicherungen aus. Nicht betroffen sind Riester-Produkte. Hier gibt es seit 2006 einheitliche Beiträge.
Was bedeutet das für den Kunden?
In einzelnen Fällen können Männer oder Frauen profitieren. Insgesamt aber wird das Beitragsniveau eher nach oben angepasst, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) betont. „Für die Kunden wird die Entscheidung unterm Strich vor allem Nachteile bringen, in erster Linie in Form von höheren Tarifen“, sagt Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung. Bisher hatten die Versicherer die Möglichkeit, die unterschiedlichen Risiken für Männer und Frauen angemessen zu berücksichtigen. Birgit König, die bei der Allianz den Bereich Krankenversicherungen verantwortet, erklärt: „Frauen etwa leben im Durchschnitt länger als Männer, sind in der Krankenversicherung länger krank, werden in der Pflegeversicherung länger gepflegt und beziehen länger Rente. Daher müssen sie mehr bezahlen, damit diese Rechnung aufgeht.“ Eine Pflegeversicherung sei für eine Frau heute 40 Prozent teurer. Da dieses Kriterium künftig nicht mehr berücksichtigt werden darf, müssten die Versicherer vorsichtiger kalkulieren, betont König. Insgesamt werde das Prämienniveau steigen. Der Bund der Versicherten hält den „Aufschrei der Versicherungswirtschaft“ für nicht nachvollziehbar.
Profitieren Frauen automatisch von der neuen Regelung?
Nicht unbedingt. In der privaten Pflegeversicherung zum Beispiel bleiben die Tarife für Frauen in etwa gleich. Vielmehr gilt, wie Birgit König von der Allianz betont: „Für Männer wird es deutlich teurer.“ Deren Beiträge passen sich dem jetzigen höheren Frauenniveau an. Eine private Rentenversicherung dagegen dürfte für Frauen etwas günstiger werden, ebenso eine Berufsunfähigkeits-Police. Die Risiko-Lebensversicherung wiederum wird für Frauen teurer. Der GDV geht von einem Plus zwischen 30 und 40 Prozent aus, die Stiftung Warentest von bis zu 55 Prozent. Auch in der Unfall- und Kfz-Versicherung zahlen Frauen bald mehr.
Was ändert sich für Männer?
Die Beiträge zur privaten Krankenversicherung dürften nach Meinung von Experten für Männer um bis zu 20 Prozent steigen. Teurer werden darüber hinaus die private Renten- und Pflegeversicherung. „In allen Versicherungen, bei denen Frauen bisher mehr bezahlen, ist das tendenziell der Fall“, sagt Allianz-Vertreterin König. Die Stiftung Warentest geht davon aus, dass die Berufsunfähigkeits-Police für Männer um bis zu 35 Prozent teurer wird.
Für wen lohnt es sich, vor dem Stichtag eine Police abzuschließen?
Das sollten Frauen tun, die ohnehin eine Risiko-Lebensversicherung abschließen wollen. Das rät die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz auch Männern in Bezug auf eine Berufsunfähigkeits-Police. Beim Bund der Versicherten (BdV) warnt man dagegen, die Entscheidung davon abhängig zu machen, ob ein Vertrag ein paar Euro mehr kostet. „Entscheidend ist, dass die Versicherung dem Bedarf entspricht und die Bedingungen passen.“ Institute wie die Allianz bieten eine Wechselgarantie an. Kunden, die jetzt abschließen, haben damit die Chance umzusteigen, falls der Unisex-Tarif günstiger sein sollte. (mit dpa)