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Tarifverhandlungen: Die hohe Inflation setzt die Metall-Tarifpartner unter Druck

Tarifverhandlungen

Die hohe Inflation setzt die Metall-Tarifpartner unter Druck

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    Die IG-Metall steht vor der nächsten Tarifrunde - in unsicheren Zeiten. Welche Lohnerhöhungen sind in der Krise möglich?
    Die IG-Metall steht vor der nächsten Tarifrunde - in unsicheren Zeiten. Welche Lohnerhöhungen sind in der Krise möglich? Foto: Daniel Bockwoldt, dpa (Symbolbild)

    Erfolg kann zur Belastung werden. Das erfährt derzeit die IG Metall. Denn die Gewerkschaft hat für die deutsche Stahlindustrie mit 6,5 Prozent mehr Geld den höchsten Abschluss seit 30 Jahren erstritten. Hinzu kommt eine ordentliche Einmalzahlung von 500 Euro. Mehr war kaum raus zu holen, auch wenn es den meisten Unternehmen der Branche sehr gut geht und sie im Gegensatz zu Firmen anderer Wirtschaftszweige die enormen Preissteigerungen in hohem Maße weiter geben können.

    Die IG Metall lieferte also in Hochinflations-Zeiten, nachdem zuvor rund 34.000 Beschäftigte mit Warnstreiks Druck gemacht haben. In der Industrie arbeiten direkt gut 80.000 Frauen und Männer. Die Gewerkschaft hatte 8,2 Prozent gefordert und 6,5 Prozent gewonnen. In der Vergangenheit war das Delta zwischen dem, was die Organisation verlangt und letztlich erhält, oft größer. Das ist Segen und Fluch zugleich für die Arbeitnehmer-Gruppierung, wie es hinter vorgehaltener Hand aus ihren Reihen heißt. „Die Latte liegt nun hoch“, sagt ein IG-Metaller. Denn in der angelaufenen Tarifrunde der mit bundesweit 3,8 Millionen Beschäftigten weitaus größeren Metall- und Elektroindustrie will die Gewerkschaft 8,0 Prozent erstreiten. Umgerechnet auf das Stahl-Ergebnis müsste die IG Metall einen Abschluss von um die 6,3 Prozent erzielen. Das scheint Tarifkennern unrealistisch zu sein, weil sich Unternehmen der Schlüsselindustrie (Autohersteller, Maschinenbauer) in einer äußerst unterschiedlichen Verfassung befänden.

    Jeder dritte Betrieb will auf Kurzarbeit zurückgreifen

    So verwies Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie, darauf, dass sich jedes sechste Unternehmen der Branche aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds in seiner Existenz bedroht fühle. Auch erwarteten vier von fünf Firmen in diesem Jahr, dass der Gewinn geringer ausfällt. Schon wolle jeder dritte Betrieb auf Kurzarbeit zurückgreifen.

    Für den Tarif-Experten steht fest: „Bei den ohnehin drastisch steigenden Kosten für die Unternehmen wäre eine massive Lohnerhöhung nicht zu verkraften.“ Dabei warnt der Arbeitgebervertreter am Montag vor der Presse in München, 22 Prozent der Metall- und Elektro-Unternehmen drohe ein Produktions-Stopp, wenn kurzfristig kein Gas mehr zur Verfügung steht. Brossardt hält deswegen die Forderung der IG Metall nach acht Prozent mehr Lohn für „deutlich überzogen und fernab der aktuellen Realität“. Zwar hätten viele Betriebe nach wie vor genügend Aufträge, könnten diese aber wegen fehlender Teile und Vorprodukte nicht abarbeiten. Der Unternehmens-Repräsentant sieht derzeit „einen nie dagewesenen Krisen-Cocktail“, der für ihn aus explodierenden Energie-Preisen, Lieferengpässen, Arbeitskräftemangel und der weiter schwelenden Corona-Pandemie besteht.

    Für Bayern ist die Metall- und Elektroindustrie von großer Bedeutung. Derzeit sind dort 855.000 Menschen beschäftigt. So haben die Firmen des Wirtschaftszweigs nach dem Tiefstand im Zuge der Finanzmarkt-Krise im Frühjahr 2010 rund 120.000 Arbeitsplätze geschaffen. Für Arbeitgeber wie IG Metall steht also viel auf dem Spiel.

    Brossardt warnte die Gegenseite schon mal davor, dass Betriebe Produktion von Bayern mit seinen Lohnstückkosten, die mit die höchsten in der Welt seien, in andere Länder verlagern könnten: „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Musik zukünftig mehr im Ausland spielt.“ Deswegen trägt die Kampagne der bayerischen Arbeitgeber mit einem metallischen Löwen als Symbol das Motto: „Balance halten“. Brossardt strebt hier einen „elastischen Abschluss“ an, ohne konkreter zu werden. Der Erfahrung nach ähnelt eine solche flexible Einigung einer Hose mit Gummizug, die möglichst für viele Unternehmen passt, also für wirtschaftlich erfolgreiche Autobauer wie Audi ebenso verträglich ist wie für kleine Zulieferer, die hart zu kämpfen haben.

    Arbeitgeber fordern dehnbare Tarifabschlüsse

    Die Dehnbarkeit eines Tarifabschlusses erreichen die Verhandlungspartner, indem sie, wie es in ihrer Fachsprache heißt, den kompletten Instrumenten-Koffer auspacken und an vielen Schrauben drehen. Einmalzahlungen, die den Tariflohn erhöhen, ohne ihn dauerhaft prozentual zu steigern, sind so ein Schrauben-Typ. Ein anderer besteht in Verabredungen, wie Unternehmen in Not von dem Vertrag abweichen können, wofür es bisher auch schon Möglichkeiten gibt. Auf regionaler Ebene laufen die Metalltarif-Verhandlungen an. Am Donnerstag finden erste Gespräche für Bayern statt. Die Friedenspflicht für die Branche endet mit dem 28. Oktober. Danach sind Warnstreiks möglich. Bayerns IG-Metall-Chef Johann Horn sagte dazu im Gespräch mit unserer Redaktion: „Die Erwartung der Beschäftigten ist sehr groß. Die Menschen leiden unter dem enormen Anstieg der Lebenshaltungskosten.“ Aus Sicht des Gewerkschafters erwarteten die Menschen nach zwei Tarifrunden ohne Tabellenerhöhung von den Arbeitgebern eine deutliche prozentuale Entgeltsteigerung.

    Dabei machte Horn deutlich, dass im Gegensatz zu den Beschäftigten die meisten Unternehmen die gestiegenen Preise weitergeben könnten. Als Beleg dafür führt der Gewerkschafter „die deutlich gestiegenen Erzeugerpreise in der Metall- und Elektroindustrie“ an. Für Horn ist klar: „Das beste Mittel gegen eine Rezession ist die nachhaltige Stärkung der Kaufkraft.“ Das klappe eben nur mit prozentualen Lohn-Erhöhungen. Für ihn sind „jetzt vor allem die Arbeitgeber am Zug“. Denn in den Corona-Jahren 2020 und 2021 zusammen hätten die Unternehmen der Metallindustrie durchschnittlich 7,5 Prozent Umsatzrendite eingefahren. Auch aktuell seien die Auftragsbücher der Firmen randvoll gefüllt. So liegen Gewerkschaften und Arbeitgeber mit ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zum Auftakt der Gespräche traditionell weit auseinander. Konfliktstoff gibt es reichlich.

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